Söder am Aschermittwoch: Die größte Sorge des CSU-Chefs ist grün
In Passau arbeitet sich Markus Söder vor allem an Grünen-Chef Robert Habeck ab. Und er bestätigt: Etwas anderes als Ministerpräsident will er nicht sein.
Ob er das Protestplakat gesehen hat, draußen an dem Traktor vor der Dreiländerhalle? „Söder kann’s nicht“, finden die Demo-Bauern; Agrarministerin Julia Klöckner auch nicht, der Grünen-Fraktionschef Toni Hofreiter nicht. Aber einem trauen sie’s zu: „Kretschmann kann’s“. Bräuchte Markus Söder an diesem Passauer Aschermittwoch noch eine Bestätigung für seine größte Sorge – die Heiligsprechung des grünen Ministerpräsidenten liefert sie. Heute ein grüner Landesvater in Stuttgart, morgen ein grüner Kanzler in Berlin – man kann schon verstehen, warum der CSU-Vorsitzende sorgenvoll auf die Schwesterpartei CDU schaut.
Für Chefs der Christsozialen ist der Biertisch-Aufmarsch in Passau seit Franz Josef Strauß selig Gradmesser und Bewährungsprobe zugleich. Söder muss sich da gerade keine Sorgen machen. Er hat es in den zwei Jahren als Ministerpräsident zum Unumstrittenen gebracht. „Ich war früher klar gegen ihn“, sagt ein altgedienter CSU-Vorständler. „Aber er hat mich überrascht.“ Söder muss im Moment eher dagegen ankämpfen, dass ihm manche zu viel zutrauen.
Erst einmal ist festzuhalten: Seriös sind sie geworden bei der CSU. Vor Jahren hingen an den Wänden der Dreiländerhalle noch freche selbstgemalte Spruchbanner. Später wurden es amtlich gedruckte, inklusive sanfter Zensur durch die Parteizentrale. Heute hängt da gar nichts außer dem Plakat mit dem einladend dreinblickenden Söder, das die Veranstaltung ankündigt. Es ist möglicherweise als Orientierungshilfe gedacht für den vollends enthusiasmierten Teil des Publikums, der, wie eine Augsburgerin kichernd bekennt, seit gestern Abend durchgefeiert hat.
„Transparente sind ja nicht mehr so erwünscht“, sagt Andreas Renner. Der 84-Jährige gehört zum Aschermittwochsinventar. Er hat hier nacheinander Edmund Stoiber, Horst Seehofer und Karl-Theodor zu Guttenberg plakativ zu den nächsten Kanzlern ernannt. Jetzt zieht er nur noch verschwörerisch eine Faltpappe aus dem ledernen Herrentäschchen „gegen den Klimawahn“.
Was den Söder als Kanzler angeht, wandelt ein anderer Plakatträger umher und rät auf seinem Schild ab: „Markus bleib in Bayern – in Berlin da gibt es nix zu feiern.“ Der Spruch hat definitiv den Segen der Parteizentrale. Für Restbestände an bajuwarischem Eigensinn muss also die Basis sorgen. Manfred Weber beschert sie Jubelstürme. Weber mausert sich seit seiner europäischen Niederlage zum Parteiliebling. Andreas Scheuer, der als Lokalmatador ein Grußwort halten darf, kassiert an der Basis Basis Pfiffe und Buh-Rufe.
Scheuer schaut verkniffen in den Saal, schimpft auf die Linken und auf eine „Mimimi-Gesellschaft“ und rät zum „Rücken Durchdrücken“. Das ist zumindest mal ein Rezept für einen Kandidaten auf Söders Abschussliste für eine Kabinettsumbildung. Ob aus der noch etwas wird, gehört allerdings zu den Fragen, die seit Annegret Kramp-Karrenbauers Rückzug von der CDU-Spitze offener sind als je.
Die CDU wirkt im Moment aus Münchner Sicht arg wackelig. Sie ist auch empfindlich geworden. Als Söder in gewohnt robuster Manier gegen die Zeitpläne für die AKK-Nachfolge intervenierte und es nicht bei einem Mal beließ, verbaten sich selbst die traditionell bayern-freundlichen Baden-Württemberger weitere Einmischungen.
Gegen Habeck: von wegen Mitte
Söders verdeckt vorgetragene Opposition gegen einen CDU-Chef Friedrich Merz hat auch nicht so richtig geholfen, den Sauerländer auszubremsen. Dabei gibt es zwischen dieser Opposition und Söders großer Sorge einen engen Zusammenhang. Die Veranstaltungen von Roten und Gelben fertigt er kurz ab als „Stuhlkreis“-Treffen. Auf die Grünen verwendet er ernsthafte Mühe. Am Morgen hat er in der „Passauer Neuen Presse“ neben dem traditionellen Interview mit dem Ministerpräsidenten, also ihm, ein nahezu gleich großes mit Grünen-Chef Robert Habeck lesen können. Die Grünen, verkündete Habeck da, seien im Moment „die einzige orientierte und manövrierfähige Partei der bürgerlichen Mitte“.
Das lässt Söder nicht stehen. Gegen Habeck packt er das ganze Arsenal aus: Doppelmoral, Verbots- und Vorschriftenpartei, und von wegen Mitte: Wenn sie bei der nächsten Bundestagswahl nur eine einzige Stimme Mehrheit im Reichstag hätten, werde es Grün-Rot-Rot geben und nicht Schwarz-Grün. „Bäume umarm’ ich“, witzelt der Mann, der neuerdings so grün daherkommt, „aber das ist das einzige Grüne, das ich umarme!“
„Höcke ist ein Nazi“
Die AfD über den rechten Rand hinausdrängen, aber potenzielle Grünen-, also auch liberale Merkel-Wähler mit allen Mitteln halten – die Strategie verfolgt Söder konsequent. „Warum darf man Höcke gerichtlich einen Nazi nennen?“ ruft er den Tausenden im Saal zu. „Weil er einer ist!“ Egal wie sich die Union aufstelle, sie müsse „klar Schiff“ machen, auch im Osten, gegen jede Kooperation.
Merz würde das auf seine Art sicherlich auch versuchen. Er will am Abend in Apolda der Thüringer CDU den Marsch blasen dafür, dass sie AfD-Stimmen für den FDP-Ministerpräsidentenkandidaten Thomas Kemmerich billigend in Kauf nahm. Aber auf der anderen, der grünen Flanke ist der Konservative Merz ziemlich blank. Söder hält sie für die gefährlichere.
„Die Union hat keine Spielraum, untereinander zu streiten“
Offiziell übt er sich in Bescheiden, seit das Rennen in der CDU eröffnet ist: Er habe keinen Rat zu geben, und alle Bewerber seien hochkompetent. Nur beim gemeinsamen Kanzlerkandidaten werde die CSU auf Augenhöhe mitreden – „nur zusammen, nicht alleine wird das laufen“. Das solle auch nicht sofort entschieden werden: „Ein Frühstart wie von Herrn Schulz, der endet im Frühabsturz.“ Aber er will das nicht als Kampfansage verstanden wissen, sondern als Aufruf zur Einigkeit. „Die Union hat keinen Spielraum, untereinander zu streiten.“
Untereinander nicht, und innerhalb nicht. Söder sieht die Gefahr, dass sich die Spaltung der CDU nach dem Duell zwischen Kramp-Karrenbauer und Merz 2018 wiederholt. „Wir brauchen jeden: Konservative, Liberale und Soziale“, beschwört er die Schwesterpartei. Führt einen Wettstreit, „aber kommt danach wieder in Freundschaft zusammen!“ Die CSU habe es doch auch geschafft.
Irgendwie klingt das alles doch nach einer Wahlempfehlung. Eine gegen den Mann, der eine „Richtungsentscheidung“ in der CDU erzwingen will, eher für das Duo, das zusammenzuführen verspricht. Was aber übrigens die K-Frage angeht: Da ist Söder selbst jetzt wohl wirklich aus dem Rennen. Nur wenn der nächste CDU-Chef scheitert, analysieren Vertraute, käme die große Schwester auf den Bayern zu – aber was sollte der in einem Trümmerfeld? „Hier steh' ich als Ministerpräsident, ich kann nicht anders und ich will nicht anders“, ruft Söder zum Abschluss in den Jubel hinein.