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Kann den Konflikt nicht entschärfen: Bundeskanzlerin Angela Merkel.
© Michael Kappeler/dpa

Streit in der Union: Merkel kann die Krise nicht entschärfen

Die Kanzlerin untersagte Seehofer indirekt einen Alleingang, dieser stellt ein Ultimatum. Die Zuspitzung des Machtkampfs in der Union in einer Tageszusammenfassung.

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Der Machtkampf um die Asylpolitik zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer geht in unverminderter Härte weiter. Am Montag untersagte die Regierungschefin dem Innenminister indirekt, in einem nationalen Alleingang und ohne ihre Zustimmung Flüchtlinge an der deutschen Grenze abweisen zu lassen, die bereits in anderen EU-Ländern registriert sind. Merkel erklärte diesen Schritt zu einem Teil ihrer Richtlinienkompetenz als Kanzlerin. Ein Zuwiderhandeln hätte zweifellos eine Entlassung Seehofers aus der Regierung zur Folge.

Die seit Tagen schwelende deutsche Regierungkrise ruft derweil auch den amerikanischen Präsidenten auf den Plan. Die Deutschen wendeten sich gegen ihre bereits „schwache“ Regierung, erklärte Donald Trump per Twitter. Es sei in ganz Europa ein Fehler gewesen, Millionen Menschen aufzunehmen, die die dortige Kultur stark verändert hätten.

Die Führungsgremien von CDU und CSU trafen sich am Montag in Berlin und München zu getrennten Beratungen. Darin vertagten sie die finale Klärung ihres Asylstreits um zwei Wochen, in denen Merkel mit anderen europäischen Ländern über bilaterale Verträge zur Rücknahme von Flüchtlingen, die dort bereits registriert wurden, verhandeln will. Die CDU-Führungsgremien wollen nach dem EU-Gipfel Ende Juni über die Verhandlungsergebnisse am 1. Juli beraten.

Zurückweisungen ab der 1. Juliwoche

Die CSU erteilte wie angekündigt ihrem Parteivorsitzenden Seehofer das Mandat, die in anderen EU-Staaten registrierten Flüchtlinge zurückzuweisen. Zwar verzichtete die CSU auf eine sofortige Umsetzung, setzte jedoch einen Automatismus in Gang. „Die Zurückweisung erfolgt spätestens ab der ersten Juli-Woche, sofern auf dem kommenden EU- Gipfel keine wirkungsadäquaten Ergebnisse erreicht werden“, heißt es im Beschluss des CSU-Vorstands. Die Vorbereitungen dafür sollen direkt beginnen, sagte Seehofer. Zugleich betonte der CSU-Vorsitzende, im Streit der Unionsparteien gehe es „nicht um 14 Tage, es geht um einen grundlegenden Dissens“. In den Auseinandersetzungen seien CDU und CSU „noch längst nicht überm Berg“.

Unabhängig von der Behandlung dieser Flüchtlinge kündigte Seehofer an, schon jetzt jene Flüchtlinge abweisen zu lassen, bei denen bereits ein Wiedereinreiseverbot vorliegt. Es sei „skandalös“, dass dies nicht schon vor Jahren geändert worden sei. Für diesen Schritt erhielt Seehofer die Rückendeckung der CDU-Führung und der Kanzlerin.

Die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende betonte, dass es „keinen Automatismus“ geben könne. Sie wolle mit den EU-Partnern in den kommenden zwei Wochen über bilaterale Verträge zur Rücknahme von Flüchtlingen sprechen. Die CDU lehne grundsätzlich jede „unilaterale, unabgesprochene Maßnahme zulasten Dritter ab“.

Vor einem Treffen mit dem italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte im Kanzleramt erklärte Merkel am Abend mit Blick auf eine mögliche Verstärkung der bilateralen Zusammenarbeit beider Länder in der Flüchtlingspolitik: „Wir wollen den Wunsch Italiens nach Solidarität unterstützen und hoffen, dass auch Deutschland auf Verständnis trifft, wenn es um Solidarität in Europa in den Fragen der Migration geht.“ Conte mahnte indes „europäische Lösungen“ an und warnte davor, dass bilaterale Vereinbarungen „zum Ende von Schengen“ führen könnten. Das Schengen-Abkommen sieht im Prinzip einen kontrollfreien Grenzverkehr zwischen den beteiligten Staaten vor, zu denen auch Deutschland und Italien gehören.

SPD fordert Einberufung des Koalitionsausschusses

Die SPD forderte indes von der Union die Einberufung des Koalitionsausschusses noch vor dem EU-Gipfel in knapp zwei Wochen. Selbst nach einer Einigung der beiden Unionsparteien gebe es „keinen Automatismus für die Zustimmung der SPD“, sagte Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles: „Wir wollen in der Koalition gemeinsam beraten und Beschlüsse fassen.“ Die SPD-Chefin schlug ein 2016 eingeführtes beschleunigtes Asylverfahren auch für Dublin-Fälle vor, also jene in anderen EU-Ländern registrierte Flüchtlinge. Deren Asylersuchen könnten binnen einer Woche geklärt werden, um sie dann in jene EU-Länder zurückzuschicken, in denen sie zuerst registriert worden seien.

Die Einmischung des US-Präsidenten in die deutsche Innenpolitik – zumal in einem krisenhaften Augenblick der Regierung – wurde in Deutschland nicht allein auf dessen offene Ablehnung einer liberalen Einwanderungspolitik und der Haltung der Kanzlerin zurückgeführt. Trump steht derzeit selbst unter Druck. Seine verschärfte Einwanderungspolitik, aufgrund derer Kinder an den US-Grenzen von ihren Eltern getrennt werden, wird zunehmend kritisiert. Am Sonntag hatten Hunderte Menschen an der Grenze zu Mexiko demonstriert. Und in einer seltenen Einlassung zu politischen Themen meldete sich auch Trumps Ehefrau Melania zu Wort. „Frau Trump hasst es zu sehen, wie Kinder von ihren Eltern getrennt werden“, sagte ihre Sprecherin Stephania Grisham dem Sender CNN.

Der transatlantische Koordinator der Bundesregierung, Peter Beyer, sagte: „Es ist nicht hilfreich, wenn sich der Regierungschef unseres wichtigsten Verbündeten in unsere innenpolitischen Angelegenheiten einmischt. Wir machen das umgekehrt auch nicht", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete am Rande der Kalifornien-Reise von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Los Angeles. Trump habe vielleicht nicht mitbekommen, dass sich CDU und CSU bereits in den Koalitionsverhandlungen auf eine gemeinsame Einwanderungspolitik geeinigt hätten. „Dass es jetzt Diskussionen bei der Umsetzung in Detailfragen gibt, ist nicht ungewöhnlich“, sagte Beyer.

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