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Das Spitzenduo der Linken, Parteichefin Janine Wissler und Fraktionschef Dietmar Bartsch.
© Wolfgang Kumm/dpa

„Wir sind bereit, Wege zu suchen“: Linke werben für Bündnis mit SPD und Grünen

Mit einem Sofortprogramm will die Linke aus der Defensive kommen und für eine Regierungsbeteiligung werben. Das Streitthema Nato kommt nur indirekt vor.

Dietmar Bartsch ist sichtlich genervt. Mit diesem „Bekenntnis-Quatsch“ solle man endlich aufhören, sagt der Linken-Spitzenkandidat und Fraktionschef im Bundestag. Politik sei doch kein „Kasperle-Theater“. Die Kritik richtet sich an einen, den die Linke eigentlich gern für ein Bündnis gewinnen würde.

Der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz macht eine rot-grün-rote Koalition davon abhängig, dass die Linkspartei sich zur Nato, zu einer starken EU und einem soliden Umgang mit den Staatsfinanzen bekennt. Die Positionen der Partei in der Außen- und Sicherheitspolitik gelten als größte Hürde für eine Regierungsbeteiligung auf Bundesebene.

Mit einem „Sofortprogramm für einen Politikwechsel“ will die Linke nun aus der Defensive kommen und zugleich für ein Bündnis mit SPD und Grünen werben. „Wir stehen vor einer Richtungsentscheidung“, sagt die Parteivorsitzende und Spitzenkandidatin Janine Wissler.

Viele Menschen in Deutschland würden sich für Mehrheiten ohne Union und FDP aussprechen, heißt es in dem sechsseitigen Papier, das Wissler und Bartsch am Montag in Berlin vorstellten. „SPD und Grüne können mit den Parteien des Gestern keine Politik für Morgen machen.“ Wer seine Wahlprogramme ernst nehme, müsse sagen, mit wem er seine Forderungen erreichen könne und mit wem nicht.

Linkspartei betont eigene Verlässlichkeit

In dem Papier will sich die Linkspartei, der in den vergangenen Wochen immer wieder die Regierungsfähigkeit auf Bundesebene abgesprochen wurde, als zuverlässige Regierungspartnerin präsentieren: „Die Linke steht für Klarheit und Verlässlichkeit, wenn es um die Zukunft unseres Landes geht.“

Das Sofortprogramm, das für mehrere Politikbereiche Maßnahmen nennt, die nach der Vorstellung der Linken schnell umgesetzt werden sollen, setzt einen Schwerpunkt in der Arbeits- und Sozialpolitik. Die Linke fordert darin einen gesetzlichen Mindestlohn von 13 Euro, eine Kindergrundsicherung und 500 Euro mehr Gehalt für Pflegekräfte.

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Die Partei, die in ihrem Wahlprogramm ein Ende von Hartz IV und die Einführung eines garantierten Mindesteinkommens fordert, spricht sich in dem neuen Papier dafür aus, in einem ersten Schritt die Hartz-IV-Regelsätze deutlich zu erhöhen und die Sanktionen abzuschaffen. Damit zeigt die Partei zugleich, wie sie in möglichen Koalitionsverhandlungen agieren könnte.

In dem Sofortprogramm setzt sich die Linke außerdem für eine einmalige Vermögensabgabe für Multi-Millionäre ein, mit der die Lasten der Coronakrise finanziert werden sollen, und für eine Steuer auf Vermögen „ab der 2. Million“ sowie für eine rasche Angleichung der Ost-Renten und -Löhne an das Westniveau. Der Kohleausstieg soll nach dem Willen der Linkspartei „sozial abgefedert“ auf 2030 vorgezogen werden, die Energiewende soll durch verbindliche Ziele beschleunigt werden. Die Linke will zudem Inlandsflüge künftig durch die Bahn ersetzen.

Das zwischen SPD und Linkspartei besonders strittige Thema Nato kommt dagegen in dem gesamten Papier nicht vor. Als langfristiges Ziel wird darin ein Ende von „militärischen Auslandseinsätzen“ genannt. In einem ersten Schritt will die Linke lediglich „Rüstungsexporte in Krisengebiete stoppen und SPD und Grüne beim Wort nehmen, die Auslandseinsätze der Bundeswehr auf den Prüfstand zu stellen.

Linke will zehn Milliarden in Bildung statt in Rüstung investieren

Zudem schlagen die Partei- und Fraktionsvorsitzenden, die das Papier verantworten, vor, den Verteidigungsetat auf das Niveau von 2018 zurückzuführen und zehn Milliarden Euro im Jahr statt in Rüstung in Bildung zu investieren. Dies würde allerdings dazu führen, dass die Bundesregierung ihre in der Nato gegebene Verpflichtung nicht einhalten kann, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung zu investieren.

Auf die Frage nach der Kompromissbereitschaft der Linken in der Außen- und Sicherheitspolitik sagte Bartsch, das Wahlprogramm werde nicht zu 100 Prozent umgesetzt werden können. Zugleich zeigte das Spitzen-Duo bei diesem Thema rote Linien auf: „Eine Regierung, die Rüstungsausgaben steigert und Waffen in Krisengebiete liefert, die wird es mit der Linken nicht geben“, sagte Bartsch. Wissler betonte, ihre Partei werde sich nicht an einer Regierung beteiligen, die „Kriegseinsätze beschließt“.

Bei der Abstimmung im Bundestag über den Rettungseinsatz der Bundeswehr in Kabul hatten sich die meisten Linken-Abgeordneten enthalten, dies hatte bei anderen Parteien Kritik ausgelöst.

Den Meinungsumfragen zufolge gibt es rechnerisch eine Mehrheit für eine Koalition von SPD, Grünen und Linken. Sie wäre allerdings deutlich knapper als ein Ampel-Bündnis, das zudem von Kanzlerkandidat Scholz bevorzugt wird.

Nicht nur in der Linkspartei gibt es den Verdacht, dass Scholz, der eine Koalition mit den Linken öffentlich bisher nicht ausgeschlossen hat, mit den von ihm formulierten Bedingungen unüberwindbar hohe Hürden aufbauen will. „Wenn man etwas will, sucht man Wege. Wenn man etwas nicht will, sucht man Gründe“, sagte Wissler. Die Parteichefin warnt davor, Hürden aufzubauen, bevor man überhaupt miteinander geredet habe. „Wir sind bereit, Wege zu suchen.“

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