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Der britische Premier Boris Johnson verlässt seinen Amtssitz (am 19. Januar 2022).
© Reuters/John Sibley
Update

Druck auf Premier Johnson wächst: Londoner Polizei leitet Ermittlungen zu Downing-Street-Partys ein

Die Liste der angeblichen Lockdown-Partys des britischen Premiers Johnson wird immer länger. Er soll im Juni 2020 mit 30 Gästen Geburtstag gefeiert haben.

Die Londoner Polizei ermittelt zu mehreren Lockdown-Partys im Amtssitz von Premierminister Boris Johnson und in anderen Regierungsgebäuden. „Ich kann bestätigen, dass die Metropolitan Police zu einer Reihe von Veranstaltungen im Zusammenhang mit potenziellen Verstößen gegen die Corona-Auflagen ermittelt (...)“, sagte Scotland-Yard-Chefin Cressida Dick am Dienstag in einem Ausschuss des Londoner Stadtrats.

Zuvor war bekannt geworden, dass Premier Boris Johnson im Lockdown im Juni 2020 mit Kuchen, Ständchen und 30 Gästen seinen Geburtstag gefeiert haben soll. Laut dem Sender ITV hatte Johnsons Frau Carrie eine Überraschungsparty für den konservativen Politiker in dessen Amtssitz 10 Downing Street organisiert. Private Treffen in Innenräumen waren damals nicht erlaubt. Die Regierung dementierte den Bericht im Grundsatz nicht.

Für den seit Wochen wegen Berichten über mutmaßlich illegale Lockdown-Partys in der Kritik stehenden Johnson kommt die Enthüllung vom Montagabend zu einem prekären Zeitpunkt. Noch in dieser Woche werden die Ergebnisse einer internen Untersuchung zu einer ganzen Reihe angeblicher Lockdown-Partys in der Downing Street erwartet - inzwischen sind es zehn. Vom Ausgang dieser Untersuchung könnte Johnsons politisches Schicksal abhängen. Mehrere Mitglieder seiner eigenen Fraktion wollen ihn stürzen. Die neuen Enthüllungen dürften Wasser auf ihre Mühlen sein.

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Bis zu 30 Gäste sollen ITV zufolge bei der angeblichen Feier am Nachmittag des 19. Juni 2020 zu Johnsons 56. Geburtstag dabei gewesen sein, darunter vor allem Mitarbeiter, aber auch die Designerin Lulu Lytle, die damals für viel Geld die Dienstwohnung der Johnsons renovierte. Carrie Johnson soll dem Bericht zufolge das Lied „Happy Birthday“ angestimmt haben. Neben der Torte soll es auch ein Picknick mit Leckereien einer bekannten Kaufhaus- und Feinkostkette gegeben haben. Später seien mehrere Familienmitglieder in der Wohnung der Johnsons zu einer privaten Feier gewesen.

Johnson-Sprecherin wertet Zusammenkunft nicht als Party

Eine Regierungssprecherin bestritt den Bericht über die Zusammenkunft der Gruppe am Nachmittag laut ITV nicht, wertete sie aber nicht als Party, sondern kurzes Treffen von Mitarbeitern im Anschluss an eine Besprechung, um dem Premier zu gratulieren. Johnson sei weniger als zehn Minuten dabei gewesen. Insgesamt habe das Event nur 20 bis 30 Minuten gedauert. Den Bericht über Gäste in der Dienstwohnung wies die Sprecherin als „komplett unwahr“ zurück. Johnson habe lediglich eine kleine Gruppe von Familienmitgliedern im Freien empfangen. Die Designerin Lytle ließ wissen, sie habe sich nur zum Arbeiten in der Downing Street aufgehalten und habe außerhalb des Raums, in dem angeblich gefeiert wurde, auf ein Gespräch mit Johnson gewartet.

Oppositionschef Keir Starmer von der Labour-Partei kritisierte die Regierung als „chaotisch und steuerlos“ und forderte zum wiederholten Mal Johnsons Rücktritt. „Er muss gehen“, bekräftigte Starmer.

Druck auf Johnson aus den eigenen Reihen wächst

Mit einem freiwilligen Abgang Johnsons wird indes kaum gerechnet. Gefährlich werden könnte ihm aber der wachsende Unmut in der eigenen Partei. Der Chef der konservativen Tory-Partei sieht sich dabei einer Koalition aus verschiedenen Lagern gegenüber. Sollten sich 54 Mitglieder seiner Fraktion im Unterhaus schriftlich für einen Wechsel aussprechen, käme es zum Misstrauensvotum.

Bereits in der vergangenen Woche sah es brenzlig für den Premier aus. Er hatte zugegeben, bei einer Gartenparty im Mai 2020 in seinem Amtssitz dabei gewesen zu sein, behauptete aber, sie für ein Arbeitstreffen gehalten zu haben. Dabei hatte sein Privatsekretär in einer E-Mail mit dem Hinweis „bringt euren eigenen Alkohol mit“ dazu eingeladen. Die E-Mail will Johnson aber genauso wenig gesehen haben wie Warnungen im Vorfeld, es handle sich um einen Regelbruch.

Mit einem trotzigen Auftritt bei der Fragestunde im Parlament konnte sich Johnson am vergangenen Mittwoch wieder etwas Luft verschaffen. Doch ob ihm das noch einmal gelingen wird, gilt als zweifelhaft. (dpa)

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