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Friedrich Merz spricht beim politischen Aschermittwoch des thüringischen Landesverbandes der CDU in Apolda.
© Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa
Update

Politischer Aschermittwoch der CDU in Thüringen: Merz greift Ramelow wegen Ministerpräsidenten-Kandidatur an

Einen Tag nach Bekanntgabe seiner Kandidatur für den CDU-Vorsitz hält Merz eine kämpferische Rede – ausgerechnet im politisch chaotischen Thüringen.

Es ist wie immer beim politischen Aschermittwoch der Thüringer CDU, auch bei seiner 28. Auflage. Es gibt Bier und Blasmusik, die Stimmung ist überschäumend. Das geht gleich los, als die lokale Landrätin die Ehrengäste begrüßt. Zuerst den Mann, der hier im ländlichen Thüringen, wohl am liebsten als nächster CDU-Bundesvorsitzender und Merkel-Nachfolger gesehen wird: Friedrich Merz. Ein Jubelsturm bricht los, als sein Name genannt wird. Die für Apolda obligatorische Kuhglocke wird geschlagen.

Der Jubel ist ebenso groß beim Noch-Landesvorsitzenden der Thüringer CDU, Mike Mohring. Er hat diesen politischen Aschermittwoch in Apolda, seiner Heimatstadt, zum größten in Ostdeutschland gemacht. 1.500 Besucher sollen da sein. Für Mohring ist es der letzte Auftritt. Nach der Wahlschlappe der CDU bei der Landtagswahl, die von 33 auf 22 Prozent stürzte, und dem folgenden „Schlingerkurs“, so die Kritik in der Partei, wurde der Widerstand so stark, dass er am Montag neben dem Posten als Landeschef auch den Fraktionsvorsitz abgibt.

Die lautstarke Begleitmusik für seinen Abgesang erklingt nun hier in Apolda. Die örtliche Blaskapelle bläst aus voller Lunge „Rosamunde“ in ihre Trompeten, Tubas und Klarinetten, die hiesige Brauerei lässt das Bier fließen. Mohring tritt ans Rednerpult, entspannt und mit gesunder Gesichtsfarbe. Was für ein Unterschied zum Vorjahr, als der von einer Krebserkrankung gezeichnete CDU-Politiker hager und mit bisweilen brechender Stimme die Rede hielt.

Ein Jahr ist das erst her. Aber was ist in dieser Zeit bei den Thüringer Christdemokraten nicht alles passiert: Der nicht zündende Wahlkampf, die vergeigte Landtagswahl, Mohrings Blinken nach rechts und links nach der Wahl, das Desaster um die Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) zum Ministerpräsidenten mit Stimmen von CDU und AfD, die Proteste dagegen. Mit der Wahl Kemmerichs habe sich Thüringen „der Lächerlichkeit preisgegeben“, seufzt der SPD-Fraktionschef im Landtag, Matthias Hey.

„Wir sind derzeit nicht der attraktivste Gastgeber“, beginnt Mohring seine Rede. Trotzdem hat er den derzeit vielleicht interessantesten deutschen Politiker als Gastredner engagieren können - übrigens schon vor der Landtagswahl im Oktober 2019, als sich keineswegs abzeichnete, was an Irrungen und Wirrungen bei der CDU in Land und Bund kommen sollte. Merz wolle Bundesvorsitzender werden, sagt Mohring. „Nun stimmen wir ja nicht hier ab - da wär’s entschieden“, ruft er unter Jubel samt Gebimmel der Kuhglocke. „Unsere CDU Deutschland braucht diesen personellen Neuanfang“, fügt er hinzu.

Merz greift Ramelow an

Ganz vorn im Publikum sitzt Merz, neben ihm der von Kanzlerin Angela Merkel geschasste Ost-Beauftragte Christian Hirte, der gern Mohrings Nachfolger als CDU-Landeschef werden würde. Bevor Merz loslegt, werden erstmal die Teller mit Hering und Salzkartoffeln ausgetragen. Das dauert. Die Blaskapelle spielt, leere Biergläser werden durch volle ersetzt.

Dann beginnt Friedrich Merz, die Besucher haben lange genug gewartet. Und geißelt unter großem Jubel den Thüringer Nicht-mehr-Ministerpräsidenten Bodo Ramelow und dessen rot-rot-grüne Koalition. Er habe es noch nie erlebt, dass ein Wahlverlierer mit dem Anspruch antritt, wieder den Ministerpräsident zu stellen, obwohl der keine Mehrheit mehr habe, ruft Merz. „Wo kommen wir denn hin, wenn wir das als selbstverständlich akzeptieren?“ Er fordert, dass weiter gilt, was die Thüringer CDU vor der Wahl sagte: Nämlich, dass sie für Wahl eines Linken-Ministerpräsident nicht zur Verfügung steht. Das müsse auch nach der Wahl gelten, ruft er. Der Jubel in Apolda ist groß, obwohl Abgeordnete der Thüringer CDU am nächsten Mittwoch Ramelow zurück ins Amt verhelfen könnten.

„Die Opfer von Hanau sind keine Fremden, das sind Landsleute von uns“

Merz spricht über die Opfer des Massakers von Hanau. „Das sind keine Fremden, das sind Landsleute von uns“, sagt er. Sie und ihre Angehörigen würden nicht ausgegrenzt. „Wir nehmen sie in den Arm, wir trauern mit ihnen.“ Der 64-Politiker, der einst die Unionsfraktion im Bundestag führte, mahnt auch, dass die CDU nicht leichtfertig über Greta Thunberg und „Fridays for Future“ hinweggehen dürfe. „Wir haben ein fundamentales ökologisches Problem.“ Der Klimawandel stelle alles in Frage. Es ist warm im Saal. Merz zieht das Sakko aus. Und fährt fort, dass Deutschland einen neuen Generationenvertrag brauche. Viele Entscheidungen im Bundestag in den vergangenen Jahren seien zulasten der jungen Generation gegangen.

Zum Schluss, bevor die Blaskapelle die Nationalhymne schmettert, kommt Merz auf seine Kandidatur für den CDU-Bundesvorsitz zu sprechen. Der Beifall hier in Apolda sei für ihn „eine Ermutigung“. Zu Beginn schon hatte er gesagt, dass Apolda - und nicht Berlin-Kreuzberg - mitten in Deutschland liege. Angesichts der CDU-Umfragewerte von um die 22 Prozent auf Bundesebene könne die Partei nicht so bleiben, wie sie ist. „Die Alternative ist: Weiter so oder Aufbruch und Erneuerung.“ Wenn er die Wahl zum Vorsitzenden gewinne, würden Armin Laschet, wohl sein Hauptkonkurrent, und Jens Spahn natürlich zu seinem Team gehören. „So muss es sein. Mach was. Mach was. Mach endlich was“, brüllt ein zornig-begeisterter Mann im Publikum.

Eike Kellermann

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