Olaf Scholz verteidigt seinen Haushalt 2020: „Es ist eben manchmal alles ganz anders“
Intellektuelle Faulheit? Alles nur wegen des SPD-Führungsstreits? Die Vorwürfe aus der Opposition redet der Bundesfinanzminister im Bundestag weg.
Den harten Tobak liefert Anja Hajduk. Die stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag beendet ihre Rede in der Debatte um den Bundeshaushalt 2020 an diesem Dienstag mit einem herben Vorwurf, auch an die Adresse des Bundesfinanzministers: In der Koalition herrsche, was das Geldausgeben angeht, „intellektuelle Faulheit“.
Die Grünen fühlen sich hier als Teil eines neuen Mainstreams. Es sollen mehr neue Schulden gemacht werden, für mehr oder weniger große Investitionsprogramme, in deren Überschriften immer die Klimapolitik eine Rolle spielt. Hundert Milliarden Euro soll der Fonds der Grünen umfassen, gespeist aus neuen Krediten, ohne die Schuldenbremse im Grundgesetz aufzugeben.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie und der Deutsche Gewerkschaftsbund haben gar eine 450-Milliarden-Anstrengung gefordert, auf zehn Jahre hinaus, aus Schulden finanziert, in einen Nebenhaushalt ausgelagert, also an der Schuldenbremse vorbei, die solche Summen nicht zulässt. Aber an der großen Koalition perlen diese Forderungen nach einem massiven „Geld-in-die-Hand-Nehmen“ bisher ab.
Auch in dieser anschließenden Etatdebatte. Auch an Olaf Scholz. Den Druck von allen Seiten, mehr zu tun, wehrt der Finanzminister ab. „Es ist eben manchmal alles ganz anders“, sagt er mit Blick auf all die Forderungen, Vorwürfe, Erklärungen der Oppositionsredner, die vor ihm ans Pult getreten waren. Nicht zuletzt gegen Otto Fricke ist der Satz gerichtet, der sozusagen zwei Welten aufmacht: Denn der FDP-Haushaltspolitiker hat dazwischengefragt und erklärt, nicht 2020, also in dem vorliegenden neuen Etat werde der Solidaritätszuschlag für die meisten Zahler abgeschafft, sondern erst 2021. Scholz kontert, er habe über die gesamte Legislaturperiode geredet, als er die Entlastungen für die Bürger aufgezählt habe.
"An Nikolaus ist Groko-Aus"
Der leicht gereizte Ton in der Replik auf Fricke hat vielleicht mit dessen Rechnung zu tun, die er eine Viertelstunde zuvor vorgetragen hat: Demnach sind 82 Prozent der in den Etatverhandlungen im Bundestag noch draufgeschlagenen 4,5 Milliarden Euro an SPD-Ressorts gegangen. Nur 18 Prozent an Unions-Ministerien. Frickes Erklärung: Alles sei auf den kommenden Freitag hin ausgerichtet gewesen, also den Tag, an dem die Stichwahl über die SPD-Führung endet. Es gehe nur darum, eine Partei zu erhalten, giftet Fricke, damit die große Koalition weiterwursteln könne. Damit es nicht heiße: „An Nikolaus ist Groko-Aus.“
Scholz lässt sich nicht provozieren, von Hajduk nicht, von Fricke nicht, von Gesine Loetzsch von den Linken oder Peter Boehringer von der AfD schon gar nicht. Und er macht auch nicht den nervösen Eindruck, der sich ja einschleichen könnte bei einem, der hier vielleicht seine letzte Haushaltsrede als Finanzminister und Vizekanzler hält. Gegen alle Forderungen, die „Groko“ möge doch das kreditfinanzierte Investieren forcieren, hält Scholz nüchtern dagegen, dass der Etat 2020 ein „sehr expansiver Haushalt“ sei mit 43 Milliarden Euro, die investiert würden. Und es sei auch ein „sozial ausgewogener Haushalt“.
In der Reihe
Und damit gehöre er in die Reihe der Etats der vergangenen Jahre. Die waren geprägt vom Einhalten der schwarzen Null. Grüne und Linke, vereint mit Industrie- und Gewerkschaftsspitzen, halten sie für Vergangenheitspolitik. Niedrige Zinsen seien eine gute Gelegenheit, sie zu beenden., so deren Sicht. Scholz teilt sie nicht. Der Bund habe die Niedrigzinsphase genutzt, um das Geld, das bei den Zinsausgaben gespart worden sei, so einzusetzen, dass trotz des Verzichts auf neue Schulden der wachsende Spielraum für mehr Investitionen genutzt worden sei. Bei 44 Milliarden Euro hätten die Zinslasten des Bundes einmal gelegen, jetzt nähere man sich der Summe von zehn Milliarden.
Der Finanzminister deklamiert das „Weiter so“, das die Opposition der Groko anlastet. Scholz steht für die große Linie der schwarz-roten Haushaltspolitik, versinnbildlicht in der schwarzen Null, auch wenn in seinem Ressort durchaus schon über schuldenfinanzierte Mehrausgaben nachgedacht wird. Immerhin macht die Schuldenbremse es möglich, dass 2020 etwa zwölf Milliarden Euro an neuen Schulden aufgenommen werden könnten. Bleibt es bei einer schwachen Konjunktur, könnten es in den Jahren danach auch etwas mehr werden.
Aber Scholz deutet nichts an. Er schließt damit, so gesehen, aber auch nichts aus. 2020 ist die große Linie nochmals angesagt. Für die Zeit danach hat er immerhin die „nächste Aufgabe“ parat, mit Bundesmitteln zur Entlastung besonders verschuldeter Kommunen beizutragen. Zusammen mit der Ankündigung, das Kindergeldsystem zu reformieren, sind das schon zwei SPD-Zukunftsvorhaben für den Etat 2021. Mit Scholz als Finanzminister – oder ohne ihn.
Albert Funk
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