Debatte im Bundestag: Merkel schließt Bundeswehreinsatz in Syrien nicht aus
Wenn Chemiewaffen eingesetzt werden, kann Deutschland nicht wegsehen, sagt die Kanzlerin. SPD-Chefin Nahles verteidigt das Nein ihrer Partei.
In die kontroverse Debatte um einen möglichen Einsatz der Bundeswehr im Syrienkrieg kommt Bewegung. Und offenkundig geht in dieser Frage ein Riss durch die große Koalition.
Kanzlerin Angela Merkel schließt eine Beteiligung der Bundeswehr nicht aus. Ziel der Bundesregierung sei immer, eine politische Lösung herbeizuführen, sagte die CDU-Vorsitzende am Mittwoch im Bundestag. Es gehe aber nicht, wegzusehen, wenn etwa Chemiewaffen eingesetzt würden. „Von vornherein einfach ,nein’ zu sagen, egal was auf der Welt passiert, das kann nicht die deutsche Haltung sein.“ Merkel rügte damit in deutlichen Worten die Position des Koalitionspartners SPD.
Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles bekräftigte ihr Nein zu einer Beteiligung Deutschlands im Fall eines Vergeltungsschlags nach einem Giftgaseinsatz in Syrien. „Das Völkerrecht kennt aus gutem Grund kein Recht auf militärische Vergeltung und schon gar nicht durch einen Staat oder durch eine irgendwie zusammengestellte Koalition.“ Nur die UN könnten die internationale Gemeinschaft ermächtigen, auch militärisch zu handeln. „Solange dies nicht geschieht, können wir Sozialdemokraten keinem gewaltsamen Eingriff in Syrien zustimmen.“
Diplomatie und Abschreckung
Ebenso wie Merkel verwies Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf Deutschlands Verantwortung. Wenn Syriens Präsident Chemiewaffen gegen sein Volk einsetze, dann könne und dürfe die Weltgemeinschaft dies „nicht mit einem Achselzucken quittieren“. Die internationale Gemeinschaft, Deutschland eingeschlossen, müsse alles tun, damit Giftgas nicht eingesetzt werde. Neben Diplomatie sei auch „glaubhafte Abschreckung“ notwendig. Bei diesem Thema könne Deutschland „nicht heute bereits schon so tun, als ginge es uns nichts an“. Sollte sich konkret die Frage stellen, „entscheiden wir, was wir als Bundesregierung gemeinsam mit dem Parlament tun können“. Grundlage seien dabei das Völkerrecht, das Grundgesetz und das Parlamentsbeteiligungsgesetz.
Die „Bild“-Zeitung hatte berichtet, im Verteidigungsministerium seien kürzlich weitergehende Militäroptionen für Syrien diskutiert worden. Voraussetzung für eine deutsche Beteiligung an Militäreinsätzen gegen Syriens Herrscher Assad wäre demnach, dass syrische Regierungstruppen erneut Giftgas gegen die einheimische Bevölkerung einsetzen. Unklar ist allerdings, ob eine Bundeswehr-Beteiligung rechtlich möglich wäre. Nach einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags würde sie gegen das Grundgesetz und gegen das Völkerrecht verstoßen.
Angriffe auf Idlib
Seit Tagen wird mit einer Großoffensive der syrischen Truppen auf die Provinz Idlib gerechnet. Die Region im Norden des Landes ist die letzte verbliebene Rebellenbastion. Dort leben drei Millionen Zivilisten. UN-Generalsekretär Antonio Guterres warnte: Ein Angriff würde einen „humanitären Albtraum“ zur Folge haben. Schon seit Tagen bombardieren die russische Luftwaffe und die syrische Artillerie Stellungen der Aufständischen. Guterres rief die Türkei, Russland und den Iran auf, die Suche nach einem Weg zum Schutz der Zivilbevölkerung fortzusetzen. Ein Gipfel der drei Staaten in Teheran hatte am Freitag allerdings keine Annäherung gebracht. Während die Türkei eine humanitäre Katastrophe und einen Ansturm von Flüchtlingen fürchtet, dringen Assads Verbündete in Moskau und Teheran darauf, den „Terrorismus“ in der Provinz zu beseitigen. In der Tat ist Idlib auch ein Rückzugsgebiet für militante Islamisten. Idlib wird vor allem vom Al Qaida nahestehenden Dschihadistenbündnis Hajat Tahrir al Scham kontrolliert. Beobachter rechnen damit, dass die „Gotteskrieger“ im Kampf gegen Assads Einheiten keinerlei Rücksicht auf Zivilisten nehmen. Idlibs Einwohner stünden somit zwischen den Fronten.
Militäreinsätze des syrischen Regimes haben allein in den vergangenen sechs Monaten den Vereinten Nationen zufolge bereits mehr als eine Million Menschen zu Flüchtlingen gemacht. Unter anderem wegen der Kämpfe in Aleppo oder in OstGhouta bei Damaskus hätten viele Familien fliehen müssen. (mit dpa/rtr)