Feinstaub-Grenzwerte: Die Luft in Friedrichshain lässt zu wünschen übrig
Am Neujahrstag überzogen Feuerwerk und Böller ganz Berlin mit einer Feinstaubwolke. Deutschlandweit ist aber die Stickstoff-Belastung aus Dieselautos ein noch größeres Problem.
Die Hauptstadt hat 2016 mit einem Rekord begonnen: 256 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft hat kein anderer Ort in Deutschland am 1. Januar 2016 erreicht. Tatsächlich waren die Feinstaubwerte an der Messstation an der Frankfurter Allee in Friedrichshain schon am 31. Dezember deutlich erhöht, weil die Berliner das Böllern so sehr lieben, dass sie schon deutlich vor Mitternacht damit begonnen hatten.
Feuerwerk und Böllerei hüllten an Neujahr die ganze Stadt in eine gesundheitsschädliche Feinstaubwolke. Nur wegen der Feuerwerkerei gehörte die Friedrichshainer Messstation 2015 zu den zweien, bei denen die Feinstaub-Grenzwerte der EU überschritten worden sind. Das geht aus der vorläufigen Auswertung der Luftqualität 2015 hervor, die das Umweltbundesamt (UBA) am Freitag veröffentlicht hat.
Umweltzone hilft
Dabei gab das UBA sogar leichte Entwarnung. Im Vergleich zu früheren Jahren sind die Feinstaub-Grenzwerte deutlich seltener überschritten worden. Womöglich zahlen sich die Umweltzonen aus, die immer mehr Städte eingerichtet haben. Zumindest lassen die Forschungsergebnisse des Leipziger Tropos-Instituts das vermuten.
2011 ist die Leipziger Umweltzone eingerichtet worden, seither dürfen nur noch Autos mit einer grünen Luftschadstoffplakette in die Innenstadt einfahren. Das Tropos-Institut hat gemeinsam mit dem Landesumweltamt Sachsen unter anderem die besonders gesundheitsschädlichen Rußbestandteile des Feinstaubs gemessen und kommt zu dem Schluss, dass „als Folge der Einführung der Umweltzone“ eine deutliche Abnahme des Rußanteils im Feinstaub auf der Straße „um ein Drittel nachgewiesen werden“ konnte.
Das größere Problem für die Luftqualität ist der Stickstoff-Dioxid-Ausstoß. Vor allem Dieselfahrzeuge stoßen große Mengen NO2 aus, was seit dem VW-Abgasskandal inzwischen wohl als allgemein bekannt gelten kann. Die Auswertung der Daten des UBA-Messnetzes ergab, dass vor allem bei den verkehrsnahen Messstationen seit Jahren nahezu unverändert Messwerte vorliegen, die dauerhaft oberhalb des EU-Grenzwertes von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegen. Deshalb hat UBA-Präsidentin Maria Krautzberger schon kurz vor Weihnachten gefordert, dass den Kommunen erlaubt sein müsse, die bestehenden Umweltzonen in Zeiten einer hohen NO2-Belastung auch für Dieselfahrzeuge und Fahrzeuge bis zur Schadstoffklasse Euro 5 zeitweise zu schließen.
„Ich sehe nicht, wie der Diesel in seiner heutigen Form in den hoch belasteten Innenstädten noch eine lange Zukunft haben kann“, sagte sie bei der Vorstellung der Jahresschwerpunkte ihres Amtes vor Kurzem. Krautzberger forderte auch, den Dieselsteuersatz nach und nach dem von Benzin anzupassen. Die Privilegierung des Diesels bei der Energiesteuer kostet den Staat jedes Jahr rund sieben Milliarden Euro Einnahmeverluste, hat das UBA ausgerechnet. Pro Liter kostet Diesel 18,4 Cent weniger Mineralölsteuer als Benzin. Dabei lägen die Umwelt- und Gesundheitsschäden bei 33 Milliarden Euro im Jahr. Das sei mehr als die Schäden, die benzinbetankte Fahrzeuge anrichten.
Stuttgart mit höchsten Stickstoffwerten - Berlin helfen die Wälder
Besonders hoch sind die NO2-Emissionen übrigens in Stuttgart. Darauf hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hingewiesen. In ihrem Auftrag hatte das Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg im Dezember 2015 und in diesem Januar die Belastung der Stuttgarter Luft mit NO2 gemessen.
Der höchste Wert ist am Hauptbahnhof mit 126 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gemessen worden, also mehr als das Dreifache dessen, was die Europäische Union noch für verträglich hält. Am Katharinenhospital haben die Heidelberger demnach 106 Mikrogramm gemessen, und an der UBA-Messstelle am Neckartor, die regelmäßig mit Grenzwertüberschreitungen Schlagzeilen macht, lag der Wert bei 68 Mikrogramm. Die DUH will Baden-Württemberg vor Gericht zu Fahrverboten für Dieselfahrzeuge in Stuttgart bewegen.
In Berlin zumindest gibt es einen Faktor, der die Luft wenigstens ein wenig besser machen kann: den Grunewald, aber auch die anderen städtischen Wälder. Die werden nämlich nach Einschätzung des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND) geradezu vorbildlich bewirtschaftet. Es gibt im Plänterwald in Treptow beispielsweise ein Waldstück, das schon seit vielen Jahren einfach sich selbst überlassen bleibt. Die Berliner Wälder tragen das FSC-Siegel, das von der Umweltstiftung WWF und der Forstwirtschaft entwickelt worden ist und eine umweltfreundliche Bewirtschaftung verlangt.
BUND beklagt wirtschaftliche Verwertung der Wälder
Warum das vielen Forstverwaltungen immer schwerer fällt, hat BUND-Chef Hubert Weiger am Freitag bei der Vorstellung des BUND-Waldreports 2016 mit dem zunehmenden wirtschaftlichen Druck auf die Wälder erklärt. Die Nachfrage nach Holz, vor allem Brennholz, sei deutlich gestiegen, analysiert Weiger. Er fordert, die Vorgabe aus der deutschen Biodiversitätsstrategie, dass bis 2020 mindestens fünf Prozent der Waldfläche einer natürlichen Entwicklung überlassen werden, auf zehn Prozent erhöht wird.
Dass er damit die Waldbesitzerverbände geschlossen gegen sich aufbringt, ist Weiger bewusst. Die haben gemeinsam mit dem Bauernverband vor wenigen Tagen auf der Grünen Woche erklärt, die fünf Prozent Fläche seien schon erreicht. Das Thünen-Institut, das zum Landwirtschaftsministerium gehört, habe sogar 5,6 Prozent Waldfläche ermittelt, die dauerhaft nicht bewirtschaftet würde. Jeder Prozentpunkt nicht bewirtschafteter Waldfläche koste die Waldbesitzer rund zwei Milliarden Euro Einnahmeausfälle, argumentiert der Forstwirtschaftsrat.