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Moscheen – hier der Halbmond auf dem Minarett der Abubakr-Moschee in Frankfurt – ins nichtmuslimische Umfeld zu öffnen, ist eine der Forderungen auf der Islamkonferenz.
© Boris Roessler/picture alliance-dpa

Deutsche Islamkonferenz: Mehr Autonomie, weniger Ditib

Auf der Islamkonferenz kündigt Horst Seehofer mehr Hilfe für muslimische Gemeinden an. Hauptziel ist der in Skandale verwickelte türkische Verband.

Die Deutsche Islamkonferenz soll in den nächsten vier Jahren helfen, die muslimischen Gemeinden vor Ort zu stärken und ihre Öffnung in die Gesellschaft zu fördern. In seiner Eröffnungsrede vor der vierten Folge dieser Konferenz seit ihrer Einberufung im Jahr 2006 sagte Bundesinnen- und Heimatminister Horst Seehofer (CSU): „Ich weiß, dass Sie in Ihren Moscheen auch Heimat bieten.“ Nun gelte es, die Gemeinden in deren Nachbarschaft hinein zu öffnen und „über die Moschee hinaus aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen“. Seehofer verwies auf den aktuellen Bundeshaushalt, der diesmal ein Förderprogramm unter dem Titel „Moscheen für Integration. Öffnen, vernetzen, kooperieren“ enthalte. Das Geld, das hier fließe, gebe es zusätzlich zu bereits bestehenden Programmen, betonte Seehofer. Es solle „auch kleine und junge Gemeinden erreichen“, auch die, die keinem Dachverband angehörten. Die Gemeinden sollten insbesondere in die Lage versetzt werden, „ihre Finanzen in die eigene Hand zu nehmen und die Ausbildung von Imamen an ihre Bedürfnisse anzupassen“. Man wolle „die Kooperation von Staat und islamischen Gemeinden vertiefen und dabei Ausbildung und Einsatz von religiösem Personal in den Mittelpunkt stellen“. Der Staat habe ein großes Interesse daran, die Muslime blieben aber „selbstverständlich frei in der Gestaltung“. „Wir sind nicht Vormund“, sagte Seehofer. „Wir verstehen uns als Brückenbauer.“

Imam-Ausbildung - für den Staat ein heißes Eisen

Aktueller Hintergrund dieses Versuchs, die größere Selbstständigkeit muslimischen Gemeindelebens zu fördern, sind die seit Monaten schwelenden Konflikte um den türkisch-islamischen Verband Ditib. Ditib bezieht sein Gemeindepersonal aus der Türkei, die Imame bleiben türkische Staatsbeamte. Auch die Satzung von Ditib garantiert der Religionsbehörde Diyanet in Ankara ein gewichtiges Wort bei Personalentscheidungen und einen Einfluss auf die Moscheegemeinden. Für viele türkische Religionsbeamte ist eine Station als Imam oder Verwaltungsangestellter in einer deutschen Moschee ein wichtiger Karriereschritt. Schlagzeilen machten in der Vergangenheit die Spitzeltätigkeit von Ditib-Imamen gegen tatsächliche oder angebliche Anhänger der in der Türkei verfolgten Gülen-Gemeinschaft und verschiedene Übergriffe in Moscheegemeinden – so im September der Rauswurf einer langjährigen Aktiven aus der Sehitlik-Moschee in Berlin-Neukölln. Mehrere Funktionäre, die sich für Offenheit eingesetzt hatten, wurden kaltgestellt oder entlassen. Im letzten Jahr trat der Ditib-Jugendverband geschlossen aus der Organisation aus, am vergangenen Wochenende der Ditib-Landesvorstand in Niedersachsen. In beiden Fällen ging es um Druck und Kontrolle durch türkische Behörden oder die Botschaft. Abdurrahman Atasoy, der junge Vize-Generalsekretär, den Ditib aufs Podium der DIK geschickt hatte, verteidigte seinen Verband mit mehrfach wiederholten Formeln: Man arbeite an der Struktur und sei im übrigen schon seit 1984 eine deutsche Religionsgemeinschaft.

Allerdings scheint auch das Ministerium noch nicht sicher zu sein, wie eine andere Besetzung der Imam-Stellen praktisch zu bewerkstelligen ist. Religiöses Personal kann der deutsche Staat nicht finanzieren. Staatssekretär Markus Kerber, der schon die erste Islamkonferenz 2006 im Auftrag des damaligen Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble (CDU) organisiert hatte, sprach vor der Konferenz davon, man könne die üblichen sozialen und nicht seelsorgerisch-theologischen Aufgaben der Gemeinden finanzieren, die dann Mittel fürs theologische Personal übrig hätten. Von muslimischer Seite war am Rande der Konferenz aber auch zu hören, dass islamische Theologinnen und Theologen – die seit einigen Jahren auch an vier Islamzentren an deutschen Universitäten studieren können – als Religionslehrerinnen und -lehrer staatlich besoldet werden und in Teilzeit als Seelsorger in den Gemeinden eingesetzt werden könnten. Seehofer äußerte sich nicht im Detail, aber mehrmals vorsichtig: Die jetzt von ihm neu aufgestellte vierte Islamkonferenz sei „auch ein Pilotprojekt, ein Experiment. Wir sind alle im Ministerium gespannt, ob dieses Experiment gelingt.“

Konferenz soll "breiter, vielfältiger, flexibler" werden

Was die Gedankenspiele zum Imam-Projekt angeht, ist ein Kenner wie der Religionssoziologe Rauf Ceylan skeptisch. Ceylan, Professor am Islam-Zentrum der Universität Osnabrück und derzeit in Zürich lehrend, hat Imame in Deutschland und das muslimische Gemeindeleben lange beforscht und sieht gleich mehrere Hindernisse: Nicht nur dürfe der Staat kein religiöses Personal bezahlen, die Moscheegemeinden wollten auch oft gar keine akademisch ausgebildeten Prediger, sondern vor allem Leute aus der eigenen Community, solche mit "Stallgeruch". Aber auch die jungen Absolventinnen der akademischen Theologie hätten wenig Lust auf Karrieren als Seelsorger und deren karges Gehalt. Sie wollten nach dem Studium auch entsprechend entlohnt werden. "Das ist eine große Baustelle." Dann fehlten Ausbildungsstätten vergleichbar den jüdiscihen oder christlichen Rabbiner- und Priesterseminaren. Auch an Teilzeitimame, die ansonsten Religionslehrer an öffentlichen Schulen seien, glaube er nicht, so Ceylan. "Da habe ich auch ein großes Fragezeichen."

Experimentieren wollen Kerber und sein Team auch in puncto Mitgliedschaft und Arbeitsweise der Konferenz. Zusätzlich zu den Dachverbänden, in denen sich die etwa 2000 deutschen Moscheegemeinden organisieren, haben sie Vertreter von muslimischen Wohlfahrtsorganisationen, aus der Jugendarbeit und Zivilgesellschaft eingeladen. Anders als noch in den ersten Islamkonferenzen die sogenannten muslimischen Einzelpersönlichkeiten, vertreten sie aber nicht nur sich selbst, sondern ihre Initiativen und Vereine. Der Bundesinnenminister sagte, man wolle „Pluralität abbilden“. Deswegen werde auch kein fester Personenkreis berufen. Man habe diesmal „bewusst auf feste Strukturen verzichtet“, das Prinzip der festen Mitgliedschaft hat sich „aus meiner Sicht überholt“. Die DIK werde nun als „Gesprächsprozess konzipiert“, sie werde „breiter, vielfältiger und in der Arbeitsweise flexibler“.

Seehofer bekannte sich zum Auftakt der Islamkonferenz erneut zu der zwölf Jahre alten Institution. Der Einzug der AfD in den Bundestag – die Seehofer nicht ausdrücklich nannte – habe eine „Polarisierung und, mit Verlaub, Spaltung der Gesellschaft“ gebracht, der er auch mit der DIK entgegenwirken wolle.

Und wieder geht es um Seehofers "Der Islam gehört nicht zu Deutschland"

In der Podiumsdiskussion mit Seehofer und muslimischen Gesprächspartnern wurden freilich alte Schlachtlinien der Konferenz deutlich. Der Osnabrücker Professor und Islamwissenschaftler Bülent Ucar erinnerte daran, dass die rechtliche Gleichstellung des Islams nach wie vor nicht erreicht sei, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, lieferte sich Wortgefechte mit der Berliner Anwältin Seyran Ates und der Gründerin des "Liberal-Islamischen Bundes", Lamya Kaddor, beide im Publikum, über wechselseitige Toleranz und die Frage, wie repräsentativ die Dachverbände für die deutschen Muslime seien. Und Seehofer hatte bereits seine Rede ausführlich genutzt, seinen Satz vom Islam zu verteidigen, der seiner Meinung nach nicht zu Deutschland gehöre. Das tat er dann auch auf dem Podium noch einige Male - nachdem ihm Bülent Ucar - "ich formuliere freundlich" - bescheinigt habe, es sei eben ein "politisches Statement", wenn Seehofer sich in dieser Weise von seinem Vorvorgänger Schäuble absetze. Schäuble, Erfinder der DIK, hatte bei deren Berufung 2006 erklärt, dass der Islam inzwischen Teil der deutschen Gesellschaft sei.

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