Nach US-Ausstieg aus Atomabkommen: Merkel zweifelt an Europas Stärke
Die Bundeskanzlerin warnt vor überzogenen Erwartungen an Europa. Angela Merkel sieht das Atomabkommen mit dem Iran als gefährdet an und ist enttäuscht von Trump.
Im Streit mit den USA über das Iran-Atomabkommen warnt die Bundesregierung vor überzogenen Erwartungen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Freitag auf dem Katholikentag in Münster: „Wir dürfen uns auch nicht stärker machen, als wir sind.“
Europa könne nicht allein als Friedensmacht auftreten. Es müsse sich auch zeigen, inwieweit das Atomabkommen überhaupt aufrecht erhalten werden könne, wenn die „riesige Wirtschaftsmacht“ USA nicht mehr mitmache.
Zugleich machte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) deutlich, dass die Regierung die deutsche Wirtschaft nicht vor US-Sanktionen gegen Teheran bewahren kann. „Wir haben juristisch keine Möglichkeit, deutsche Unternehmer gegen Entscheidungen der amerikanischen Regierung zu schützen oder sie davon auszunehmen“, sagte Altmaier im Deutschlandradio. Die Regierung bemühe sich aber um „Schadenbegrenzung“ für betroffene Firmen.
Außenminister Maas: Wo nötig für eigene Position streiten
Außenminister Heiko Maas (SPD) kündigte harte Gespräche an. „Wir sind bereit zu reden, zu verhandeln, aber wo nötig auch für unsere Position zu streiten“, sagte er dem „Spiegel“. Altmaier warnte aber vor einem „falschen Zungenschlag“, wenn „einige“ ein Bündnis Europas mit den Atomvertragsparteien Russland und China gegen die USA forderten.
Auch Merkel betonte, das transatlantische Verhältnis stehe nicht in Frage. Sie zeigte Verständnis für US-Vorwürfe gegen Irans Einmischung in Kriege wie im Jemen.
Gleichwohl kritisierte Merkel US-Präsident Donald Trump hart. Dessen Vorgehen bedeute eine „wirkliche Krise“ für den Multilateralismus. „Wenn wir immer sagen: Wenn es uns mal nicht passt und wir international keine Ordnung hinbekommen, dann macht halt jeder worauf er Lust hat – dann ist das eine schlechte Nachricht für die Welt“, sagte sie.
Drastische Folgen für die Wirtschaft
Unterdessen zeigen sich erste Folgen von Trumps Beschluss. Der Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus verzichtet möglicherweise auf ein milliardenschweres Geschäft mit Iran. „Airbus wird seine Entscheidung in den nächsten Tagen bekanntgeben“, kündigte ein Berater von Irans Verkehrsminister Asghar Fachrieh-Kaschan an.
Das habe der Flugzeugbauer auf die Bitte um Klarheit zugesagt. Airbus bestätigte das zunächst nicht. Die Staatslinie Iran Air wollte 200 Flugzeuge mit Listenpreis von 32,2 Milliarden Euro ordern. Die Hälfte des Volumens sollte auf Airbus entfallen, 80 Flugzeuge wollte der US-Rivale Boeing liefern.
Es sei aber schwierig geworden, finanzierende Banken zu finden, hieß es in der Branche. Die US-Sanktionen gegen Iran bedrohen indirekt alle Firmen und Banken mit Strafen, die an Geschäften mit Iran mitwirken.
Die deutsch-iranische Handelskammer geht deshalb davon aus, dass internationale Konzerne wie Airbus und Siemens sich tatsächlich von Projekten zurückziehen. „Zugleich sehen wir weiter Chancen für viele kleine Mittelständler, sofern die europäischen Länder weiter an dem Abkommen mit dem Iran festhalten“, sagte Geschäftsführer Michael Tockuss. Die Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) erklärte, ihre Mitglieder seien wenig betroffen.