SPD-Kanzlerkandidat im Interview: Scholz setzt auf rot-grüne Mehrheit – und drei Kernprojekte nach der Wahl
Olaf Scholz setzt darauf, dass es allein mit den Grünen reichen kann. Und verspricht, dass es keine linken Experimente gibt: Wer Scholz wähle, bekomme Scholz.
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz setzt angesichts steigender Umfragewerte auf eine Mehrheit für eine rot-grüne Koalition nach der Bundestagswahl am 26. September. „Ich möchte gerne mit den Grünen zusammen regieren“, sagte der Bundesfinanzminister und Vizekanzler in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“.
[Das ganze Interview finden Sie hier: SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz: „Ich möchte gerne mit den Grünen regieren“ (T+)]
„Ich habe in verschiedenen Regierungen schon mit den Grünen zusammengearbeitet, im Bund wie in Hamburg. Wir sind unterschiedliche Parteien, wir haben unterschiedliche Zielsetzungen, aber wir haben viele Schnittmengen", sagte Scholz.
Und die seien für die Zukunft unseres Landes wichtig. Auch Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hatte zuletzt mehrfach betont, dass sie am liebsten mit der SPD regieren würde.
Nach jetzigen Umfragen gibt es keine Mehrheit für Rot-Grün, diese Koalition hatte es in Deutschland von 1998 bis 2005 gegeben. Sollte es nicht allein für SPD und Grüne reichen, gilt eine Ampel-Koalition mit der FDP als Option, die Scholz anstreben würde, allerdings setzt FDP-Chef Christian Lindner bisher auf eine mögliche Jamaika-Koalition mit Union und Grünen.
Im jüngsten Politbarometer von ZDF und Tagesspiegel lag die SPD bei 25 Prozent, die Union bei historisch schlechten 20 Prozent, die Grünen bei 17 Prozent, die FDP bei elf Prozent.
Scholz profitiert aktuell besonders von der Schwäche der Union mit ihrem Kanzlerkandidaten Armin Laschet. Einer Civey-Umfrage zufolge würden die meisten Bundesbürger nach der Bundestagswahl eine Regierung ohne die Union bevorzugen. Rund 56 Prozent der Befragten äußerten diesen Wunsch in einer Erhebung im Auftrag der „Augsburger Allgemeinen“.
Scholz über die Linkspartei: "Das war schlimm"
Scholz machte so deutlich wie bisher selten klar, dass ein Bündnis unter Einschluss der Linkspartei für ihn derzeit wegen mangelnder Regierungsfähigkeit nicht infrage kommt. Hauptgrund ist die jüngste Weigerung im Bundestag, dem Evakuierungseinsatz der Bundeswehr in Kabul zuzustimmen. „Die Ablehnung der Bundeswehr-Rettungsentscheidung durch die Partei Die Linke war schlimm“, sagte Scholz dem „Tagesspiegel“.
Er machte deutlich, dass die Linke Mindestabforderungen wie ein klares Bekenntnis zur Nato, zu solidem Haushalten und zur transatlantischen Partnerschaft nicht erfülle. „Diese Anforderungen sind unverhandelbar.“
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Scholz unterstützte ähnlich kritische Aussagen zuletzt von SPD-Chefin Saskia Esken, die der Linken die Regierungsfähigkeit abspricht, und betonte, dass er da nicht wackeln werde: „Wer SPD wählt, um mich als Kanzler zu bekommen, kann sich darauf verlassen, dass das gilt.“
Die Bürgerinnen und Bürger würden ihn aus all den öffentlichen Ämtern, die er in den vergangenen Jahren wahrgenommen habe, kennen. „Sie wissen, dass ich ein sehr pragmatischer Politiker bin, der mit den Grundlagen für ordentliches Regieren niemals spielerisch umgehen würde", warb er um Vertrauen in der Frage. Die SPD hatte 2013 bei einem Parteitag beschlossen, Bündnisse mit der Linkspartei vor Wahlen nicht mehr kategorisch auszuschließen, dies aber an hohe Bedingungen geknüpft. Scholz fühlt sich an den Beschluss gebunden.
Scholz macht klar: Ich bestimme den Kurs nach der Wahl
Der Vizekanzler und SPD-Kanzlerkandidat machte mit Blick auf den linken Parteiflügel deutlich, dass er bei einem Wahlsieg den Kurs vorgeben, nicht ändern und es auch nicht zum von der Union beschworenen Linksruck kommen werde: Die aktuelle Geschlossenheit werde über den 26. September hinaus bestehen.
„Wer sein Kreuz bei der SPD macht, um einen Kanzler Scholz zu bekommen, kann sich darauf verlassen, dass er ihn genauso bekommt, wie er ihn in den vergangenen Jahren kennengelernt hat.“ Er werde die Politik machen, die viele mit ihm verbinden würden. „Vieles erinnert mich an meine Zeit in Hamburg: Damals raufte sich 2009 eine zuvor nicht geschlossene Partei zusammen, stellte sich neu auf, gewann die Wahl 2011 – und bis heute zeichnet sich die Hamburger SPD durch große Geschlossenheit aus“, betonte Scholz.
Der Kandidat plant drei Großprojekte nach der Wahl
Scholz benannte auf die Frage nach einem 100-Tage-Programm drei Projekte. „Ich habe von Respekt gesprochen. Da geht es um Anerkennung, die sich aber auch auf dem Konto zeigen muss. Einmal Beifall-Klatschen für die Corona-Helden reicht nicht.“ Die Kassiererin an der Supermarktkasse oder der Paketbote müssten auch mehr verdienen. „In meinem ersten Amtsjahr will ich deshalb den gesetzlichen Mindestlohn auf 12 Euro anheben.“
Zweites wichtiges Vorhaben sei es, klar zu berechnen, wie viel Strom Deutschland 2045 brauchen wird, und den Ausbau der Stromerzeugung daran zu orientieren. „Wir brauchen viel mehr Strom aus Sonne und Wind, und wir brauchen ein leistungsfähigeres Stromnetz.“ Und damit zusammen hänge Punkt drei: „Die notwendigen Gesetze zu verabschieden, damit Planung und Bau solcher Anlagen deutlich schneller vorankommen als bislang.“