Terror in Deutschland: Jetzt rettet uns nur noch die Bundeswehr! Oder doch nicht?
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen dringt weiter darauf, die Bundeswehr auch im Innern einsetzen zu können - und riskiert damit einen Schlagabtausch mit den Sozialdemokraten.
Florian Hahn war der erste. Der Anschlag in München war kaum passiert, die Lage verworren und unklar, da zog der CSU-Verteidigungspolitiker via Twitter aus der Ferne schon mal die Schlussfolgerung: „Zur Herstellung der Sicherheit im öffentlichen Raum brauchen wir für nächsten Tage #Bundeswehr.“ Das wirkte ganz so, als habe der Christsoziale bloß auf die Gelegenheit gewartet. Seine Ministerin war da schon weiter. Ursula von der Leyen hat ihren Generalinspekteur am vorigen Freitag angewiesen, rund 100 Feldjäger und Sanitäter in Münchner Kasernen in Bereitschaft zu versetzen. Seither wird neu über die Bundeswehr im Inneren diskutiert.
Leyen hat ihren Alarmbefehl selbst öffentlich gemacht. Zu dem Zeitpunkt war schon klar, dass Soldaten in München nicht gebraucht wurden – die Polizei hatte mit 2300 Einsatzkräften, auch aus anderen Bundesländern und dem nahen Österreich, die Lage gut im Griff. Trotzdem wollte die Ministerin, dass der Vorgang bekannt wird. Erstens, weil sich der Alarm gar nicht hätte verschweigen lassen, zweitens aber, weil sie an Heimlichkeit in dieser Sache überhaupt kein Interesse hat. Leyen präsentiert sich schon seit Monaten als Vorkämpferin für einen Bundeswehreinsatz im Inneren.
Dass dieses Engagement völlig uneigennützig und nur der Sache geschuldet ist, glaubt in Berlin kein Mensch. Der ehrgeizigen Niedersächsin wird seit langem nachgesagt, sie schiele aufs Kanzleramt mit Blick auf den Tag, an dem Angela Merkel ihren Schreibtisch räumt. Ihr größtes Manko ist ihr durchwachsener Ruf bei den Konservativeren in der Union, die in Leyen die Fortsetzung der Merkelschen „Sozialdemokratisierung“ sehen. Ihr Einsatz für ein Herzensthema der Innen- und Rechtspolitiker kommt da als Gegenbeweis gut gelegen.
Leyen hatte sogar versucht, den Bundeswehr-Einsatz im Inneren an den SPD-Ministerien vorbei ins neue Weißbuch der Bundesregierung zu mogeln. Das durchsichtige Manöver scheiterte absehbar. Leyens Botschaft kam aber durch den öffentlichen Konflikt mit dem Auswärtigen Amt von Frank-Walter Steinmeier (SPD) erst recht unters Volk.
Und in der Endfassung des Weißbuchs blieb ein Satz übrig, der das Verfassungsverbot eines Armeeeinsatzes im Inneren ein Stück dehnt. Bund und Länder dürfen Soldaten nach Artikel 35 Grundgesetz bei Naturkatastrophen und „besonders schweren Unglücksfällen“ zur Hilfe rufen. Im Weißbuch wird der Unglücksfall neu interpretiert: der könne auch bei „terroristischen Großlagen“ vorliegen.
Auf diesen Satz stützt sich Leyens Bereitschaftsbefehl. Und weil die Ministerin das Weißbuch – anders als seine Vorgänger – nicht nur ein Strategiepapier des Verteidigungsministeriums blieb, sondern vom Kabinett beschlossen wurde, bindet die neue Interpretation des Katastrophenfalles auch die SPD-Minister.
Es ist deshalb wohl nicht nur der Sommer- und Ferienzeit geschuldet, dass sich aus der SPD höchstens Landesminister mit Protest zu Wort melden. Boris Pistorius zum Beispiel, Innenminister in Niedersachsen, nennt die Diskussion in der HAZ ärgerlich. „Will Bayern nun Kampftruppen einsetzen – und gegen wen?“ fragt der Sozialdemokrat polemisch. Auch der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka kritisiert die Forderung in der „Mitteldeutschen Zeitung“ als „ziemlich dumm“, die Polizei komme alleine klar.
In der Praxis wäre ein Armeeeinsatz schon deshalb schwierig, weil es an Erfahrung in der Zusammenarbeit mit der Polizei fehlt – im Zweifel weiß im Präsidium keiner, wen er in der Kaserne anrufen soll, und umgekehrt. Die erste Übung für solche Kooperationen soll erst demnächst stattfinden. Aber der Union geht es nicht zuletzt darum, eine in der Flüchtlingskrise arg strapazierte Kernkompetenz zurück zu gewinnen. Soldaten auf den Straßen zu fordern verbreitet da die nützliche Botschaft: Wir tun im Zweifel alles für eure Sicherheit!