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Angela Merkel erklärt die Corona-Welt - hier für RTL
© Sandra Steins/Bundesregierung/via REUTERS

Recht haben allein reicht nicht: Merkel muss aufhören, jeden Vorwurf zurückzuweisen

Angela Merkel verteidigt ihre Corona-Politik. Sie hat in vielem recht. Allerdings wäre jetzt ausnahmsweise die Methode Joschka Fischer klüger. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Robert Birnbaum

Wenn Angela Merkel ständig im Fernsehen auftaucht, dann weiß man gleich: Etwas läuft schief. Bundespressekonferenz, „Farbe bekennen“, jetzt RTL – der Bürger bekommt gerade Kanzlerin satt.

Die Botschaft ist immer gleich: Haltet durch, es dauert noch etwas. Wenn wir Pech haben, machen die mutierten Viren alles noch einmal viel schlimmer. Erst wenn mehr oder weniger alle geimpft sind, wird es besser. Und: Wir haben im Grunde keine Fehler gemacht.

Das sind keine erfreulichen Botschaften. Leider sind sie in der Sache alle richtig.

Nur die letzte hat das Zeug, sich zum Problem auszuwachsen. Wenn ganz offensichtlich Dinge nicht optimal gelaufen sind, dann hat es wenig Sinn, auf dem Gegenteil zu beharren.

Nun muss man Merkel zugutehalten, dass ziemlich vieles von dem, was als Fehler lauthals gebrandmarkt wird, in Wahrheit gar keine sind. Ja, es stimmt, dass die EU langsam war beim Einkauf und keine Euro-Bazooka rausgewuchtet hat, um zu holen, was zu kriegen war. Es bleibt trotzdem ein Märchen, dass mehr Geld mehr Impfstoff-Fabriken hätte aus dem Boden schießen lassen.

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Auch die Ländervergleiche hinken erbärmlich. Die USA haben ihre Pharmaindustrie unter Kriegsrecht gestellt, Großbritannien impft nach dem Motto „Augen zu und durch“.

Israel ist ein Zwergstaat mit neun Millionen Einwohnern und einem geradezu militärisch organisierten Gesundheitswesen. Es schert sich nicht um Datenschutz und ist das perfekte Labor zum Studium von Herdenimmunität inklusive der neuen Lücken, die neue Virus-Varianten in die Abwehrfront reißen. Da wird man leicht zum Vorzugskunden.

Merkel könnte den Nebel mal aufreißen

Im Nachhinein sind diese Zusammenhänge allerdings nur schwer zu vermitteln. Niemand will Selbstverteidigungsreden hören. Der Politik – Bund, Länder, Kommunen, egal wer was genau verbockt hat – ist nicht nur die Pandemie im Spätsommer entglitten. Damals ging auch die Diskurshoheit flöten. Seither versucht die amtliche Kommunikation das Hoffen und das Bangen irgendwie zusammenzubringen. Das klappt nur nicht.

Auch Merkel beschwört mal das Licht am Ende, dann wieder den Tunnel. Wer ihr genau zuhört, kann erkennen, dass der wegen der Corona-Mutanten akut einsturzgefährdet ist. Aber so deutlich, dass jeder die Dramatik sieht, wird sie nicht.

Dabei hätte Merkel die Chance, den Nebel aufzureißen und die wabernde Debatte wieder auf den Kern zu fokussieren. Sie müsste allerdings darauf verzichten, jeden Vorwurf bis ins Detail zurückzuweisen und zugleich im Großen und Ganzen keine Fehler zu sehen. Ständig recht zu haben führt irgendwann in die Sackgasse der fruchtlosen Rechthaberei. Beim Impfstart ist mindestens die Kommunikation schiefgelaufen – zu viel Erwartung, zu wenig Stoff.

Klüger wäre jetzt mal ausnahmsweise die Methode Joschka Fischer. Als der straßenkampferprobte Grüne als Außenminister vor dem Visa-Ausschuss saß, übernahm er kurzerhand die Generalverantwortung: „Schreiben Sie rein: Fischer ist schuld.“ Alle regten sich kurz auf. Danach war das Thema durch.

Nicht Merkels Stil, klar. Aber was ist für eine hoch geachtete Politikerin am Ende ihrer Laufbahn denn so schwer an einer Satzfolge, die ungefähr lauten könnte: „Uns sind Fehler unterlaufen, auch mir. Manche waren vermeidbar, manche vermutlich nicht, keiner war bisher zum Glück katastrophal. Wir versuchen unser Bestes und hoffen täglich, dass es reicht.“ Und damit zurück zur Hauptfrage: Wie kommen wir da alle halbwegs heile weiter durch?

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