Sachsens Verfassungsschützer: „Mangelnde Konsequenz gegenüber rechtsextremistischen Hooligans“
Die Kritik am Neonazi-Gedenken beim Chemnitzer FC reißt nicht ab. Rechte Hooligans hätten Einfluss auf Vereinsaktivitäten, sagt Verfassungsschützer Meyer-Plath.
Im Stadion des Chemnitzer FC hatte es am Samstag eine Schweigeminute und eine Trauerzeremonie für einen verstorbenen rechtsextremen Fußballfan gegeben. Gordian Meyer-Plath, Chef des sächsischen Verfassungsschutzes, über die Situation in Chemnitz ach der Trauerkundgebung und die rechten Szene in Sachsen.
Der Chemnitzer FC und Fans gedenken bei einem Fußballspiel des verstorbenen Neonazis Thomas Haller. Sind der Verein und seine Anhängerschaft rechtsextrem unterwandert?
Im Umfeld des CFC sind die rechtsextremistischen Hooligangruppierungen ,Kaotic Chemnitz‘ und ,NS-Boys‘ aktiv, die offenbar Einfluss auf Vereinsaktivitäten haben. Die jüngsten Ereignisse haben außerdem gezeigt, dass im Fan-Umfeld und im Verein zumindest eine mangelnde Sensibilität und Konsequenz gegenüber diesen rechtsextremistischen Hooligan-Gruppierungen festzustellen ist.
Die Polizei sagt, ihr war der Name Haller bekannt und sie habe beim Verein Bedenken gegen eine Trauerkundgebung geäußert. Wie sah der Verfassungsschutz den Mann?
Die verstorbene Person hatte innerhalb der rechtsextremistischen Hooliganszene auch über Sachsen hinaus auf Grund ihrer früheren Aktivitäten im Rahmen von HooNaRa einen ,Kultstatus‘.
Existiert die Gruppe HooNaRa (Hooligans-Nazis-Rassisten) noch?
Nein.
Am Sonnabend haben auch Fans von Energie Cottbus ein Gedenkbanner für Haller entrollt. Wie eng sind die rechten Fans von Chemnitz und Cottbus verbunden?
Es bestehen gute Verbindungen zwischen rechtsextremistischen Hooligans in beiden Städten.
Wie hat sich die das rechtsextreme Spektrum in Chemnitz nach den Ausschreitungen vom vergangenen Sommer entwickelt?
Die Ereignisse haben der Szene gezeigt, was unter günstigen Voraussetzungen für sie möglich ist. Seitdem wird versucht, die damals mobilisierten Personen durch andere Veranstaltungen dauerhaft für die Szene zu gewinnen. Seit den Ereignissen von Ende und Anfang September 2018 ist die Szene gestärkt und plant schon die nächsten Veranstaltungen wie den ,Tag der deutschen Zukunft‘ im Juni in Chemnitz.
In welchem Maße sind in Chemnitz und in Sachsen insgesamt Rechtsextremisten und Hooligans verwoben?
Aufgrund der Sozialen Medien ist es heute viel einfacher, die verschiedensten Bereiche der Gesellschaft miteinander zu vernetzen. Dies nutzen auch Rechtsextremisten, die unter Vortäuschung, normale Fußballfans zu sein, ohne Probleme Aufnahme in Fan-Chatgruppen und Fan-Verteiler finden. Dort werben Sie dann für ihre Positionen und versuchen, die anderen Fußballfans als Mobilisierungspotenzial zu gewinnen.
Die rechtsextremistische Hooliganszene ist untereinander vernetzt. Außerdem gibt es neue Bereiche in der rechtsextremistischen Szene, wie überregionale Netzwerke muslimen- und fremdenfeindlicher Rechtsextremisten, deren Akteure selbst teilweise der Hoolszene entstammen und Hooligans aktiv für ihre asylfeindlichen Veranstaltungen ansprechen. Dies geschah so im August/September 2018 in Chemnitz, aber auch bei anderen Gelegenheiten wie den „Merkel muss weg-Demonstrationen“ in Berlin. Erleichtert wird dies durch die generellen Politisierungsprozesse in der subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene seit 2015. Daher kam es auch aus dieser Szene heraus zu Radikalisierungsprozessen, in die auch Hooligans mit eingebunden waren.
Warum hat der Verfassungsschutz Ende 2018 die ,Bürgerbewegung Pro Chemnitz‘ als Beobachtungsobjekt eingestuft?
Es liegen bei Pro Chemnitz tatsächliche Anhaltspunkte für ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen vor, die wesentliche Schutzgüter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekämpfen. Hierzu zählen insbesondere die Garantie der Menschenwürde, das Recht auf körperliche Unversehrtheit, der Gleichheitsgrundsatz, die Gewaltenteilung und das Gewaltmonopol des Staates als unabdingbare Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben der Menschen. Angehörige von Pro Chemnitz haben seit dem Tötungsdelikt in Chemnitz Ende August erkennbar rechtsextremistische Inhalte verbreitet. Hierbei rechtfertigten sie rechtsextremistische Propaganda- und Gewaltdelikte und versuchen seitdem, diese als legitim darzustellen.
Die Hauptprotagonisten von Pro Chemnitz sind selbst tief in der rechtsextremistischen Szene verwurzelt und teilweise dort schon langjährig aktiv. Sie unterstützten dort unter anderem langjährige Holocaustleugner. Außerdem beteiligten sie sich an der Organisation einer der bundesweit bedeutsamsten rechtsextremistischen Kampfsportveranstaltungen im Jahre 2018, dem Turnier „Tiwaz“ im Juni in Grünhain-Beierfeld. Deutlich wird die Absicht der Verantwortlichen von Pro Chemnitz unter dem Deckmantel der Kritik an der Asylpolitik rechtsextremistisches Gedankengut in weite Teile der Gesellschaft zu tragen.
Welche Bedeutung hat Kampfsport für die rechte Szene in Chemnitz und Sachsen?
Die Bedeutung von Kampfsportveranstaltungen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. In 2018 gehörten diese Veranstaltungen in Sachsen zu den mobilisierungsstärksten Szeneereignissen. Kampfsport bedient gleich mehrere Bedürfnisse der Szene: 1. Das Gemeinschaftsgefühl in einer Sportgemeinschaft. 2. Den „Herrenmenschenkult“ durch Training des eigenen Körpers im Sinne des Riefenstahlschen Ideals. 3. Die Pflege des „Wehrgedankens“ durch Vorbereitung auf körperliche Auseinandersetzungen. 4. den „Erlebnischarakter“ bei einem „Sportereignis“. Durch Kampfsport kann die Szene ihren inneren Zusammenhalt stärken und durch die Vorbereitung auf körperliche Auseinandersetzungen auch ihre Aktionsfähigkeit erhöhen.
Wie unterstützen rechtsextreme Kampfsportler aus Osteuropa die Szene in Sachsen?
Sie sind in die Organisation eingebunden und bieten über eigene Vertriebe auch die Möglichkeit, sich mit entsprechenden Propaganda-, aber auch Trainingsutensilien auszustatten.
Neonazis, Hooligans, Kampfsportler, rechtsextreme Musikfans und auch Rocker – für wie gefährlich hält der Verfassungsschutz die Mischszene?
Das Zusammentreffen extremistischer Überzeugung mit impulsiver Gewaltbereitschaft fordert die Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden. Dies gilt besonders, wenn überregional vernetzte rechtsextremistische Akteure diese Mischszene gezielt für konfrontative Veranstaltungen mobilisieren, wie im Spätsommer 2018 bei den Demonstrationen und Ausschreitungen in Chemnitz.
Wie ließe sich die Gefahr eindämmen, dass in Sachsen ein Milieu durchtrainierter rechtsextremer Straßenkämpfer heranwächst?
Die Bekämpfung des gewaltbereiten Rechtsextremismus muss aus präventiven und repressiven Elementen bestehen. In Sachsen hilft dabei unter anderem die Allianz sichere sächsische Kommunen.