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Schön kühl hält das Grün die Stadt – und entspannt.
© Kitty Kleist-Heinrich

Grünflächen in Berlin: Lieb und teuer

Angesichts des Baubooms fürchten Umweltverbände immer mehr Flächenfraß und fordern, das Stadtgrün besser zu schützen.

Wenn immer mehr Menschen in Städten leben – und dieser Trend ist unaufhaltsam – wird das Grün in der Stadt noch wichtiger. Denn das urbane Leben ist anstrengend, die vielen Reize können zu geistiger Erschöpfung führen. Grün wirkt da nachweislich beruhigend. Wie hoch der Wert der Stadtnatur ist, fasst ein Bericht des Projekts „Naturkapital Deutschland“ zusammen. Unter dem Titel „Ökosystemleistungen in der Stadt “ zeigen die Autoren, was alles zur positiven Wirkung des Stadtgrüns gehört.

Städtische Parks und Gärten fördern den sozialen Zusammenhalt“, nennt Ingo Kowarik von der TU Berlin ein Beispiel. „Sie führen Jung und Alt zusammen, ebenso unterschiedliche Kulturen. Sie sind Orte des Austausches in der Nachbarschaft und fördern die Identifikation mit dem eigenen Viertel. Besonders für Kinder und Jugendliche bieten sie oft die einzige Möglichkeit für Sport und Spiel.“

Die wirtschaftliche Bedeutung von Stadtgrün betont Bernd Hansjürgens, Chefökonom des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung: „Vor allem können Gesundheitskosten eingespart werden. Allein in Berlin sind etwa vier bis fünf Prozent aller Sterbefälle eines Jahres direkt auf Hitze zurückzuführen. Stadtnatur verbessert das Stadtklima und reduziert hitzebedingte Erkrankungs- und Sterberaten.“ Außerdem filtern Pflanzten Feinstaub und Stickstoffdioxid aus der Luft.

Ein weiterer Faktor sei die Reduzierung von Stress. Allein die drei teuersten Krankheiten, für die Stress als Mitursache gilt (Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Rückenleiden und psychische Krankheiten) verursachen in Deutschland jährliche Kosten von mehr als 100 Milliarden Euro.

"Das rasante Bevölkerungswachstum sozial gestalten"

Auch Lärm wird durch Stadtnatur gemildert. In Deutschland lag die Zahl derer, die sich durch Verkehrslärm mindestens mittelmäßig gestört fühlten, in den vergangenen Jahren konstant bei über 25 Prozent. Das ergab kürzlich wieder eine Studie zum Umweltbewusstsein. Durch eine Lärmminderung von bis zu drei Dezibel durch entsiegelte Flächen oder begrünte Fassaden könnten die gesellschaftliche Kosten erheblich gesenkt werden, heißt es in der Studie zum Naturkapital.

„Allerdings werden Grünflächen von städtischen Kämmerern oft nur als Kostenfaktor wahrgenommen“, kommentiert Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) den Bericht, der von ihrem Haus und dem Bundesamt für Naturschutz finanziert wurde. Darum sei es wichtig, den großen Wert von urbaner grüner Infrastruktur aufzuzeigen.

Das tut zurzeit eine Roadshow „Grün in der Stadt“, die auf eine Initiative des Bundesverbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau zurückgeht. Mit einer temporären Grünfläche und einem Begleitprogramm tourt sie durch zwölf deutsche Städte. Beim Auftakt in Berlin sagte Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD): „In Berlin stehen wir vor der Herausforderung, das rasante Bevölkerungswachstum sozial zu gestalten. Wir tun dies aber sehr behutsam, um den großen Schatz, den Berlin hat, zu schützen: Grünflächen, Freiflächen und Parks.“

Ob das tatsächlich so behutsam geschieht, daran haben mehrere Umweltorganisationen in der Hauptstadt allerdings ihre Zweifel. Sie fordern Senatsverwaltung und Bezirke in einem Positionspapier auf, grüne Freiflächen dauerhaft zu sichern und von Bebauung frei zu halten. Zu diesen Flächen gehören Gewässerufer, Friedhöfe, Kleingärten und Grünanlagen.

Flächensparendes Bauen

„Der Flächenfraß für Bauprojekte nagt zunehmend an der Substanz der ganzen Stadt. Berlin muss aufhören, ausschließlich über Neubauten zu reden. Stattdessen muss die Stadt anfangen, sich auch damit auseinander zu setzen, welche Flächen benötigt werden, um die Lebensqualität zu sichern“, fordert Andreas Faensen-Thiebes vom BUND.

Aus Sicht der Verbände haben die bisherigen Instrumente versagt. So würden seit Jahren anhängige Schutzgebietsausweisungen unterbleiben. Flächennutzungsplan und Landschaftsprogramm können die grünen Freiflächen nicht wirksam sichern. Daher fordern die Verbände den Dialog mit der Stadtgesellschaft darüber ein, welche Flächen erhalten werden.

„Eine nachhaltige, planvolle Stadtentwicklung zeichnet sich durch flächensparendes Bauen mit gleichzeitiger Sicherung der Grün- und Freiflächen aus. Für die Artenvielfalt der Stadt und die Erholung und Gesundheit der Berliner müssen Grünflächen erhalten bleiben“, sagt Ulrike Kielhorn vom NABU Berlin.

Uwe Hiksch von den Naturfreunden Berlin warnt davor, dem Bauboom noch mehr Grün zu opfern. Eine wachsende Stadt, die ihre wertvollen Grünflächen nicht schütze, verliere Lebensqualität und zerstöre das Stadtklima.

„Der Widerstand gegen Bauvorhaben liegt auch daran, dass die Menschen nicht wissen, wann und wo Schluss ist mit Bauen“, sagt Günter Landgraf vom Landesverband Berlin der Gartenfreunde. Er fordert einen ehrlichen Dialog zwischen Politik und Bürgern. „Es fehlt jede Perspektive. Die Menschen sind nicht gegen Veränderung, sie wollen nur nicht weiterhin im Ungewissen gelassen werden.“

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