Streit um Mercosur-Abkommen beim G-7-Gipfel: Macron hat Recht mit seiner Blockade-Drohung
Wenn Brasiliens Präsident Bolsonaro sich nicht an die Umweltstandards im geplanten Freihandelsabkommen hält, ist der Deal obsolet. Ein Kommentar.
Einmal im Jahr versammeln sich die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden westlichen Industrienationen. Vor malerischer Kulisse – vorzugsweise in Strandnähe – zeigen sich die Staatenlenker der G-7-Länder dann dem Publikum beim informellen Gespräch. Je länger die Liste der internationalen Krisenherde und je größer die Zahl der weltweiten Handelskonflikte zuletzt geworden ist, umso mehr sind die Zweifel gewachsen, dass die Gipfel überhaupt noch als Gremium zur Krisenlösung taugen.
Emmanuel Macron, der Gastgeber des diesjährigen Treffens in Biarritz, hat das erkannt. Aus dem G-7-Dilemma hat er einen richtigen Schluss gezogen: Frankreichs Präsident unternimmt den Versuch, angesichts der schweren Brände im Amazonas-Regenwald die Handlungsfähigkeit der internationalen Staatengemeinschaft unter Beweis zu stellen.
Bolsonaro ordnet Armeeeinsatz gegen Waldbrände an
Zunächst mag es seltsam erscheinen, dass Macron unmittelbar vor dem Gipfel den brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro wegen der Brandrodungen im Amazonasgebiet scharf angegriffen hat. Brasilien sitzt bei den Gipfelberatungen in Biarritz schließlich gar nicht mit am Tisch. Dennoch hat Macrons Drohung, angesichts der von Bolsonaro gebilligten Brandrodungen im Amazonasgebiet notfalls das Mercosur-Freihandelsabkommen zu kippen, zumindest schon ein erstes Ergebnis gebracht: Der rechtsextreme brasilianische Präsident hat unter dem internationalen Druck einen Armeeeinsatz gegen die Waldbrände angeordnet.
Ob der von Bolsonaro verfügte Kriseneinsatz langfristig an seiner Klimapolitik etwas ändert, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Falls sich der Staatschef nicht an die im Mercosur-Abkommen vorgesehenen Umweltstandards halten sollte, gibt es keinen Grund für die EU, sich für die Vereinbarung mit Brasilien und weiteren lateinamerikanischen Ländern zu verkämpfen. In dieser Frage liegen Deutschland und Frankreich über Kreuz: Die Bundesregierung möchte trotz allem an dem Abkommen festhalten. Macron ist hingegen noch nie ein Freund des Deals gewesen, der bislang in keinem EU-Land ratifiziert wurde.
Frankreichs Landwirte machen gegen Mercosur-Abkommen mobil
Macrons Kurs dürfte zum Teil auch damit zusammenhängen, dass Frankreichs Landwirte bereits gegen die Freihandelsvereinbarung mobil gemacht haben. Trotzdem sollte man Macron seine aktuelle Sorge um den Regenwald nicht absprechen. Das Mercosur-Abkommen ist in der Tat kritikwürdig, weil die Interessen der landwirtschaftlichen Großbetriebe bei den Verhandlungen die Belange der Kleinbauern in den Hintergrund gedrängt haben. Vor allem Brasiliens Agrarindustrie rechnet sich mit dem Abkommen bessere Absatzchancen für Rindfleisch und Sojabohnen aus. Der Trend zum Abholzen des Urwalds, der als „Lunge der Erde“ gilt, könnte sich damit weiter verschärfen.
Aber wie auch immer der gegenwärtige Streit unter den Europäern über das Mercosur-Abkommen ausgeht, so stellt die Debatte über die Brandrodungen in 9000 Kilometern Entfernung bereits jetzt auch auf dieser Seite des Atlantiks einiges in Frage – vor allem den Fleischkonsum in der Europäischen Union und die Neigung vieler EU-Bürger, bei der Suche nach Klimasündern zunächst einmal auf andere zu zeigen.