Hofreiter in der Haushaltsdebatte: „Regierung ist bei der Menschheitsaufgabe Klimaschutz gescheitert“
Grünen-Fraktionschef Hofreiter fordert mehr Investitionen. Zuvor bekannte die Kanzlerin, dass Deutschland führend in der Klimapolitik sein müsse.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter hat in der Generaldebatte im Bundestag die Forderung seiner Partei nach einer Lockerung der Schuldenbremse erneuert. „Wir brauchen mehr Investitionen.“ Eine solche Ausgabenpolitik müsse langfristig angelegt sein. „Die große Bedrohung ist nicht mehr der Schuldenstand, sondern das Fehlen von Investitionen.“ [Verfolgen Sie hier die Generaldebatte im Bundestag im Livestream.]
Das gelte besonders in der Klimapolitik, ergänzte der Grünen-Fraktionschef. „In der nächsten Dekade entscheidet sich, ob wir den Kampf gegen die Klimakrise noch gewinnen können.“
Da müsse die großen Koalition wegkommen von der Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners wegkommen. Damit sei „Regierung bei der Menschheitsaufgabe Klimaschutz“ gescheitert.
Zuvor hatte Kanzlerin Angela Merkel die Erfolge ihrer Politik hervorgehoben – von der Grundrente bis zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Besonders konzentrierte sie sich auf das Klimapaket der Bundesregierung. Die Vereinbarung zum Kohleausstieg lobte sie: „Das schafft Berechenbarkeit.“
Zudem verwies sie darauf, dass Deutschland ein Prozent der Weltbevölkerung stelle, aber für zwei Prozent der Klimaemissionen verantwortlich sei. Auf der anderen Seite sei Deutschland führend bei Technologieentwicklungen. Deshalb: „Wer wenn nicht wir soll denn zeigen, dass es geht?“
Merkel spricht sich gegen neue Schulden aus
Merkel sprach sich auch gegen neue Schulden im Bundeshaushalt aus. Sie könne nicht verstehen, weshalb über einen ausgeglichenen Haushalt so „abfällig“ gesprochen werde. Wenn man in Zeiten niedriger Zinsen Schulden machen wolle, was solle dann in Zeiten höherer Zinsen geschehen? „Man kann doch Investitionen nicht erst gut finden, wenn sie Schulden verursachen.“ Hier gebe es durchaus unterschiedliche Einschätzungen in der großen Koalition von Union und SPD.
Zum Abschluss der Rede machte sie deutlich, dass sie nicht regierungsmüde sei. Es gebe die Erfolge der großen Koalition – „aber vieles muss noch weitergemacht werden“, sagte Merkel, auch an die SPD gerichtet, in der es Stimmen für ein Ende der Koalition gibt. Merkel ergänzte: „Deshalb finde ich, wir sollten die Legislaturperiode lang weiterarbeiten. Meine persönliche Meinung. Ich bin dabei.“
Bilanz der Außenpolitik
Zu Beginn ihrer Rede hatte die Kanzlerin eine Bilanz ihrer Außenpolitik gezogen – besonders in Bezug auf die Nato – von der Erweiterung des Bündnisses nach dem kalten Krieg bis zu den aktuellen Kriegen in Syrien und der Ukraine.
Gelungen sei der Nato die Bündnisverteidigung besonders für die mit der Osterweiterung hinzugekommenen Länder, erläuterte die Kanzlerin. In dem Zusammenhang sprach sie von der „Bedrohung, die aus Russland kommt“. Zudem sei den USA im Bündnisfall nach 9/11 in Afghanistan geholfen worden.
Auf der anderen Seite fehlten politische Lösungen in Syrien und Libyen, sagte Merkel. Das andere Problem: „Die Türkei hat sich entfremdet.“ Dennoch sei Deutschland auf das transatlantische Bündnis angewiesen „und wir werden auch eine führendere Rolle übernehmen“. Die Türkei müsse Teil der Nato bleiben.
Im Streit über den Netzwerkausrüster Huawei forderte sie eine einheitliche China-Politik der Europäischen Union. Andernfalls drohe Europa, geopolitisch zwischen dem Reich der Mitte und den USA zerrieben zu werden. Verfolgten die EU-Staaten jeweils eine eigene China-Politik, wäre dies lediglich zum Schaden Europas. „Das wäre nicht für China verheerend, aber das wäre für uns in Europa verheerend.“
Bartsch: „Die Politik der Regierung ist grottenschlecht“
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch griff die Regierung direkt an. Er verwies auf CDU-Politiker Friedrich Merz („Ein Blackrock-Manager aus dem Sauerland“), der das Erscheinungsbild der Regierung grottenschlecht genannt hatte. „Nicht das Erscheinungsbild ist grottenschlecht, die Politik der Regierung ist grottenschlecht“. Ein Ende der großen Koalition sei das Beste.
Als ein Beispiel nannte Bartsch die von der großen Koalition beschlossene Grundrente. Die dabei festgelegte Bedarfsprüfung sei viel zu streng, dadurch würden zwei Millionen bedürftige Rentner von der Grundrente ausgeschlossen. „Sie kleben auf eine klaffende Wunde ein viel zu kleines Pflaster.“ Zudem kritisierte Bartsch das Klimapaket der Bundesregierung, das er ein „Päckchen“ nannte. „Es ist ökologisch wirkungslos, ökonomisch fragwürdig und sozial ungerecht.“ Die Kanzlerin „erkennt das Problem, ist aber nicht in der Lage, es zu lösen.“
Gauland: „Ein Blackout ist weit wahrscheinlicher als die Klimakatastrophe“
AfD-Chef Alexander Gauland hatte die Klimapolitik der großen Koalition scharf angegriffen. Die Regierung setze damit „die Stromversorgung aufs Spiel“. Die deutsche Energiewende sei gescheitert, behauptete er.
Zudem stellte er die Klimakatastrophe infrage. Die Debatte sei „ersatzreligiös aufgeladen“, behauptete er. „Ein Blackout ist weit wahrscheinlicher als die Klimakatastrophe.“ Windkraftanlagen gefährdeten die Gesundheit der Bevölkerung, der „ökopopulistische Atomausstieg“ habe sich als Irrweg erwiesen.
„Selbst wenn unser Land morgen zu existieren aufhörte, wären die Auswirkungen auf die Welttemperatur praktisch nicht nachweisbar“, sagte Gauland. „Und dafür setzen Sie alles aufs Spiel, dafür machen Sie eine Energiewende und dafür ruinieren Sie unsere Autoindustrie und die Maschinenbauindustrie.“
Lindner: „Bundesregierung geht schlafwandlerisch auf einen Wirtschaftsabsturz zu“
FDP-Chef Christian Lindner wies in seiner Rede auf das schwache Wachstum der Wirtschaft in Deutschland hin. „Es gibt keinerlei Wachstumsdynamik mehr bei uns.“ Die große Koalition tue viel zu wenig dagegen: „Diese Bundesregierung geht schlafwandlerisch auf einen Wirtschaftsabsturz zu“, sagte er.
Die Groko sollte unbedingt bis 2021 weiterarbeiten, damit dieser Dauerwahlkampf endlich ein Ende hat und ich mir diese Sprechblasen der Opposition nicht länger anhören muss.
schreibt NutzerIn PTT
Mützenich: „Wir brauchen einen starken Staat“
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hob vor allem die Investitionen hervor, die die Bundesregierung tätigen wolle. „Wir brauchen einen starken Staat.“ Das gelte auch für den Klimaschutz. Es sei gut, dass die Regierung einen Einstieg in ein „ambitioniertes Klimaprogramm“ schaffe.
„Wir setzen auf eine klimaneutrale Produktion, auf eine klimaneutrale Mobilität“, ergänzte Mützenich. Diese müsse sozialverträglich umgesetzt werden, dafür setzten sich die Sozialdemokraten in der Regierung ein.
Die Haushaltsdebatte ist der Höhepunkt im Parlamentsjahr. Der Bundestag hatte den Haushalt im Plenum bereits im September beraten, im Haushaltsausschuss wurden die Ausgabenpläne noch verändert. Insgesamt sieht der Haushaltsentwurf für 2020 nun Ausgaben in Höhe von 362 Milliarden Euro vor. 2019 sind es 356,4 Milliarden Euro.
Kurz vor der Debatte attackierte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter die große Koalition. Beim Klimaschutz sei der Haushalt eine „Mogelpackung“, sagte er.
Nicht nur die Gesamtausgaben seien viel zu gering. „Rund die Hälfte der Gelder, die als neue Investitionen verkauft werden, sind längst geplante Ausgaben, die Olaf Scholz mit neuem Etikett versieht.“ Für den Neubau von Straßen planten SPD und Union jährlich mehr Geld ein, als sie für „neue Investitionen in die Menschheitsaufgabe Klimaschutz“ ausgeben wollten. (mit dpa und Reuters)