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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Generaldebatte zum Bundeshaushalt 2020 im Bundestag.
© Kay Nietfeld/dpa

Generaldebatte im Überblick: Merkel zieht für sich eine rosige Halbzeitbilanz

Generaldebatte im Bundestag: Die Kanzlerin wirbt um eine Fortsetzung der Koalition – die Opposition fordert „Spielabbruch“. So lief der Tag im Parlament.

Angela Merkel kann sich einen Abschlussappell auf die Kollegen der SPD nicht verkneifen. An ihr soll es jedenfalls nicht liegen. „Wir haben viel zu tun“, sagt die Kanzlerin. Grinsend, die Arme ausgebreitet steht sie im roten Blazer am Rednerpult des Bundestages und umgarnt die Genossen.

Sie finde, dass man angesichts der Herausforderungen die ganze Legislaturperiode beisammen bleiben solle. „Das ist meine persönliche Meinung. Ich bin dabei." Doch ob die SPD als Partner bis 2021 dabeibleibt, das ist die Frage.

Die Generaldebatte am Mittwoch könnte die letzte von Merkel als Kanzlerin gewesen sein. Traditionell ist es der Höhepunkt der Haushaltswoche im Bundestag. Der Rekordetat 2020 mit Ausgaben von 362 Milliarden Euro wird bis Freitag beschlossen, weshalb zum Beispiel anschließend auch eine mögliche CDU/CSU-Minderheitsregierung erst einmal weiterregieren könnte.

Bevor Merkel eintrifft, sitzt Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz als Erster um 8.50 Uhr einsam auf der Regierungsbank und blättert in Akten. Es tritt hinzu: Martin Schulz – bis vor Kurzem Scholz in Abneigung verbunden. Dass er nicht als Außenminister auf der Regierungsbank sitzt und als SPD-Chef gescheitert ist, dafür sah sein Lager bei Scholz eine Mitschuld.

Nun aber will Schulz helfen, Scholz zu retten. Er sieht die SPD dem Abgrund entgegentaumeln, wenn Scholz und Klara Geywitz im Mitgliedervotum über den Vorsitz gegen die Groko-Kritiker Norbert Walter Borjans und Saskia Esken nicht gewinnen – aus seiner Sicht würden Neuwahlen die AfD noch stärker machen.

"Wohnungen statt Waffen"

So ist für Merkel der kommende 30. November mit der Verkündung des SPD-Ergebnisses die nächste Unwägbarkeit in ihrer an Unwägbarkeiten nicht geringen letzten Amtszeit. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagt in der Debatte zu Merkel, ihr Bündnis sei mal als große Koalition gestartet „und als faktische Minderheitsregierung gelandet“. Die zweite Halbzeit dürfe gar nicht mehr angepfiffen werden. „Spielabbruch und neue Mannschaften wären das Beste.“

Und Bartsch hat auch schon einen Wahlkampfslogan.  „Deutschland braucht Wohnungen statt Waffen“, kontert er Merkels Versprechen, die Verteidigungsausgaben von 1,42 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, (2020) wie von den Nato-Partnern um US-Präsident Donald Trump gewünscht, bis etwa 2030 auf rund zwei Prozent zu steigern.

Merkels Ziel ist Europa

Merkel hat noch mindestens ein großes Ziel: die EU-Ratspräsidentschaft ab Mitte 2020. Sie will mit der neuen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einiges anschieben, vor allem liegt ihr eine gemeinsame China-Politik am Herzen, geplant ist dafür der erste EU-China Gipfel.

Der aktuelle Streit um eine Beteiligung des chinesischen Huawei-Konzerns an den neuen 5G-Datennetzen der Zukunft zeigt, dass es dringend eine gemeinsame Linie braucht. Merkel erinnert an den bewegenden Auftritt des früheren Postministers Christian Schwarz-Schilling beim CDU-Parteitag, wo dieser europäische Lösungen angemahnt hat, um nicht vom Konkurrenten China zerrieben zu werden. Merkel betont, es könne nicht jeder EU-Staat seine eigene China-Politik machen. „Das wäre für Europa verheerend.“

Sie redet die erste Hälfte ihrer Rede nur über Außenpolitik, Aufhänger ist der Nato-Gipfel  am 3. und 4. Dezember. Aber mit keinem Wort geht Merkel auf die offenen und sogar im Beisein des türkischen Außenministers verkündeten Differenzen von Außenminister Heiko Maas (SPD) mit Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) über eine Schutzzone für Nordsyrien ein. Bloß keine Unruhe.

Merkel bleibt sich treu, nennt Herausforderungen und Chancen, stellt sich aber nicht der Kritik, warum Deutschland bei der Digitalisierung den Anschluss so verloren hat, dass man den Aufbau zum 5G-Netz vielleicht an Konzerne wie Huawei delegieren muss.

Merkel zeichnet, als sie doch noch zur Innenpolitik kommt, eine rosige Halbzeitbilanz: robuster Binnenkonsum, Abbau des Solidaritätszuschlages, mehr Kindergeld, Rentenplus, Mütterrente, Grundrente, das aus ihrer Sicht ambitionierte Klimapaket. Und trotzdem stehe wieder die schwarze Null, der ausgeglichene Haushalt.

„Es gibt Menschen die sprechen in diesem Hause abfällig darüber“, kritisiert sie. „Man kann doch Investitionen nicht erst gut finden, wenn sie Schulden machen.“ Was wolle man dann in Zeiten machen, wo die Zinsen wieder höher sind, fragt die Kanzlerin. Das wirkt auf einige im Saal schräg – denn gerade die niedrigen Zinsen laden förmlich dazu ein, jetzt mal richtig zu investieren.

Immer wieder werden ihr die Funklöcher vorgehalten oder die Tausenden eingesparten Bahnkilometer, die ländliche Räume abgehängt haben. Fast emotional wird sie, als es um das Thema Meinungsfreiheit geht: Dazu gehöre auch der Widerspruch. Eine Grenze sei aber erreicht, wenn gehetzt oder die Würde anderer Bürger verletzt werde.

Die AfD geizt nicht mit Zwischenrufen

Dagegen müsse man sich stellen. „Und das werden wir auch hinbekommen." Nachdenklich fragt sie angesichts des Anschlags von Halle und der Ermordung von Walter Lübcke: „Was ist mit unserer Gesellschaft los?“

Die AfD geizt nicht mit Zwischenrufen. Fraktionschef Alexander Gauland braucht in seiner Rede keine 30 Sekunden, um auf die „massenhafte Aufnahme von Migranten" zu sprechen zu kommen. Das zweite Mal verwendet er das Wort, als es um das „massenhafte Schreddern von Vögeln“ durch Windräder geht.

Debatten würden unter Merkel nicht geführt oder erstickt. Warum gebe es einen Atomausstieg, wo doch der Atomstrom besonders klimafreundlich sei. Sein Fazit: „Die Merkel-Jahre werden als eine bleierne Zeit in Erinnerung bleiben.“

FDP-Chef Christian Lindner kontert Merkels Versprechen einer großen Wohnungsbauoffensive mit dem Verweis auf den starken Rückgang bei den Baugenehmigungen. Und er inszeniert sich als Anwalt der auf die Barrikaden gehenden Bauern, von denen Merkel mehr Flexibilität einfordert.

Einen Verzicht auf die verschärfte Düngeverordnung lehnt sie mit Blick auf die Nitratwerte im Grundwasser strikt ab. Lindner meint, die Bauern hätten wie so viele das Gefühl, dass über ihre Köpfe hinweg Entscheidungen getroffen würden, dass „Stimmungen entscheiden und nicht Fakten.“ Scholz und Merkel stecken derweil immer wieder die Köpfe zusammen. Beide müssen beim SPD-Votum fürchten,  dass dabei tatsächlich mehr Stimmungen entscheiden als die Fakten, etwa des Erreichten in der Regierung.

Georg Ismar

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