Habitat-Konferenz zur Zukunft der Städte: Michael Müller will in Quito Ideen für Berlin sammeln
Die Bürgermeister dürfen in Quito ihre Stadt erklären. Michael Müller spricht über Flüchtlinge und sozialen Zusammenhalt.
Gute drei Stunden lang hat am Sonntag in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito ein Bürgermeister nach dem anderen in jeweils drei Minuten seine oder ihre Stadt erklärt. Bei der Zweiten Weltversammlung der lokalen und regionalen Regierungen, die unmittelbar vor Beginn der dritten Weltsiedlungskonferenz Habitat III stattgefunden hat, war viel von Frauen die Rede. Die Bürgermeisterin von Surabaya in Indonesien, Tri Rismaharini, forderte „mehr Frauen in Verantwortung“ in den Kommunen. Das griff ein halbes Dutzend weiterer Bürgermeister im Verlauf der Debatte auch wieder auf. Richtige Begeisterung hat aber nur der Bürgermeister von Montreal, Denis Coderre, ausgelöst. „Wenn Du ein Problem hast, frag einen Bürgermeister“, sagte er. Und: „Gemeinsam erobern wir die Welt.“ Die Bürgermeister stünden „Seite an Seite“ mit ihren Bürgern.
Da hatte es Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) nicht leicht, seinen eigenen Akzent zu setzen. Er sprach über die Flüchtlinge, die nach Berlin gekommen waren, und die nicht am Stadtrand unter sich untergebracht werden dürften, um ihnen den Einstieg in die Gesellschaft zu ermöglichen. Die Aufgabe, die Städte wirtschaftlich voranzubringen, ohne die Umwelt zu ruinieren und den sozialen Zusammenhang zu gefährden, brauche „adäquate Finanzmittel“, sagte Müller, wie vor ihm schon der Bürgermeister von Dakar im Senegal, Khalifa Sall. Müller beschrieb den Zweck seiner Südamerikareise so: „Ich bin hier, um herauszufinden, was ich in Berlin tun kann“, um die „neue urbane Agenda“ umzusetzen, die am Montag in Quito verabschiedet werden soll.
Die Bürgermeister respektieren Müller
Im Vergleich zu seiner Rede vor den Vereinten Nationen vor ein paar Monaten in New York trat Müller souveräner auf, auch wenn er während seiner Rede angestrengt auf sein Papier starrte. Aber die Bürgermeister um ihn herum respektieren Müller, und ab und zu huschte doch ein Lächeln über sein Gesicht. Außerdem ist Müller – und mit ihm offenbar die meisten Bürgermeister – sichtlich zufrieden damit, dass die Städte und Regionen künftig stärker in die Entscheidungsprozesse der Vereinten Nationen einbezogen werden sollen. Schließlich sollen die Städte und Gemeinden am Ende die großen und wohltönenden Ziele der UN vor Ort umsetzen.
Am Montag redet Müller dann vor dem Habitat-Plenum. Er übernimmt es, die deutsche Position zum Habitat-Prozess darzustellen. Das ist allerdings gar nicht so leicht. Denn die Zusammenarbeit zwischen dem Umwelt- und Bauministerium sowie dem Entwicklungsministerium, die sonst bei internationalen Konferenzen wie zuletzt beim Klimagipfel in Paris oder beim Rio-Gipfel 20 Jahre nach dem ersten Erdgipfel 2012 reibungslos klappt, scheint beim Thema Urbanisierung schwieriger zu sein. Das Entwicklungsministerium hat im Vorfeld via Pressemitteilung eine Mobilitätsoffensive angekündigt, die in Quito aber niemand vorzustellen scheint. Das Bauministerium taucht in Quito lediglich bei Randveranstaltungen zum Gipfel auf. Vielleicht holt sich Müller Anregungen für seine Rede aus der Hauptstadt Kolumbiens Bogota. Dort hat er zumindest einen Überblick über die Entwicklung der Zehn-Millionen-Metropole bekommen, auch wenn er seine Reise wegen der Koalitionsverhandlungen in Berlin und dem Bund-Länder-Gipfel zu den Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern verkürzen musste.
Der Regierende fliegt Economy-Klasse
Die zwei Stunden von Bogota nach Quito hat Michael Müller (SPD) in der Economy-Klasse verbracht. Als der Regierende Bürgermeister Berlins am späten Samstagabend vom Kongress der Vereinigten lokalen Regierungen (UCLG) in die Hauptstadt Ecuadors flog, hatten er und seine vier Begleiter womöglich auch nicht mehr die Wahl womöglich besserer Sitzplätze. Ganz vorne im Flugzeug saß schon Mpho Parks Tau, den Müller am Gate noch als „schlicht den besten für den Job“ gelobt hatte. Parks Tau war bis zur Kommunalwahl in Südafrika Bürgermeister von Johannesburg. Seine Partei, der ANC, hat bei der Wahl im August allerdings nicht gut abgeschnitten. Der in Südafrika als erfolgreich und intelligent gelobte Parks Tau will seine Erfahrungen nun als Präsident von UCLG weitergeben, einem Städte- und Regionenbündnis, das sich gerade aufmacht, sich einen dauerhaften Platz im Entscheidungsgefüge der Vereinten Nationen zu erobern. Müller, der einer von sieben Co-Vorsitzenden im Großstädtebündnis Metropolis ist, hatte das Stimmrecht für Metropolis beim UCLG-Kongress in Bogota.
Als er ins Flugzeug stieg, war er zwar bereits ein wichtiges Mitglied der deutschen Delegation beim Weltsiedlungskongress Habitat III, der am Montag in Quito begonnen hat. Aber am nächsten Morgen war er unversehens zum Delegationsleiter aufgestiegen. Die eigentlich angekündigte Bauministerin Barbara Hendricks (SPD) hatte kurzfristig abgesagt. Und weder aus dem Bau- noch aus dem Entwicklungsministerium war ein Staatssekretär zur Hand, Baustaatssekretär Gunther Adler stößt erst am Dienstag zur deutschen Delegation. Dann wird Michael Müller bereits vor dem Plenum der Habitat-Konferenz gesprochen und der Abschlusserklärung, der „neuen urbanen Agenda“ zugestimmt haben. Dagmar Dehmer