Schröder und Russland: Lehren aus der Schröder-Rosneft-Saga
Der Reputationsschaden für die deutsche Demokratie ist nach Schröders Engagement bei Rosneft groß. Es ist höchste Zeit für eine rechtliche Neuregelung. Ein Gastbeitrag.
Letzte Woche nominierte der russische Premier Medvedev Altbundeskanzler Gerhard Schröder für einen Posten als “unabhängiges Mitglied” im Aufsichtsrat von Rosneft, dem größten und staatlich kontrollierten russischen Ölkonzern. Es ist der bislang spektakulärste Fall des Anheuerns eines westlichen Ex-Regierungschefs bei einem autoritären Staat, der das Gegenmodell zur freiheitlichen Demokratie verkörpert. Der ehemalige britische Premier Tony Blair verkaufte seine Beratungsdienste an zentralasiastische Diktatoren. Schröder selbst ging 2005 nach seiner Abwahl bei Gazprom unter Vertrag. Doch sein Rosneft-Engagement ist noch einmal um einiges unverfrorener. Schröder heuert an, obwohl Rosneft und der CEO Igor Sechin mit westlichen Sanktionen belegt sind. Diese Sanktionen bestehen aus gutem Grund: Der Konzern ist kein Privatunternehmen, sondern ein Kerninstrument für Putins Machterhalt. Das Unternehmen konnte seine Größe nur erreichen, indem es vom Staat Vermögenswerte des zerschlagenen Yukos-Konzerns des in Ungnade gefallenen und später inhaftierten Mikhal Khodorkovsky übernahm.
Deutschland braucht rechtliche Schranken für Spitzenpolitiker
Dass Schröder dennoch in Rosnefts Dienste tritt, ist deshalb umso schädlicher für den Ruf seiner Partei, der SPD, sowie des Amtes des Bundeskanzlers und der deutschen Demokratie. Es ist höchste Zeit, rechtliche Schranken einführen, die ein solch schädliches Verhalten in Zukunft verhindern. Der Fall des Ex-Bundespräsidenten Christian Wulff, der sich diesen Monat von einem türkischen Modeunternehmen mit Prokura ausstatten ließ, zeigt, dass dies in Deutschland besonders dringlich ist. Deutsche Ex-Spitzenpolitiker sind aufgrund des Status als stärkste Wirtschaft Europas besonders attraktiv sind für Unternehmen und ausländische Mächte. Dem sollte ein rechtlicher Riegel vorgeschoben werden. Vor Ableistung des Amtseids sollte jeder Bundeskanzler und Präsident eine rechtliche Verpflichtung unterzeichnen, nie (in welcher Kapazität auch immer) in Dienste von Unternehmen oder ausländischen Mächten zu treten. Im Gegenzug erhalten sie eine auskömmliche Pension. Der Ehrensold des Bundespräsidenten (über 200.000 EURO pro Jahr) ist vollkommen ausreichend. Die Ruhebezüge von Altbundeskanzlerinnen sollten auf dieses Niveau angehoben werden. Gegenwärtig sind sie niedriger, abhängig von der Amtszeit. Schröder etwa bekommt gut 100.000 EURO im Jahr. Ähnliche Regeln sollten auch für Minister gelten.
Mit einem auskömmlichen Ruhegehalt ausgestattet, bleiben nur Habgier und Neid (auf Unternehmensführer mit Millionen-Ruhestandsbezügen) als finanzielle Motive, um sich von Unternehmen oder fremden Mächten vergüten zu lassen. Schröder etwa wird nach eigenen Angaben für seinen Rosneft-Posten knapp 300.000 EURO im Jahr erhalten. Zum Sichern eines angemessenen Lebensstils braucht er das Geld sicherlich nicht. Und falls das Verlangen besteht, die eigenen Talente weiterhin aktiv einzubringen: würde sich Schröder schlechter fühlen, wenn er als Sonderbeauftragter mit Erfahrung und Kontakten politische Prozessen der Vereinten Nationen oder EU unterstützte oder gemeinnützigen Initiativen unter die Arme griff? Altbundespräsident Köhler, der in seiner Amtszeit schon ein starkes Augenmerk auf den afrikanischen Kontinent legte, wurde gerade UN-Sonderbeauftragter für die Westsahara. Dies zeigt: an dem Gemeinwohl dienenden sinnvollen Aufgaben mangelt es nicht für Elder States(wo)men.
Weniger Habgier und Neid täten der Demokratie gut
Eine Folge einer solchen rechtlichen Regelung wäre, dass die Drehtür zwischen Regierungsaufgaben und Privatwirtschaft um einiges schwergängiger würde. Auch wenn man dies negativ bewertet, muss man dies in Kauf nehmen. Denn der Preis der gegenwärtigen laxen Praxis, nach der sich Spitzenpolitiker an Unternehmen und autoritäre Mächte verkaufen können, ist für die Reputation unserer Demokratie weit höher.
Gleichzeitig ist es wichtig, keine falschen Schlüsse zu ziehen, was Schröders neuer Job für die sozialdemokratische und deutsche Russlandpolitik bedeutet, insbesondere mit Blick auf eine gemeinsame transatlantische Sanktionspolitik. Der Altkanzler hat keinen signifikanten Einfluss auf die Russlandpolitik. Das weiß auch der Kreml. Der hat sich Schröders Dienste nicht gesichert, weil er glaubt, dass der Ex-Kanzler etwa für das Ende der für Russland sehr schädlichen Sanktionen sorgen kann. Moskau sichert sich Schröders Dienste vor allem aus Image- und Legitimationsgründen. Der Aufsichtsratsposten des deutschen Altkanzlers dient dazu, ein Kronjuwel von Putins autoritärem Staatskapitalismus zu legitimieren. Gleichzeitig hilft es Putins Ziel, westliche Demokratien zu delegitimieren. Die Botschaft ist: „Seht her, Eure politischen Führer sind auch käuflich“ und auch nicht besser als Putin und andere kleptokratischen Titanen. Schröder ist damit ein willfähriges Instrument für die Imagepolitik des Kreml.
Schröders politischer Einfluss ist begrenzt
Aber Schröder ist nicht der Strippenzieher der deutschen Russlandpolitik. Selbst in der SPD ist sein Einfluss sehr begrenzt. Für die Partei sind seine Bezüge aus Russland eine Bürde – und nichts, das die Führungsriege oder Parteibasis schätzt. Dass Schröder beim SPD-Parteitag im Juni viel Applaus erhielt, hat andere Gründe. Schröder ist immer noch ein talentierter Redner und bringt zwei für den aktuellen Wahlkampf wichtige Dinge mit. Erstens die Erfahrung, 2005 gegen Angela Merkel einen mehr als 20-Punkte-Rückstand in den Umfragen mit einem kämpferischen Wahlkampf innerhalb weniger Wochen in einen „gefühlten Sieg“ gedreht zu haben. Und zweitens das Pfund, sich mit klarer Kante gegen falsche Politiken aus dem Weißen Haus gestellt zu haben, etwa mit Blick auf den Irak-Krieg, den die damalige Oppositionsführerin Merkel klar befürwortete.
Doch mit seinem Rosneft-Engagement ist Schröder zur Belastung für die SPD im Wahlkampf geworden. Es ist deshalb klug, dass sich Martin Schulz zunehmend klar von Schröders Russlandaktivitäten distanziert, die (anders als der Kanzlerkandidat anfangs behauptete) alles andere als eine „Privatsache“ sind. In jedem Fall gilt: wirklich putinfreundliche Positionen sind in der SPD vor allem bei Politikrentners wie dem ehemaligen Ministerpräsidenten Brandenburgs, Matthias Platzeck, anzutreffen. Die aktuelle Führungsriege, von Außenminister Gabriel über Frank-Walter Steinmeier bis hin zu Spitzenparlamentariern wie Rolf Mützenich und Niels Annen, haben sich jeglicher Illusionen mit Blick auf die Natur von Putins Regime entledigt. Deshalb hat die SPD bislang auch konsistent die Russlandsanktionen mitgetragen, so lange es keinen signifikanten Fortschritt auf russischer Seite bei der Umsetzung des Minsker Abkommens gibt.
CSU und FDP ecken mit Russlandfreundlichkeit an
Gleichzeitig vertritt die SPD die Notwendigkeit einer Entspannungspolitik mit Russland als Europas Nachbarn. Doch dies ist eine Mainstream-Position in der deutschen Öffentlichkeit und hat nichts mit Schröder oder einer Affinität zu Putin zu tun. Und in jedem Fall vertreten mit der CSU und FDP zwei von Merkels wahrscheinlichen Koalitionspartnern Positionen, die als putinfreundlicher als der SPD-Mainstream herüberkommen. Horst Seehofer forderte im Januar ein Ende der Sanktionen zum Ende des Jahres sowie eine Wiederaufnahme Russlands in die G8. Und in einem selbststilisierten „Tabubruch“ sprach Christian Lindner jüngst von der russischen Krim als „permanentem Provisorium“.
Ironischerweise kommt die größere Gefahr für transatlantische Einigkeit bei der Sanktionspolitik aus den USA. Die letzte Runde der vom US-Kongress verabschiedeten Sanktionen kommen auch bei sehr putinkritischen Stimmen in Deutschland (beispielsweise der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger) als kaum kaschierte Exportförderung für US-Flüssigerdgas auf Kosten deutscher und europäischer Unternehmen an. Das gefährdet die deutsche Unterstützung für die Sanktionspolitik weit mehr, als Schröder selbst als Handlanger des Kreml sich dies je erträumen könnte.
Thorsten Benner ist Direktor des Global Public Policy Institute (GPPi) in Berlin.
Thorsten Benner