Umweltschutz in Berlin: Dicke Luft: Umwelthilfe verklagt Senat
Die Deutsche Umwelthilfe hat Klage gegen den Senat eingereicht, weil die Luft in Berlin zu dreckig ist. Vergleichbare Prozesse in anderen Städten waren erfolgreich.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) erhebt Klage gegen den Berliner Senat. Das Verwaltungsgericht soll die Behörden verurteilen, „geeignete Maßnahmen“ zu ergreifen, damit die EU- Grenzwerte für Luftschadstoffe eingehalten werden – und zwar kurzfristig. Da vor allem die Belastung mit Stickstoffdioxid (NO2) zu hoch ist, zielt die Klage auf Beschränkungen für Dieselfahrzeuge.
Das Verwaltungsgericht bestätigte den Eingang der Klage. Es hatte Anfang des Jahres bereits zugunsten eines Anwohners der Berliner Allee in Weißensee entschieden, der wegen der massiven Luftverschmutzung dort Tempo 30 rund um die Uhr gefordert hatte. Gegen dieses Urteil geht die Verwaltung allerdings nun beim Oberverwaltungsgericht vor. Die aktuelle Klage solle die Verwaltung zwingen, den Luftreinhalteplan so zu ändern, dass die Grenzwerte sicher eingehalten werden, sagte der Anwalt Peter Kremer, der die Umwelthilfe vertritt.
Dazu gebe es etablierte Bewertungsverfahren. Das Land Berlin könne zwar ohne den Bund keine neue Umweltplakette einführen, sehr wohl aber Fahrverbote für besonders belastete Straßen verhängen – etwa Sperrungen für Lastwagen oder abwechselnd für Dieselfahrzeuge mit geraden und ungeraden Kennzeichen. Das kennt man bisher eher aus China, aber Kremer ist überzeugt, dass solche Verbote vor Gericht bestand hätten: Der Europäische Gerichtshof stelle den Gesundheitsschutz klar über alle anderen Interessen. Kremer sprach von einem „sozialpolitischen Problem: Leute mit dicken Diesel-SUVs fahren aus ihren guten Wohngegenden in die City und verpesten dort die Luft für jene, die sich keine bessere Wohnlage leisten können“.
Priorität des Gesundheitsschutzes
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch sagte, Berlin sei in der Vergangenheit – insbesondere mit der Durchsetzung der Umweltzone – vorbildlich gewesen, habe aber nachgelassen. „Es reicht nicht, sich auf alten Lorbeeren auszuruhen: Wenn ich mir die Taxis und die Sightseeing-Busse hier anschaue, muss ich sagen: Berlin tut nicht genug.“
Die Umweltverwaltung teilte mit, dass ihr die Klageschrift bisher nicht vorliege. Es gebe lediglich einen Schriftwechsel mit dem Anwalt der DUH. Die NO2-Werte speziell am besonders belasteten Hardenbergplatz seien dank modernerer BVG-Busse bereits gesunken. Im seit 2011 geltenden Luftreinhalteplan stünden 35 weitere Maßnahmen mit ähnlicher Intention. Auch werde der Luftreinhalteplan bereits aktualisiert, aber für die Bewertung des Straßenverkehrs brauche man noch Daten vom Umweltbundesamt – insbesondere im Lichte des Abgasskandals und der überhöhten NO-2-Werte vieler neuer Fahrzeuge.
"Sobald die durch die Bundesregierung zugesagten Daten zu den realen Fahremissionen von Diesel-Fahrzeugen vorliegen, können weitere Maßnahmenoptionen wie z.B. die weitere Modernisierung der Fahrzeugflotte durch alternative Antriebssysteme (Elektro-, Hybrid-, Gasantrieb), Verbesserung des Verkehrsflusses, stadtverträgliche Geschwindigkeiten, Verkehrsvermeidung und weitere Verlagerung auf Öffentlichen Verkehr und Rad und, falls erforderlich, die stufenweise und mittelfristige Einführung von Verkehrsbeschränkungen auf ihre Wirksamkeit hin analysiert werden", teilt die Verwaltung auf Nachfrage mit.
Umwelthilfe: "Wir können nicht verlieren"
Aus Sicht des DUH-Chefs „können wir die Verfahren nicht verlieren“ – dank der Priorität des Gesundheitsschutzes. Bisher seien Verantwortliche in 17 Städten verklagt worden. Sechs Urteile seien rechtskräftig, keinen Fall habe die Umwelthilfe verloren. Anders als der teils von weither importierte Feinstaub stammt die NO2-Belastung ganz überwiegend aus dem lokalen Straßenverkehr.
Die Messdaten beweisen das: Der Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft wird an allen Straßenmessstellen überschritten, während er abseits davon eingehalten wird. Im äußersten Fall – vermutlich aber erst in mehreren Jahren – könnte Berlin zu hohen Strafzahlungen verurteilt werden. Zumal die Hauptstadt bereits von einem Vertragsverletzungsverfahren betroffen ist, das die EU-Kommission wegen der NO2-Überschreitungen gegen zahlreiche Regionen eingeleitet hat.
Stefan Jacobs