Krieg in Syrien: Was für einen Bundeswehr-Einsatz in Syrien spricht
Ein Militäreinsatz in Syrien ist eine schwerwiegende Entscheidung. Es gibt keinen Automatismus - aber gute Gründe dafür. Ein Kommentar.
Die Bundesregierung kann nicht fliehen aus ihrer Verantwortung. Sie muss sich entscheiden, wenn es um Deutschlands Kerninteressen geht. Zu denen gehören die Bewahrung zivilisatorischer Mindeststandards wie die Ächtung des Einsatzes von Massenvernichtungswaffen und der Aufbau einer europäischen Außen- und Sicherheitspolitik.
In Syrien fällt jetzt beides zusammen. Das Assad-Regime bereitet mit Unterstützung der russischen Luftwaffe den Sturm auf Idlib vor, die letzte Bastion der Aufständischen. Die Befürchtung, dass dabei Giftgas eingesetzt wird, stützt sich auf Erfahrung. Assad hat zuvor andere Städte der Opposition mit Chemiewaffen terrorisiert.
Was spricht für, was gegen eine deutsche Beteiligung?
Die USA, Frankreich und Großbritannien haben zwei Mal mit Luftangriffen auf syrische Munitionsdepots und Militärflughäfen reagiert – nicht, um die Machtverhältnisse am Boden entscheidend zu ändern, sondern um das klare Signal zu setzen: Der Einsatz geächteter Waffen wird nicht geduldet und hat Konsequenzen. Das drohen sie auch jetzt an. Und sie haben offenbar die Bundesregierung gefragt, ob sie sich anschließt.
Ein Militäreinsatz ist eine schwerwiegende Entscheidung. Es kann keinen Automatismus geben, dass die Bundeswehr mitmachen muss, selbst wenn enge Verbündete intervenieren und gute Gründe haben. Ebenso wenig darf es freilich einen Automatismus geben, Nein zu sagen, wie die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles es tut – oder eine deutsche Sonderrolle zu reklamieren: Wir machen allenfalls die Aufklärungsfotos, bomben müssen andere.
Was also spricht für, was gegen eine deutsche Beteiligung an einer begrenzten Militäraktion zur Durchsetzung des Giftgasverbots? Zwei Gründe ragen heraus: die Verteidigung eines Minimums an Humanität in einer Welt, in der internationale Regeln oft gebrochen werden. Und das Bemühen um eine gemeinsame europäische Position.
Mindestregeln, was erlaubt ist, kann der Westen verteidigen
Der westliche Einfluss reicht nicht aus, um Kriege generell zu verhindern. Aber Mindestregeln, was in Kriegen erlaubt und was tabu ist, kann und muss der Westen verteidigen. Es war ein Fehler Barack Obamas, Giftgaseinsatz zur „roten Linie“ zu erklären, aber nichts zu tun, als Assad die übertrat.
In Sowjetzeiten war Verlass darauf, dass Moskau Chemiewaffengebrauch durch Verbündete nicht duldet. Unter Putin ist das anders. Umso mehr muss der Westen tun, um dem Verbot Geltung zu verschaffen.
In diesen Umbruchzeiten, in denen die liberale Weltordnung bröckelt, ruht eine der wenigen Hoffnungen darauf, dass die Europäische Union handlungsfähiger wird. Doch wie soll sie es werden, wenn Deutschland bereits in einer so eindeutigen, werteorientierten Frage wie der Durchsetzung des Giftgasverbots zögert, gemeinsam mit Frankreich zu handeln?
Ein UN-Mandat wird es nicht geben
Die Einwände sind vielfältig. Wo ist das UN-Mandat, und ginge es ohne? Riskiert Deutschland eine Konfrontation mit Russland oder eine langwierige Verwicklung in den Syrienkrieg? Was ist das Ziel?
Ein UN-Mandat wird es nicht geben, weil Russland den Sicherheitsrat blockiert. Auch ein Beschluss der Nato ist unwahrscheinlich, weil Nato-Mitglied Türkei eigene Interessen in Syrien verfolgt. Die Vereinten Nationen haben aus den Erfahrungen des Mordens in Ruanda und auf dem Balkan eine „Responsibility to Protect“ entwickelt, ein Recht zur Intervention, wenn Diktaturen Massenmord an ihren Bürgern begehen. Es zielt auf den Schutz der Zivilbevölkerung, nicht auf „Regime Change“.
Eine offene Konfrontation wollen Russland und der Westen vermeiden. Die Vorkehrungen haben bisher funktioniert. Russland wird vorab über die Angriffsziele informiert, damit kein russischer Soldat in Gefahr gerät. Das mindert zwar die Effizienz der Intervention, weil Moskau die Information an die Syrer weitergibt. Die Klugheit gebietet es dennoch.
Deutschland muss sich entscheiden. Ist es bereit, den Kern der Werteordnung auch militärisch zu verteidigen? Und wie weit reicht das Bekenntnis zur gemeinsamen europäischen Politik?