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Linken-Parteichefin Katja Kipping
© Mike Wolff

Rede zur Integration: Linken-Chefin Kipping plädiert für Einwanderungsgesetz von links

Auch die Linke solle Einwanderung gesetzlich regeln, findet deren Vorsitzende Katja Kipping - und verteidigt auch im Wahlkampf Merkels Grenzöffnung.

Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping hat sich für ein Einwanderungsgesetz ihrer Partei ausgesprochen. Sie teile die Kritik an "der Verwertungslogik von 'nützlichen' und 'nutzlosen' Einwanderern", die Linke damit verbänden. Sie meine aber, "dass wir uns darüber hinauswagen sollten", sagte Kipping in einer sehr grundsätzlichen Rede, die sie auf Einladung des Wirtschaftsinstituts DIW und des "Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung" (BIM) am Mittwoch in Berlin hielt. Ein solches Gesetz müsse ein "neuer Gesellschaftsvertrag" sein, der sowohl Grenzen durchlässiger mache als auch die Rechte derer stärke, die bereits im Land leben. Zugleich brauche es einen "Sozialstaaat, der tatsächlich alle vor Armut schützt", sagte Kipping. "All diejenigen, die schon immer hier waren und sich als Verlierer der Globalisierung fühlen, sollten erfahren, dass es auch um sie geht." Das erhöhe die Chance, dass sie auch die Teilhabe von Neuankömmlingen akzeptierten.

Willkommens-Visa für ein Jahr

Kipping veröffentlichte vor einem Jahr ein Buch zum Thema ("Wer flüchtet schon freiwillig"), dessen Untertitel für die "Neuerfindung unserer Gesellschaft" plädierte. Es wurde in- und außerhalb der Linken auch als Antwort auf die Chefin der Bundestagsfraktion, Sahra Wagenknecht, verstanden, die sich immer wieder migrationsskeptisch zu Wort meldet und ihre Partei auf eine schärfere Asylpolitik verpflichten will.

Als neues Instrument schlug die Linken-Chefin in ihrer Rede eine auf ein Jahr befristete Einreise für Menschen vor, die glaubhaft machen können, dass sie in Deutschland sozial verankert sind oder eine Lebensperspektive sehen. "Wer also sagen kann, wie er hier leben möchte, sollte prinzipiell die Möglichkeit einer Einreise bekommen." Nach einem Jahr müsse er oder sie nachweisen, dass das geschafft sei und könne dann einen längeren Aufenthaltstitel bekommen. Andernfalls folge die Ausreise, vorausgesetzt, es bestehe kein Abschiebehindernis. Opfer rassistischer Gewalt brauchten ein Bleiberecht. Dies wäre unter anderem "eine klare Ansage" an die, die sie angriffen.

In der anschließenden Diskussion über die Rede gab es unerwartet Sympathie von Seiten eines Ökonomen. Herbert Brücker, Volkswirtschaftsprofessor und Fachmann für Migration und Arbeitsmarkt, nannte die Vorstellung, Einwanderung schlicht zu erlauben, faszinierend - zumal die Bekämpfung von Fluchtursachen erst in Generationen Erfolge bringe, die Anreize zur Migration also stark seien und blieben und zudem Migration mehr Wohlstandsgewinne bringe als alles andere, etwa freier Kapitalverkehr und Handel. Allerdings gefährde sie auch am meisten Länder mit einem ausgebauten Sozialstaat.

Kipping plädierte auch für erleichterte Einbürgerung und erinnerte daran, dass schon die Französische Revolution auch Ausländern Bürgerrechte gewährt habe, die mindestens ein Jahr in Frankreich lebten, dort verheiratet waren, Eigentum hatten oder arbeiteten. Wenn man heute über Staatsbürgerschaftsrechte rede, müsse klar sein, dass "bereits im Urknall der Aufklärung" von deren "Entnationalisierung" die Rede war.

"Bald wieder Nazis im Bundestag"

Migration nannte die Linken-Chefin die womöglich "neue revolutionäre Bewegung im 21. Jahrhundert". Sie müsse als Chance genutzt werden. Bisher habe Migration die Bundesrepublik nach vielen Konflikten und "kämpferischen Aushandlungsprozessen" immer bereichert. "Auch die Anerkennungskämpfe der sogenannten 'Gastarbeiter' haben dieses Deutschland demokratisiert." Eine ganze junge Generation habe sich so ein Weltverständnis angeeignet, sagte Kipping mit einem Zitat des britischen Journalisten Paul Mason, das die Rechte verabscheue, aber nur "gewaltsam aus den Köpfen" reißen könnte. "Was wir gerade als Rechtsruck erleben, könnte daher womöglich das letzte Gefecht der Rechten sein." Sie erwarte dennoch auch künftig einen "strapaziösen Aushandlungsprozess" und verwies unter anderem auf den prognostizierten Einzug der AfD in den Bundestag: "In wenigen Wochen werden erstmals seit Jahrzehnten wieder Nazis im Deutschen Bundestag sitzen."

Vom Mauerfall zur offenen Grenze von 2015

Die Aufnahme syrischer Flüchtlinge durch die Bundeskanzlerin im September vor zwei Jahren, von Fraktionschefin Wagenknecht mehrfach angegriffen, verteidigte Kipping und bestritt die Lesart, die Bundesregierung habe damals, widerrechtlich, die Grenzen geöffnet: "Ich meine, das war kein Grenzöffnung, sondern die Bundesregierung hat einfach die Grenzen nicht geschlossen." Sie frage sich, welche Alternativen es dazu gegeben hätte. Als jemand, die in der DDR geboren wurde, halte sie dies nicht für so außergewöhnlich. Die Erfahrung des Mauerfalls zeige auch: "Zusammenkommen kann dann gelingen, wenn die politisch Verantwortlichen dies wollen."

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