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Die vier Anwärter für den CDU-Vorsitz: Jens Spahn, Norbert Röttgen, Armin Laschet und Friedrich Merz (vlnr)
© dpa(3), imago

Kampf um den CDU-Parteivorsitz: Wie gut sind die Chancen der Kandidaten?

Norbert Röttgen, Friedrich Merz oder Armin Laschet plus Jens Spahn: Das Rennen um den CDU-Vorsitz hat begonnen.

Friedrich Merz hatte sich das alles so schön vorgestellt. Am Montagabend ein Heringsessen an der Basis in Mecklenburg-Vorpommern, gemeinsam mit dem aufstrebenden CDU-Abgeordneten Philipp Amthor. Die Bilder: der Junge und der Ältere zusammen im Blitzlichtgewitter. Am nächsten Morgen dann wollte Merz um 11 Uhr vor den Hauptstadtjournalisten seine Kandidatur für den CDU-Vorsitz verkünden. Es sollte der ganz große Auftritt werden.

Doch der wird ihm am Dienstagmorgen ordentlich verhagelt: Kurzfristig kündigen Gesundheitsminister Jens Spahn und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet ebenfalls eine Pressekonferenz an – und zwar für 9.30 Uhr. Die beiden wollen im Team antreten: Laschet als CDU-Chef und Spahn als sein Stellvertreter. Ihre Botschaft: „Die CDU ist größer als jeder einzelne von uns.“

Merz ist deutlich angefressen. Nicht nur, dass ihm die Konkurrenten die Schau gestohlen haben – sie haben ihn auch strategisch in eine schwierige Lage gebracht. Säuerlich kommentiert er deren Kandidatur: „Im richtigen Leben würde man von einer Kartellbildung zur Schwächung des Wettbewerbs sprechen.“

Der innerparteiliche Wahlkampf um das Amt des Parteivorsitzenden ist endgültig eröffnet. Wer beim Sonderparteitag Ende April gewählt wird, hat gute Chancen, auch der nächste deutsche Kanzler zu werden.

Was bedeutet die Doppelkandidatur für das Rennen um den Parteivorsitz?

Tatsächlich haben sich Laschet und Spahn mit ihrem Bündnis einen strategischen Vorteil verschafft. Nachdem Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer ihren Rückzug von der CDU- Spitze angekündigt hatte, führte sie bereits mit Merz, Spahn und Laschet intensiv Gespräche über eine „Teamlösung“: In welcher Konstellation lassen sich alle Aspiranten einbinden? Als dann Ex-Umweltminister Norbert Röttgen seine Kandidatur verkündete, schien die Teamlösung passé – Röttgen sprach sich deutlich gegen „Hinterzimmer“-Lösungen aus. Dennoch wünschten sich viele in der CDU eine gütliche Einigung. Schließlich ist es erst knapp 15 Monate her, dass die Christdemokraten den Parteivorsitz neu besetzten – und im Prozess innerparteiliche Gräben aufrissen. Unkalkulierbare Kampfkandidaturen sind eine wenig attraktive Aussicht

Nun also präsentieren Laschet und Spahn am Dienstag eine Art Mini-„Teamlösung“. Spahn darf zuerst sprechen, steigt dramatisch ein: „Wir befinden uns als CDU in der größten Krise unserer Geschichte“, sagt er. Die CDU habe viel Vertrauen verspielt, sich oft im Kleinklein verzettelt, zu viel über Personalfragen diskutiert. Er sagt: „Ich will nicht, dass Angela Merkel die letzte CDU-Kanzlerin der Bundesrepublik gewesen ist.“

Er habe viel nachgedacht, was für die CDU am besten sei. „Der innerparteilicher Wettstreit 2018 war gut, er hat die Fenster geöffnet, aber so kurz hintereinander ein zweites Mal erscheint mir einmal zu viel.“ Und es könne nur einen Parteichef geben. Das bedeute, dass einer zurückstecken müsse. „Ich werde daher nicht für den Vorsitz kandidieren. Stattdessen unterstütze ich Armin Laschet.“ Der sei in der Lage, „das Liberale, Soziale und Konservative“ zusammenzuführen.

Spahn kann sich jetzt als einer präsentieren, der die eigenen Ambitionen zum Wohle der Partei zurückstellt – das könnte dem 39-Jährigen noch nutzen. Laschet wiederum, der vielen Parteifreunden als Zauderer und zu nett gilt, hat mit dem Coup Entschlossenheit und strategisches Geschick bewiesen.

Aufbruch zu zweit: Jens Spahn (r.) und Armin Laschet bewerben sich gemeinsam für den CDU-Vorsitz.
Aufbruch zu zweit: Jens Spahn (r.) und Armin Laschet bewerben sich gemeinsam für den CDU-Vorsitz.
© Michael Kappeler/dpa

Laschet und Spahn wollen ein Duo sein, das alle Strömungen in der Partei integriert und Konflikte in der CDU überwindet. Dieses Angebot könnte bei vielen in ihrer eigentlich an stabile Verhältnisse gewohnten Partei gut ankommen. Und noch ein Vorteil der Konstellation wird am Dienstag sichtbar: Anstatt sich selbst loben zu müssen und eitel zu wirken, können Laschet und Spahn die Vorzüge des jeweils anderen herausstellen.

So betont Spahn, dass Laschet es geschafft habe, die CDU in NRW wieder an die Regierung zu führen. .

Mit welchem Image versuchen die anderen Kandidaten zu punkten?

Angesichts so viel Harmonie bei der Konkurrenz wirkt Merz am Dienstag wie ein verbissener Einzelkämpfer. Diesen Eindruck versucht er auch gar nicht zu zerstreuen. Merz sagt, er habe auch mit Laschet über eine Teamlösung gesprochen. „Nur: Ein Team muss geführt werden und ein Team braucht einen Team-Führer.“ Und weil er und Laschet für unterschiedliche Richtungen stünden, müsse das die Partei entscheiden

Mit der Frage, für welche Posten er im Fall einer Niederlage zur Verfügung stünde, will sich Merz nicht lange aufhalten: „Ich spiele auf Sieg, nicht auf Platz“, sagt er. Merz will sich als Macher präsentieren, als einer, der Führungsqualitäten hat. So verkündet er im Bezug auf das politische Chaos in Thüringen, dass ein Parteivorsitzender die Autorität brauche, um solche Situationen zu verhindern. Merz will auch gleich vormachen, wie er sich Führung vorstellt: Er fährt am Mittwoch ins thüringische Apolda. Dort will er seinen Parteifreunden bei einer Aschermittwochsveranstaltung sagen: „Ihr habt einen riesen Fehler gemacht, dafür werdet ihr den Kopf hinhalten müssen.“ Er sei für schnelle Neuwahlen.

Verkündete seine Kandidatur vergangene Woche als Erster: Norbert Röttgen
Verkündete seine Kandidatur vergangene Woche als Erster: Norbert Röttgen
© dpa/Kay Nietfeld

Außenpolitiker Röttgen begründete seine Kandidatur bereits vergangene Woche unter anderem mit dem Unvermögen der deutschen Politik, auf die schwierige Weltlage zu reagieren. Auch er platzt am Dienstag wieder mit einer Nachricht ins Geschehen. „Die zweite Person in meinem Team wird eine Frau sein“, lässt der Ex-Umweltminister per Twitter wissen.

Offenbar will auch Röttgen jetzt Teamplayer sein – und gleichzeitig auf eine Schwäche des Duos Spahn und Laschet zielen. Die sind beide Männer aus NRW – besonders vielfältig ist ihr Team also nicht. Wobei: Spahn verweist am Ende der gemeinsamen Pressekonferenz darauf, dass er und Laschet diverser seien, als es auf den ersten Blick scheine. Ein humoriger Hinweis darauf, dass er mit einem Mann verheiratet ist.

Wo liegen die inhaltlichen Unterschiede?

Merz versucht die Wahl des Parteivorsitzenden zur Richtungsentscheidung zu stilisieren. Er will die CDU konservativer ausrichten. Es gehe zwar nicht um eine „Rechtsverschiebung“, aber darum das Fundament wieder breiter zu machen und stärker Konservative und Liberale zu berücksichtigen. Spahn und Laschet wollen den Wettbewerb um die Wähler besonders in der Mitte führen und ihre Kandidatur als Angebot an alle Lager in der Partei verstanden wissen: „Wir müssen unsere Partei und unser Land wieder zusammenführen“, sagt Laschet

Unterschiedliche Positionen gibt es auch bei Integration und Migration. Mit einem konsequenten Eintreten gegen illegale Migration, will Merz frühere CDU- Wähler von der AfD zurückgewinnen. Laschet dagegen steht für eine liberalere Linie: Deutschland müsse ein „liberales, weltoffenes Land“ bleiben, zugleich aber „null Toleranz“ gegenüber Straftätern walten lassen. Er hält auch nichts von einem Bruch mit der Ära Merkel. Sein Sparrings-Partner Spahn ist ein Kritiker der Migrationspolitik von Angela Merkel.

Für starke Irritation sorgt am Dienstag eine Aussage von Merz zum Rechtsradikalismus. Er betont zwar, dass in Deutschland das Problem des Rechtsradikalismus lange unterschätzt wurde. Spricht dann aber direkt über rechtsfreie Räume und Grenzkontrollen. Am Ende fragt ein Journalist nochmal nach: „Schließe ich aus Ihren bisherigen Aussagen richtig, dass Ihr Weg, den Rechtsradikalismus zu bekämpfen, die Thematisierung von rechtsfreien Räumen und Clankriminalität ist?“ Daraufhin gibt Merz kurz zurück: „Die Antwort ist: Ja.“ Seinen Kritikern liefert Merz damit ein weiteres Argumente für den Vorwurf, dass er das Rechtsradikalismus-Problem in Deutschland ausgerechnet mit einem Rechtsschwenk in der CDU beantworten will..

Wie sticheln die drei gegeneinander?

Merz bemüht sich am Dienstag, Laschet als Mann von gestern darzustellen. „Ohne Armin Laschet zu nahe treten zu wollen: Wir haben die Alternative zwischen Kontinuität und Aufbruch. Ich stehe für den Aufbruch“, behauptet Merz. Laschet wiederum atmet vielsagend aus, als er nach der Teamfähigkeit von Friedrich Merz gefragt wird. Dann sagt er, das wolle er jetzt nicht bewerten.

Friedrich Merz hat vor Journalisten seine Kandidatur für den Parteivorsitz erklärt.
Friedrich Merz hat vor Journalisten seine Kandidatur für den Parteivorsitz erklärt.
© imago images/Jürgen Heinrich

Subtil setzt Laschet auch eine Spitze gegen seinen Konkurrenten Röttgen. Das große Thema, sagt Laschet, müsse der innere Zusammenhalt der Gesellschaft sein. Das könne man aber nur mit „konkreten Regierungsansätzen“ weiterkommen und nicht mit „theoretischen Betrachtungen über die Weltlage“ – offenbar ein Seitenhieb auf Röttgen, der versucht, sich über seine außenpolitische Expertise zu profilieren.

Wie gut sind die Chancen der Kandidaten?

Klar ist: Laschet und Spahn haben eine gute Ausgangsposition. Mit Spahn im Schlepptau kann Laschet auch die Jüngeren ansprechen. Sicher ist es trotzdem nicht, wer am Ende das Rennen machen wird. Merz ist an der Basis der Partei noch immer sehr beliebt – und viel unterwegs. In den vergangenen Wochen besuchte er zahlreiche Neujahrsempfänge. Auf den der Veranstaltungen wird er oft wie ein Heilsbringer empfangen – so manches CDU-Mitglied sieht in ihm offenbar eine Verkörperung der guten alten Zeit. Auch Kai Wegner, der Berliner CDU- Landesvorsitzende, verweist auf die große Zustimmung für Merz an der Basis. Merz bringe das mit, „was unser Land und die CDU jetzt brauchen: Eine klare Haltung und eine klare Sprache, die Orientierung geben kann.“ Merz selbst behauptet sogar, dass seine Chancen jetzt noch besser stünden als 2018, als er das Rennen um den Parteivorsitz knapp gegen Kramp-Karrenbauer verlor. Viele Delegierten-Stimmen, die Merz damals aus NRW bekam, könnten nun aber an Laschet gehen

Für Röttgen bleibt eine Außenseiterposition. Viele in der Partei erinnern sich noch gut an einen verpatzten Wahlkampf 2012 in NRW, wo er beim Kampf um das Ministerpräsidentenamt krachend scheiterte. Angela Merkel entließ ihn dann auch als Umweltminister. Spannend dürfte noch werden, wen Röttgen als „zweite Person“ in seinem Team präsentiert. Mitarbeit: Ronja Ringelstein

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