Haushaltsentwurf: Merkels Wünsche werden Scholz stärker machen
Olaf Scholz bringt genügend Geduld und strategisches Verständnis mit, um die Legislatur prägen zu können. Ein Kommentar.
Der Haushaltsentwurf ist das Schicksalsbuch der Nation. Und gilt in diesen Zeiten weit über die Nation hinaus. Denn Finanzpolitik ist Querschnittspolitik, bedeutet (fast) alles für die Bereiche Sicherheit, Entwicklung im Inneren wie im Äußeren. Sie ist – ja, doch – Heimatpolitik. Nur mal so als Anhalt: Das hat nicht zuletzt der heutige Ministerpräsident des Freistaats Bayern in seiner vorherigen Rolle als Finanzminister verstanden, Markus Söder. Wo andere schön reden, kann der Finanzminister geben.
Vor dem Hintergrund muss man die Ressortwahl der SPD verstehen. Olaf Scholz ist, wie früher einmal ein sozialdemokratischer Vorsitzender nicht ohne Anerkennung sagte, langsam wachsendes Holz. Auch das wird größer und härter.
Nicht auf den ersten Blick erschließt sich, welche Strategie Scholz verfolgt. Dazu ist er persönlich auch viel zu verschlossen, selbst wenn er sich jetzt zu lächeln häufiger bemüht. Zumal er eben als Merkel-Vize, als Vizekanzler, anders als seine Vorgänger eine völlig neue Rolle miteinnimmt. Die Kanzlerin muss zu ihm kommen, um ihre Vorstellungen finanziert zu bekommen.
So nimmt nicht wunder, dass Scholz im Stillen mit Merkel am Thema Europa werkelt. Integration – die europäische wie die von Flüchtlingen – kostet viel Geld. Und das, was Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron im Finanz- und Wirtschaftsbereich von Deutschland will, noch mehr. Kurz: Da kommt noch was. Scholz und Merkel haben verstanden, sie sind allerdings beide, sagen wir, begabt im Schweigen.
Seine Planung hat Reserven
Überhaupt, was Schwerpunkte angeht, führt an Scholz ja auch kein Weg vorbei. Ursula von der Leyen, die Verteidigungsministerin, in den eigenen Reihen schwer in Bedrängnis, soll nicht glauben, dass sie Angela Merkel im Kampf gegen den Vize an ihrer Seite hätte. Dafür waren die Finanzzusagen der Kanzlerin auf der jüngsten Bundeswehrtagung hinreichend unkonkret. Und wie sagte Scholz an Leyens Adresse: „Ein verteidigungspolitisches Konzept wird nicht schon dadurch gut, dass es teuer ist.“ Das wäre ihr unter seinem Vorgänger, unter dem CDU-Präsiden Wolfgang Schäuble, nicht passiert.
Sagen wir es so: Ein Volkstribun ist dieser Finanzminister nicht, dafür ein sehr bewusster und selbstbewusster Vizekanzler. Mit einer Agenda: Seine Planung sieht eine Reserve vor für alles das, was noch kommt und er finanzieren muss. Oder will, im nächsten Bundestagswahljahr zum Beispiel. Für seine SPD. Das wird sich mit der Zeit deutlicher zeigen – vor allem der Union bei einem genaueren Blick ins Schicksalsbuch der Nation.
Insofern gibt es eine Arbeitsteilung an der SPD-Spitze. Andrea Nahles leitet stets kampfbereit die Abteilung Attacke, Olaf Scholz ist der Stratege dahinter. Manchmal wirkt es, als habe Nahles das gewollt, als sei es der Plan von Anfang an gewesen – manchmal nicht. Aber das wird sich noch klären in den nächsten Monaten oder Jahren. Wobei Scholz, so viel steht heute fest, besser und länger warten kann. Die Nerven dafür hat er. Und die Zeit spielt für ihn.
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