Boris Johnson entschuldigt sich: Die Queen trauert, Downing Street feiert
Die Party-Skandale von Boris Johnson kontrastieren auf peinliche Weise mit den Vorgängen auf Schloss Windsor. Die Angst der Tory-Abgeordneten vor den nächsten Wahlen wächst.
Es ist die zweite Entschuldigung innerhalb kurzer Zeit. Zuerst sah sich der britische Regierungschef Boris Johnson zu einer Demutsgeste im Parlament genötigt, jetzt entschuldigte sich sein Sprecher bei der Queen, dem formellen Staatsoberhaupt. Immer neue Fakten werden über die laxe Amtsauffassung Johnsons und seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bekannt. Nun dies: Entgegen geltenden Corona-Bestimmungen und während einer Periode offizieller Staatstrauer hatten am Vorabend von Prinz Philips Begräbnis im April rund 30 Mitarbeiter der Regierungszentrale auf zwei Partys bis in den Morgen gefeiert. Die Episode mache erneut deutlich, dass Johnson „das Amt des Premierministers gravierend beschädigt“ habe, kritisierte Labour-Oppositionschef Keir Starmer.
Wird hinter der schwarzen Tür mit der goldenen „10“, dem Amtssitz in der Downing Street, eigentlich auch regiert? Die Frage stellte sich am Freitag, nachdem die Londoner Medien zum wiederholten Mal genüßlich Details von Lockdown-Partys ausgebreitet hatten. An jenem Aprilabend verabschiedeten sich ein langjähriger Pressesprecher sowie ein Photograph von ihren jeweiligen Teams. Erlaubt waren zu dieser Zeit keinerlei Feiern außerhalb der eigenen Familie, auch draußen durften sich die Briten lediglich mit Menschen aus zwei anderen Haushalten treffen.
Dem konservativen „Telegraph“ zufolge betätigte sich eine enge Mitarbeiterin Johnsons als DJ. Ein junger Mitarbeiter wurde mit einem Koffer zur örtlichen Superparkt-Filiale geschickt, um die Weinvorräte aufzufrischen. Als mit zunehmender Alkoholisierung im Partykeller die Teppiche in Mitleidenschaft gerieten, verlagerte sich das Geschehen in den weitläufigen Garten, einen der Öffentlichkeit von früheren Party-Szenarien wohlbekannter Ort. Johnson selbst weilte mit Frau und einjährigem Sohn auf seinem Landsitz Chequers.
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Wenigstens hielt sich die Regierung diesmal nicht mit hinhaltenden Statements auf. Als erstes entschuldigte sich der Ex-Pressesprecher und heutige Vize-Chefredakteur des Boulevardblatts „Sun“, James Slack, bei den Briten für den verursachten „Schmerz: Die Party hätte nicht stattfinden sollen“. Später legte Johnsons jetziger Sprecher nach: Es sei „zutiefst bedauerlich, dass dies in einer Periode der Staatstrauer geschah“.
Kommunalwahlen im Mai
Bereits am Mittwoch hatte sich der Regierungschef im Unterhaus entschuldigt, weil er im Mai 2020, auch da gegen alle Corona-Regeln, an einer Party im Garten der Downing Street teilgenommen hatte. Den Rücktrittsforderungen Starmers sowie der anderen Oppositionsparteien haben sich mittlerweile fünf Tory-Abgeordnete angeschlossen, darunter die Vorsitzenden zweier Ausschüsse. Auch der Chef der schottischen Parteigliederung, Douglas Ross, sowie dessen einflußreiche Vorgängerin Ruth Davidson haben Johnsons Demission verlangt. Viele englische Parteimitglieder fürchten sich vor den Kommunalwahlen im Mai, in den Umfragen liegt Labour derzeit um bis zu zehn Prozent vor den Torys.
Hingegen verweisen Johnson und seine Kabinettsmitglieder auf die Untersuchung der mittlerweile 14 bekannten Lockdown-Partys. Der Bericht werde „kein kriminelles Handeln“ zutage fördern, behauptete am Freitag die „Times“ – ein klarer Versuch der Regierungs-Spindoktoren, den Vorwürfen schon vorab die Spitze zu nehmen. Lockdown-Verstöße wurden generell nicht als Verbrechen behandelt, in Tausenden von Fällen zogen sie aber teils saftige Bußgelder nach sich.
Bei den jüngsten Enthüllungen kontrastiert das Verhalten der Mitarbeiter in der Regierungszentrale auf peinliche Weise mit den Vorgängen auf Schloss Windsor. Zum Trauergottesdienst für den verstorbenen Prinz Philip in der Georgskirche waren lediglich 30 Menschen zugelassen, Elizabeth II. musste allein in der Kirchenbank Platz nehmen.
Für Johnson entscheidend dürfte sein, welchen Empfang die Wähler nun seinen Tory-Parteifreunden in ihren jeweiligen Wahlkreisen bereiten. Die BBC ließ am Freitag zwei Vorsitzende von Ortsvereinen zu Wort kommen. Während Andrea Thorpe (Maidstone bei London) einen neuen Partei- und Regierungschef für nötig hält, sprach ihr Kollege Tom Ashton von „Durchstechereien, die der Regierung schaden sollen“. Tatsächlich wirken die Enthüllungen der vergangenen sieben Wochen sorgfältig inszeniert. Mindestens einige dürften auf das Konto von Johnsons früherem Chefberater Dominic Cummings gehen, der den Premierminister mittlerweile für „völlig unfähig“ hält.
Solange die Unterhaus-Abgeordneten diese Einschätzung nicht teilen, bleibt der 57-Jährige, wenn auch geschwächt, im Amt.