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Zwischen Xi Jinping, Putin und bin Salman: Kanzlerin Angela Merkel beim G20-Gipfel
© Brendan Smialowski / AFP

G20-Treffen in Osaka: Merkel gegen die Männerbünde

Über Klimaschutz, Migration oder Freihandel wird in Japan nur am Rande gesprochen – es droht ein G20-Gipfel ohne gemeinsames Abschlusskommuniqué.

Donald Trump scherzt mit ihm. Wladimir Putin begrüßt ihn lachend wie einen alten Kumpel. Und beim Familienfoto des G20-Gipfels im japanischen Osaka darf der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman in der Mitte stehen. Zwischen US-Präsident Trump und Gastgeber Shinzo Abe.

Saudi-Arabien ist kommendes Jahr der Gastgeber des Gipfels. Zur Erinnerung: Bin Salman ist laut einem UN-Bericht verantwortlich für die Ermordung und Zerstückelung des Journalisten Jamal Khashoggi. Und in dem Land werden reihenweise Todesstrafen vollstreckt. Es ist ein „Familienbild“, das vieles sagt.

Die G20 befinden sich in der tiefsten Krise, seit sie sich 1999 gegründet haben und 2008 im Zuge der Finanzkrise die Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs begründet wurden. Für bessere globale Finanzregeln um solche Kernschmelzen zu vermeiden, wurde einiges erreicht. Nun könnte man sich womöglich kommendes Jahr auf globale Mindestbesteuerungsregeln einigen. Aber alles ist unsicherer geworden.

Denn dem Multilateralismus und vertrauensvoller Politik gehen die Unterstützer von der Stange. Das manifestiert sich in den Szenen in Osaka. Trump macht Milliardengeschäfte mit Rüstungsexporten an das Königreich, zudem bremst Saudi-Arabien mit bei Klimaschutzvereinbarungen. Der Westen zerfällt derweil zwischen den USA und der EU in zwei Lager. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) steht auf dem Foto ganz rechts, fast abseits. Und sie weiß: es wird geschaut, ob sie wieder zittert. Das hat ihr noch gefehlt, eine Debatte um ihre Gesundheit – sie lässt übermitteln: Alles gut.

Den Stresstest nach dem jüngsten Zwischenfall bei der Vereidigung der neuen Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) besteht sie in Osaka. Wer wie sie in diesen bewegten Zeiten nun schon fast 14 Jahre Kanzlerin ist, muss über eine robuste Gesundheit verfügen. Sie hat beim G20-Gipfel ein wahres bilaterales Speed-Dating, unter anderem mit Trump, Putin, Indiens Premier Narendra Modi, Chinas Staatschef Xi Jinping und Kanadas Premier Justin Trudeau. Am Rande spricht sich auch erstmals mit Brasiliens rechtem Präsidenten Jair Bolsonaro, unter dem die Abholzung des Regenwaldes voranschreitet.

Donald Trump schüttelt die Hand des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, dem der Mord an dem Journalisten Khashoggi zur Last gelegt wird.
Donald Trump schüttelt die Hand des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, dem der Mord an dem Journalisten Khashoggi zur Last gelegt wird.
© Brendan Smialowski / AFP

Dieses Mal ist sie pünktlich zum Start eingetroffen – neben der „Theodor Heuss“ war als Absicherung auch noch der zweite verfügbare Langstreckenairbus der Flugbereitschaft nach Japan geschickt worden: die „Konrad Adenauer“. Mit der hatte Merkel Ende November 2018 auf dem Weg zum Gipfel in Buenos Aires eine schwere Panne und musste per Linie anreisen. Die Klimabilanz der Reise ist nicht die Beste, so wie auch generell das Klimathema in Osaka zur Sollbruchstelle wird.

Es droht erstmals ein G20-Gipfel ohne Abschlusskommuniqué

Neben den USA werden Saudi-Arabien und Brasilien zu unsicheren Kantonisten – es gibt das Ziel, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen, aber keineswegs ausreichende Maßnahmen, es zu erreichen. Wozu braucht es so teure G20-Gipfel, inklusive zahlreicher abgeriegelter, menschenleerer Straßen in Osaka, wenn es kaum noch Konsens und viel Konflikt gibt – die japanischen Gastgeber sind bemüht, die Konflikte mit windelweichen Formulierungen zu übertünchen. Aber erstmals droht ganz konkret ein Scheitern, ein G20-Gipfel ohne Abschlusskommuniqué. Die Sherpas müssen durchverhandeln, damit es bis zum Gipfelende am Samstag vielleicht doch noch etwas Greifbares gibt.

Merkels schräges Auftakttreffen mit Trump

In Osaka hat Merkel zum Start ein schräges Auftaktreffen. US-Präsident Donald Trump überschüttet sie mit Lob, Merkel schaut ziemlich ernst drein. Sie kennt das schon. Zuckerbrot und Peitsche, außerhalb der persönlichen Gespräche wütet er gerne gegen die deutschen Handelsüberschüsse und die zu vielen deutschen Autos, die durch New York fahren. „Sie ist eine fantastische Person, eine fantastische Frau“, sagt Trump zu seiner Sitznachbarin Merkel, im Hintergrund die amerikanische und die deutsche Fahne. Sie sei wirklich eine „großartige Freundin.“

An anderen Tagen geißelt er ihre Flüchtlingspolitik als verrückt – er will die Migrationskrise an der Grenze zu Mexiko ja am liebsten einfach mit einer Mauer lösen. Gelöst ist weiterhin nichts. Auf der deutschen Seite gibt es durchaus die Sorge, dass Trump sich bei einer Einigung im Handelskonflikt mit Chinas Staatschef Xi Jinping – sie treffen sich Samstag zu einem Lösungsversuch in Osaka - wieder dem Zollstreit mit der EU zuwenden könnte, der nur vorübergehend ruht.

Merkel versucht ihn mit den Milliardeninvestitionen deutscher Unternehmen in den USA in dem kargen Raum L-6 zu besänftigen. Doch ihn kümmert bei dem Treffen im Beisein der deutschen und amerikanischen Journalisten mehr die Innenpolitik – das kann man als Affront verstehen. So geht er für das Heimpublikum lieber auf die TV-Debatte der demokratischen Präsidentschaftsbewerber ein.

Trump redet lieber über „Sleepy Joe“ und die Debatte der Demokraten

„Ich weiß nicht, ob Sie es gesehen haben. Es war nicht sehr aufregend, kann ich Ihnen sagen“, sagt Trump, der sich gute Chancen ausrechnet, 2020 wiedergewählt zu werden. Merkel sitzt mit unbewegter Miene daneben. Später twittert er, das sei wohl kein guter Tag gewesen für „Sleepy Joe“ (Biden) und „Crazy Bernie“ (Sanders), das scheint ihn irgendwie mehr zu interessieren.

Und er untergräbt das G20-Format, nicht nur durch Blockaden gegen ein Bekenntnis zu freiem und fairen Handel und für mehr Klimaschutz. Er verlagert das meiste in bilaterale Treffen aus, die er als Trump-Show inszeniert – und schwächt damit die gemeinsamen Runden. Von den fünf Arbeitssitzungen in Osaka wird er am Ende mindestens zwei verpassen. Und dann ist da auch noch Wladimir Putin, der Trump auch zu einer längeren Unterredung trifft, sie kommen persönlich klar – und vereinbaren, sich für mehr Waffenkontrolle einzusetzen. Aber da bleibt zum Beispiel neben dem Dauerthema einer möglichen russischen Einmischung in den US-Wahlkampf zugunsten Trumps das ungelöste Problem mit dem aufgekündigten INF-Atomabrüstungsvertrag.

Putin kritisiert Merkel und lobt Trump

Der russische Präsident erklärte in einem Interview mit der Financial Times passend zum Gipfel: Merkels Entscheidung, dass im Jahr 2015 Hunderttausende Flüchtlinge in Deutschland Zuflucht suchen konnten, sei ein „Kardinalfehler“. Trump lobt er dagegen. Er könne zwar schlecht beurteilen, ob es richtig sei, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu bauen. Schlecht sei aber, wenn angesichts von Massenmigration niemand etwas unternehme. Putin meint zudem, die liberale Idee habe sich überlebt. Trump wisse sehr gut, „was seine Wähler von ihm erwarten“. Er habe seine eigene Vision der Welt.

Dass es sich dabei um eine anti-liberale Vision handelt, bereitet gerade den meisten EU-Staaten größte Sorgen – auch die Eskalation mit dem Iran spielt auf den Fluren im Messezentrum in Osaka eine Rolle – blitzschnell tragen die Gastgeber immer Fahnen hin und her, damit alle Räume für die vielen Treffen korrekt ausstaffiert sind.

Doch vieles bleibt schöner Schein. Die G20-Länder stehen für zwei Drittel der Weltbevölkerung, 80 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts, aber auch 80 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen – wenn sie es nicht mehr schaffen, sich zu gemeinsamen, multilateralen  Lösungen aufzuraffen, sind das schlechte Nachrichten für die Zukunft dieser Welt.

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