Mehr Behandlungsfehler registriert: Krankenkassen fordern Meldepflicht bei Ärztepfusch
4064 Behandlungsfehler stellten die Krankenkassen 2015 fest - fast jeder vierte Verdacht hat sich demnach bestätigt. Das sind nicht alle Fälle, denn ein Zentralregister fehlt.
Wieder haben bundesweit mehr Patienten auf mögliche Behandlungsfehler aufmerksam gemacht. Und wieder haben die zuständigen Krankenversicherungen auch mehr Fälle als Pannen anerkannt. Die Zahl der 2015 von den Medizinischen Diensten der Krankenkassen (MDK) festgestellten Fehler in Kliniken, Praxen und Heimen stieg um 268 auf 4064 Fälle. Geprüft wurden 15.000 Beschwerden. Die Quote der festgestellten Pannen in Berlin und Brandenburg war dagegen leicht rückläufig.
Nur "Spitze des Eisberges"
Doch die genannten Zahlen seien – wie seit Jahren – ohnehin nur die „Spitze des Eisberges“, teilten die MDK am Donnerstag in Berlin mit. Niemand weiß, zu wie vielen Fehlern es in OP-Sälen, Praxen und Pflegeheimen tatsächlich kommt: Nicht alle Betroffenen merken, wenn etwas schieflief. Nicht jeder Patient beschwert sich und wenn doch, landet der Fall nicht immer bei den MDK. Auch 2015 haben sich wohl Zehntausende direkt an diverse Beschwerdestellen der Ärzteschaft, private Versicherungen und einzelne Kliniken gewandt.
Meldepflicht für Behandlungsfehler gefordert
„Die Sicherheitskultur in Deutschland ist noch unterentwickelt“, sagte der Vize-Chef des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes der Kassen, Stefan Gronemeyer. „Wir brauchen eine Meldepflicht für Behandlungsfehler.“ Anders sei es nicht möglich, einen Überblick zu gewinnen, wer wo und wie geschädigt wurde. Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte ein Zentralregister. In den USA gibt es das schon.
Seit 2013 gilt in Deutschland das Patientenrechtegesetz, das Kassen verpflichtet, Versicherte bei Ansprüchen nach Fehlern zu unterstützen. Die MDK-Experten wissen folglich, dass nicht die Zahl der Kunstfehler zunimmt, sondern die der aktenkundigen Fälle – weil die Patienten sich ihrer Rechte bewusster werden. Die meisten Fehler passierten bei Operationen, was damit zusammenhängt, dass Patienten dabei sensibler sind, als bei einem Routinebesuch beim Hausarzt. In der Pflege hat sich trotz Personalmangels vieles verbessert. Dort aber lässt die Rechtsprechung zuweilen Beweiserleichterungen zu – etwa bei Druckgeschwüren –, weshalb Pflegefehler oft anerkannt werden.
Kleinkind verschluckt Batterie - und Ärzte verplempern wertvolle Zeit
Pannen können aber auch so aussehen: Ein Kleinkind bei Berlin verschluckt eine Batteriezelle. In einer nahen Klinik wird es geröntgt, die Ärzte sagen, die Batterie stecke im Magen. Das Röntgenbild lässt sich wegen technischer Probleme nicht ausdrucken. Eltern und Kind sollen ohne Röntgenbild in eine Klinik fahren, in der routinemäßig Fremdkörper mittels Kinderendoskop entfernt werden. Die Ärzte der zweiten Klinik röntgen lieber noch mal – was Extrazeit kostet. Sie finden die 1,5-Zentimeter-Batterie auch nicht im robusteren Magen, sondern in der empfindlicheren Speiseröhre. Dort gab es dann schon Verätzungen.
Berliner MDK: Wir kooperieren mit Kliniken
Der Berliner MDK-Chef Axel Meeßen sagte am Donnerstag: „Wir kooperieren aber mit immer mehr Kliniken.“ Es gehe dabei oft um die Prozessabläufe und die Kommunikation zwischen den Ärzten. Auch die Volkssolidarität, die Pflegeheime betreibt, teilte mit: „Behandlungsfehler entstehen häufig durch die fehlende Kommunikation zwischen Haus- und Facharzt.“ Es bestehe die Gefahr ungewollter Doppelbehandlungen – gerade bei älteren Patienten. Grundsätzlich allerdings gilt: Mehr als eine Milliarde Besuche in Kliniken und Praxen gibt es jedes Jahr in Deutschland. Gemessen daran ist die Zahl der Pannen gering.
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