zum Hauptinhalt
Ministerpräsident Mariano Rajoy im spanischen Parlament.
© REUTERS
Update

Misstrauensvotum Spanien: Mariano Rajoy abgewählt - Sánchez neuer Regierungschef

Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy ist vom Parlament in Madrid abgewählt worden. Die Regierungsgeschäfte übernimmt nun Pedro Sánchez.

Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy ist am Freitag vom Parlament in Madrid abgewählt worden. Die Mehrheit der 350 Abgeordneten stimmte bei einem konstruktiven Misstrauensvotum für seine Ablösung. Nachfolger wird der Sozialistenchef Pedro Sánchez. Damit ist Sánchez der erste Regierungschef, der zuvor kein Abgeordneter war. Daher konnte er an der Abstimmung selbst nicht teilnehmen, saß ihr aber bei.

Die Vorsitzende des Abgeordnetenhauses muss nun das Resultat der Abstimmung dem spanischen König übermitteln, der dann Sánchez offiziell ernennt. Sánchez soll dann voraussichtlich am Samstag das Amt als Präsident offiziell antreten, wie die spanische Tageszeitung El País schreibt. 180 der 350 Abgeordneten stimmten am Mittag gegen Rajoy und unterstützten damit den Vorstoß von Sánchez.

Die PSOE wurde bei der Abstimmung vom linken Bündnis Unidos Podemos, das über 67 Sitze verfügt, und mehreren Regionalparteien - unter anderem auch aus der Krisenregion Katalonien - sowie von der baskischen PNV unterstützt. Ob und welche Gegenleistungen Sánchez den katalanischen Separatisten versprochen hat, um sich ihre Stimmen zu sichern, war unklar. Die renommierte Zeitung „El Mundo“ kommentierte, Sánchez habe weder ein Regierungsprogramm vorgelegt noch offengelegt, welche „Zugeständnisse“ er den Separatisten machen werde. Das Blatt sprach von einem „surrealen“ Szenario und einer „Reise ins Nirgendwo“.

Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte bereits vor dem Misstrauensvotum gegen ihn seine Niederlage eingeräumt. Alles deute darauf hin, dass die Sozialisten (PSOE) von Pedro Sánchez mit ihrem konstruktiven Misstrauensantrag durchkommen würden, sagte der 63-Jährige im Parlament. Es sei eine Ehre gewesen, Regierungschef von Spanien zu sein. „Ich danke allen Spaniern für ihre Unterstützung. Viel Glück“, fügte Rajoy hinzu. Er sei der erste, der Sánchez nach der Abstimmung gratulieren wolle.

Berlin dankt Rajoy

Die Bundesregierung hat dem abgesetzten Ministerpräsidenten Mariano Rajoy für die jahrelange Zusammenarbeit gedankt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe "sehr gerne und gut" mit dem konservativen Regierungschef in Madrid zusammengearbeitet, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Rajoy habe entscheidend dazu beigetragen, dass sich Spanien aus eigener Kraft aus der Wirtschaftskrise habe befreien können. Es gehe im Namen der Kanzlerin "ein Wort des Dankes" an den scheidenden Regierungschef.

Der neuen spanischen Regierung biete Berlin eine "enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit an", sagte Seibert. Es sei klar, dass "wir auf eine stabile Regierung in Madrid hoffen".

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gratulierte Sánchez. Er vertraue darauf, dass die neue Regierung weiter dazu beitragen werde, Europa stärker, einiger und fairer zu gestalten, schrieb Juncker einer Sprecherin der EU-Kommission zufolge in einem Brief an Sánchez. Die Brüsseler Behörde habe zudem zur Kenntnis genommen, dass der neue Premierminister bekannt gegeben habe, das spanische Budget nicht verändern zu wollen. „Das ist ein wichtiger Punkt“, sagte die Sprecherin.

Gerüchte um einen möglichen Rücktritt Rajoys vor dem Votum wies die Generalsekretärin seiner konservativen Volkspartei PP am frühen Donnerstagabend noch zurück. „Das wäre weder im allgemeinen Interesse Spaniens noch im Interesse der PP, die in diesem Fall Hand in Hand gehen“, sagte María Dolores de Cospedal. Allerdings steht die PP nun völlig allein da: Selbst ihre bisherigen Verbündeten, die liberalen Ciudadanos, hatten Rajoy zum Rücktritt und der Ausrufung von Neuwahlen aufgefordert.

Sozialisten stellten Misstrauensantrag

Die Sozialisten hatten den konstruktiven Misstrauensantrag als Reaktion auf die Gerichtsurteile in der Korruptionsaffäre um Rajoys PP eingebracht. Der nationale Strafgerichtshof hatte die Partei in der vergangenen Woche wegen Verwicklung in den Skandal zu einer Geldstrafe von 245 000 Euro verurteilt. Mehrere frühere Parteimitglieder erhielten teils langjährige Haftstrafen.

Es ist erst der vierte Misstrauensantrag in Spanien seit dem Ende der Franco-Diktatur im Jahr 1975. Die drei vorangegangenen Anträge waren gescheitert - so zuletzt im Juni 2017 Unidos Podemos mit einem Antrag gegen Rajoy. Der Chef der Linksallianz, Pablo Iglesias, hatte zuletzt angekündigt, selbst einen weiteren Misstrauensantrag gegen Rajoy einbringen zu wollen, wenn die Sozialisten scheitern sollten.

Sánchez wurde durch seinen Sieg automatisch Regierungschef. Er hat aber schon angekündigt, zu einem späteren Zeitpunkt eine Neuwahl ansetzen zu wollen. Damit könnte sich die Geschichte wiederholen: Sowohl die Parlamentswahl 2015 als auch eine Neuwahl 2016 hatten keine klaren Mehrheitsverhältnisse gebracht. Eine Regierungsbildung wurde erst nach langwierigen Verhandlungen möglich. (dpa, mha)

Der Tagesspiegel kooperiert mit dem Umfrageinstitut Civey. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.

Zur Startseite