Nazi-Gedenken: Wieder Chemnitz
Eine Trauerkundgebung von Fans des Chemnitzer FC wirft erneut ein schlechtes Licht auf die Stadt. Der Verein schiebt die Schuld auf die Anhänger.
Ein halbes Jahr nach den rechten Ausschreitungen in Chemnitz gerät die Stadt erneut in Verruf. Anlass ist die Trauerkundgebung von Fans des Chemnitzer FC (CFC) für den verstorbenen Neonazi Thomas Haller beim Fußballspiel im Stadion des Vereins am vergangenen Sonnabend.
Die Reaktionen sind heftig. „Ich bin fassungslos, dass so eine Würdigung möglich war“, sagte Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) am Montag dem Tagesspiegel. Der Rechtsextremismus sei offensichtlich „im Alltag verwurzelt“. Die Stadt und der Verein hätten sich nach den Krawallen im Spätsommer 2018 offenbar immer noch nicht eingestanden, „dass man ein Problem hat“.
Sie mache sich „große Sorgen“, sagte Pau, „auch mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen“. Im Freistaat werden im Mai die Kommunalvertretungen und im September der Landtag gewählt, die AfD kommt in Umfragen landesweit auf mehr als 20 Prozent. Die Rechtspopulisten könnten sogar stärkste Partei werden.
Alexander Dierks, Generalsekretär der sächsischen CDU und Stadtrat in Chemnitz, nannte bei Facebook die Trauerkundgebung für Haller eine „nicht hinzunehmende Zumutung für all diejenigen, die sich parteiübergreifend in unterschiedlichsten Bereichen für das Ansehen unserer Stadt und ein friedliches Miteinander in der Gesellschaft stark machen“.
Was im Stadion passiert sei, habe den Eindruck eines Bekenntnisses vermittelt „zu jemandem, der keinen Hehl daraus gemacht hat, diejenigen Werte nicht zu teilen, die dieses Land prägen und ausmachen“. Die Stadtspitze und der Verein müssten nun zügig beraten, wie dem „offenkundigen Abgrenzungsproblem abgeholfen werden kann. Vom Schaden für die Stadt ganz zu schweigen.“
Eine große Gruppe von Fans des CFC hatte am Sonnabend im Stadion ein Transparent entrollt, auf dem in altdeutschen Buchstaben stand „Ruhe in Frieden, Tommy“. Gezeigt wurde auch ein mehrere Meter großes schwarzes Tuch mit einem weißen Grabkreuz. Die Fans brannten zudem Pyrotechnik ab. Der Vorfall geschah mit Wissen des Vereins, der in der Regionalliga Nordost spielt.
Kretschmer begrüßt Maßnahmen des Vereins
Der Stadionsprecher verkündete „tiefstes Mitgefühl“ für Hallers Familie und lobte den Verstorbenen als „Anhänger mit Leidenschaft für unseren Verein“. Es folgte eine Schweigeminute. Während des Spiels gegen die VSG Altglienicke zeigte der CFC-Spieler Daniel Frahn nach einem Tor ein T-Shirt mit der Parole „Support your local Hools“ (unterstützt eure lokalen Hooligans). Am Sonntag verhängte der CFC eine Geldstrafe gegen Frahn.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) verurteilte die Ereignisse vom Sonnabend und begrüßte, dass der CFC Konsequenzen treffe. Innenstaatssekretär Günther Schneider sagte hingegen, es sei „völlig inakzeptabel“, dass ein Fußballclub so ein Gedenken veranstalte. Er forderte den CFC auf, sich mit seiner Rolle auseinanderzusetzen.
Haller war eine Größe in der Chemnitzer Neonazi- und Hooligan-Szene. Anfang der 1990er Jahre gründete er die Gruppierung „HooNaRa“ (Hooligans-Nazis-Rassisten), sie war bis 2007 aktiv. Haller war zudem mit einem Ordnerdienst für den Chemnitzer FC tätig.
SPD-Stadträtin postet „Ruhe in Frieden!“
Teil des Skandals ist auch ein Facebook-Eintrag der Fanbeauftragten des Vereins, Peggy Schellenberg, die für die SPD im Chemnitzer Stadtrat sitzt. Die Politikerin schrieb über Haller, „es gab grundlegende Dinge, die haben uns strikt getrennt“, doch „wir waren immer fair, straight, unpolitisch und herzlich zueinander - das hat dich ausgezeichnet. Ruhe in Frieden!“
Der Eintrag ist inzwischen gelöscht. Der Chemnitzer SPD-Bundestagsabgeordnete Detlef Müller hielt Schellenberg vor, Haller habe ein „ganzes Stück Unglück über die Stadt gebracht“. Am Montag löste der CFC Schellenberg als Fanbeauftragte ab. Auf eine Anfrage des Tagesspiegels kam keine Antwort.
Der Verein erstattete zudem eine Anzeige gegen Unbekannt wegen des Verdachts auf Nötigung. Es hätten am Sonnabend „massive Ausschreitungen“ gedroht, teilte der Insolvenzverwalter des Chemnitzer FC, Klaus Siemon, mit. Die Polizei wurde aber offenkundig am Sonnabend nicht darüber informiert, dass Fans die Trauerkundgebung für Haller erzwingen wollten.
„Die Drohung mit Ausschreitungen war uns nicht bekannt“, sagte eine Sprecherin der Polizeidirektion Chemnitz. Bei einer Einsatzbesprechung mit dem Verein vor dem Spiel sei nur von der Trauerkundgebung für Haller die Rede gewesen. Die Polizei habe Bedenken geäußert, schon weil ihr Haller bekannt war, „aber eine Trauerkundgebung ist rechtlich nicht relevant“. Und im Stadion sei der Verein zuständig.
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