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Vor der Operation. Hamburg und Bayern wollen einen Fonds für die Opfer von Behandlungsfehlern.
© picture alliance / dpa

Patientenrechte: Länder fordern Fonds für Opfer von Behandlungsfehlern

Trotz Patientenrechtegesetz stehen die Opfer von Behandlungsfehlern oft ohne Hilfe da. Hamburg und Bayern starten deshalb nun eine Bundesratsinitiative.

Die Grünen im Bundestag werfen der Regierungskoalition vor, sich nicht genügend um die Opfer von Behandlungsfehlern zu kümmern. „Nach fast vier Jahren Patientenrechtegesetz hat sich materiell für Geschädigte noch viel zu wenig getan“, sagte deren gesundheitspolitische Sprecherin, Maria Klein-Schmeink, dem Tagesspiegel. Die Landesregierungen in Hamburg und Bayern sehen das offenbar ähnlich. Sie kündigten am Dienstag eine gemeinsame Bundesratsinitiative zur Einführung eines bundesweiten Fonds für die Opfer von Behandlungsfehlern an.

"Eine Lücke im Gesetz"

Vielen Betroffenen gelinge es „nicht mit ausreichender Sicherheit nachzuweisen, dass ein Behandlungsfehler ursächlich für einen Gesundheitsschaden ist“, sagte Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks. Das Patientenrechtegesetz sei „gerade in diesem Punkt hinter dem Notwendigen zurückgeblieben“, so die SPD-Politikerin. „Diese Lücke wollen wir mit unserem gemeinsamen Vorstoß schließen.“

Folgt der Bundesrat dem Antrag, wird die Bundesregierung aufgefordert, den angestrebten Fonds für Härtefälle in Form einer bundesunmittelbaren Stiftung öffentlichen Rechts einzurichten. Um den Gesetzentwurf zu erarbeiten, empfehlen die Länder die Gründung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe.

Entschädigung von bis zu 200.000 Euro

Einspringen soll der Fonds den beiden Ländern zufolge, „wenn überwiegend wahrscheinlich Behandlungs- und Organisationsfehler oder unbekannte Komplikationen bei einem Eingriff zu einem erheblichen Schaden geführt haben“. Dabei soll aber auch die individuelle Belastung der Betroffenen eine Rolle spielen. Vorgesehen ist, die Entschädigungssumme auf 100.000 Euro zu begrenzen. Im Ausnahmefall könnten maximal 200.000 Euro gewährt werden, hieß es.

Das Konzept für den Härtefallfonds stammt von den Bremer Rechtswissenschaftlern Dieter Hart und Robert Francke. Es orientiert sich an schon länger bestehenden Fondsmodellen, unter anderem in Österreich und Frankreich. Dennoch würde mit einer solchen Einrichtung auch gesundheitspolitisches Neuland beschritten, betonte die Hamburger Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz. Deshalb schlügen die Gutachter vor, den Fonds zunächst auf zehn Jahre zu befristen und wissenschaftlich zu begleiten.

Gesundheitsministerium sieht keinen Handlungsbedarf

Bisher sei die Bundesregierung „zu keinerlei wirklichen Verbesserungen für Patientinnen und Patienten bereit“, kritisierte auch die Bundestagsabgeordnete Klein-Schmeink. Den Beleg dafür sieht sie in der Antwort von Gesundheitsstaatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf eine Kleine Anfrage der Grünen. „Gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht derzeit nicht“, heißt es darin. Das bezieht sich sowohl auf gesetzliche Beweiserleichterungen als auch auf die Idee eines Härtefallfonds für schwer Geschädigte. Beides soll laut Regierung nicht weiter verfolgt werden.

Dabei kennt das Gesundheitsressort nach eigenen Angaben nicht einmal die genaue Zahl der Betroffenen, sie bezieht sich dabei lediglich auf die lückenhaften Statistiken von Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern sowie des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen.

Kein Überblick über die Zahl der Betroffenen

Die Regierenden wissen demnach nicht, wie viele Behandlungsfehler in den vergangenen Jahren anerkannt wurden und wie viele Schadenersatzklagen überhaupt vor Gerichten landen. Sie haben weder Daten darüber, wie oft Patienten die Einsichtnahme in ihre Patientenakte verwehrt wird noch wie oft Ärzte ihre Aufklärungspflicht vernachlässigen.

Zudem fehlt ihnen der Überblick, wie viele in der Branche überhaupt haftpflichtversichert sind. Nach geltendem Recht sind zwar alle Leistungserbringer im Gesundheitswesen zum Abschluss einer solchen Versicherung verpflichtet. Auf eine Nachweispflicht hat die Koalition aber - anders als etwa bei Rechtsanwälten - ebenso verzichtet wie auf eine aufsichtsrechtliche Überwachung.

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