zum Hauptinhalt
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) besuchte auf ihrer Pressereise auch das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Kaiserslautern.
© Oliver Dietze/dpa

Rheinland-Pfalz: Malu Dreyer und die digitalen Dörfer

Wie Ministerpräsidentin Malu Dreyer um ihr Amt kämpft – gegen den demografischen Wandel vor Ort und die Erwartungen im Bund.

Irgendwann auf der Fahrt mit dem Bus durch den Pfälzer Wald kommt Malu Dreyer (SPD) auf ihr Lieblingsthema zurück: die digitalen Dörfer. Was nach Science Fiction klingt, ist für die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz eine politische Kernfrage: Wie schwächt man die Folgen des demografischen Wandels durch digitale Technologie ab?

Ganze Regionen werden demnächst vom Fraunhofer Institut in Kaiserslautern testweise vernetzt und „controlled“, wie Dreyer sagt, beispielsweise Herzpatienten mit Kliniken, um zu schauen, wie Gesundheitsvorsorge im „digitalen Dorf“ funktionieren kann. Aber Dreyer ahnt, dass in einem halben Jahr, im März 2016, wenn Rheinland-Pfalz wählt, das Flüchtlingsthema alle anderen Themen verdrängen wird.

Malu Dreyer, 54 Jahre, ist auf ihrer zweiten Reise als Ministerpräsidentin, sie besucht „smart factorys“ – Unternehmen, die Technologien für die vierte Industrierevolution erforschen. Aber immer laufen neue Meldungen zum Thema Flüchtlinge ein, und Dreyer drängt darauf, dass der geplante Flüchtlingsgipfel in zwei Wochen „vorgezogen“ wird.

Der Druck vom Bund spornt Dreyer an

Eigentlich war die Konstellation für 2016 klar: Erstmals kämpfen zwei Frauen um ein Ministerpräsidentenamt. Für beide steht viel auf dem Spiel. Julia Klöckner, Herausforderin und Oppositionsführerin der CDU, hatte den langjährigen Landesvater Kurt Beck bei der letzten Wahl schon am Rande einer Niederlage, aber der gewann knapp, koalierte mit den Grünen und schaffte gerade noch den selbst gewählten Abgang durch einen Personalcoup: Malu Dreyer.

Dreyer hatte schon zuvor zehn Jahre lang erfolgreich eine Art Zukunftsministerium beackert – Soziales, Gesundheit, Demografie. Sie hatte auch, bei aller Herzlichkeit, die notwendige Härte, um die SPD nach den Skandalen um den Nürburgring und die Schuldenpolitik neu aufzustellen. Klöckner gehen die Angriffsflächen verloren, seitdem diese Themen nicht mehr im Mittelpunkt stehen.

Trotzdem könnte wohl die CDU-Chefin auch ihre zweite Landtagswahl verlieren, ohne ihre politische Karriere beenden zu müssen: Dreyers Erfolgsdruck ist höher. Es ist ihre erste und womöglich gleich die letzte Wahl – die SPD-Chef Sigmar Gabriel intern als „Mutter aller Schlachten“ bezeichnet. Dreyer muss die Staatskanzlei halten, alles andere wäre verheerend als Signal für die Bundestagswahl 2017.

Malu Dreyer weiß von der Aufgeregtheit der Bundesspitze. Aber sie findet, das garantiere Rheinland-Pfalz „Aufmerksamkeit“. Die Sozialdemokratin spürt den Druck, aber anscheinend spornt er sie an. Wer mit ihr über die Wahl spricht, bekommt eine ziemlich euphorische Jobbeschreibung, die deutlich macht: Sie will das, will Ministerpräsidentin bleiben. Das Gesicht, das Malu Dreyer dazu macht, kann weder Ehrgeiz noch Freude verbergen.

Merkel hat die Länder überrumpelt

Kämpfen kann sie, und sie geht, wenn es überschaubar ist, auch mal auf Risiko: Ihre Erkrankung an Multipler Sklerose (MS) etwa ist ein solches Risiko. Sie selbst sah es dagegen immer als Chance, nach dem Motto: Was Spaß macht und einen ausfüllt, kann nicht schaden.

Auf der Sommerreise beobachtet man keine leidende Frau, sondern eine, die sich sichtbar wohlfühlt. Neulich waren Sigmar Gabriel und andere Bundespolitiker mit ihr auf Tour, auch die Bundestagsfraktion war in Mainz. Der Tenor nach Dreyers Begrüßungsrede war: „Macht sie gut.“ Im Oktober veranstaltet die SPD ihren Ideenkonvent in Rheinland-Pfalz, Dreyer wird wieder reden.

Sie sagt, sie bekomme jede Hilfe, aber: „Unser Wort zählt auch.“ Sie ist überzeugt, eine Politik machen zu müssen, die digitale Industrie und Demografie zusammendenkt. Als Ministerpräsidentin kann sie das endlich tun. Dann schießen wieder Meldungen über Flüchtlinge durchs Netz. Dreyer sagt: „Es war richtig, dass die Kanzlerin aus humanitären Gründen die Grenzen geöffnet hat. Aber sie hat die Länder mit dieser Entscheidung überrumpelt. Das darf nicht wieder passieren.“

Zur Startseite