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Sigmar Gabriel (SPD) und Angela Merkel (CDU) und ihre Parteien stehen vor großen Herausforderungen, wenn sie weiter Volksparteien bleiben wollen.
© Fabrizio Bensch/Reuters

AfD-Erfolge bei Landtagswahlen: Kurs halten - und aushalten

Die AfD ist zur Herausforderung für die etablierten Parteien geworden: Die Mittelschicht ist wieder politisiert. Sie müssen SPD und CDU zurückgewinnen.

Und nun ist es so gekommen. Oder anders: Da ist ein bisher eingegrenztes Phänomen übers Land gekommen. Die „Alternative für Deutschland“ ist so stark geworden, ungeachtet der regionalen Abstufungen, dass sich die sogenannten Volksparteien – bisher so genannt – fragen müssen, wie sie darauf reagieren wollen. Schnell sogar. Denn was geschehen ist, trifft nicht nur eine, sondern beide, CDU wie SPD.

Die AfD ist rechts der Mitte verortet – aber wird nicht nur von rechts gewählt. Wer das jetzt noch behauptet, der will die Abwehr der Rechtspopulisten bloß der Union überhelfen. Soll die doch sehen, wie sie damit zurechtkommt? Vorbei. Die Linken, gleich ob Linkspartei oder Sozialdemokraten, sind genauso betroffen. Die Übereinstimmungen von AfD’lern in manchen Punkten mit der Einschätzung von, sagen wir, Sahra Wagenknecht ist länger schon frappant.

Wäre das Ergebnis im Ganzen nicht so erschütternd, Sigmar Gabriel, der SPD-Vorsitzende, könnte sich bestätigt sehen. Die Ausdifferenzierung der Parteienlandschaft an ihren Rändern lässt sich mit seinem Kurs eines neuen Sozialpakts nicht (mehr) so schnell grundlegend verhindern – aber nötig ist es trotzdem, denen, die jetzt im Widerspruch groß geworden sind, Angriffsflächen zu nehmen. Angriffsflächen, die ja, wie an den Ergebnissen zu sehen ist, Projektionsflächen für grassierenden Unmut sind.

Die große Koalition muss jetzt Integrationspolitik machen - für alle

Will heißen: Der noch amtierenden „großen Koalition“ im Bund wird durch diese Wahlen noch größere Verantwortung für eine Politik aufgeladen, die bis ins kleine Konkrete geht. Nennen wir es Integrationspolitik, allerdings eine, die Flüchtlingsintegration einbettet in eine gesamtgesellschaftliche Kraftanstrengung. Und anstrengend wird es, weil die finanziellen Verteilungsspielräume vom Gesetz und der Wirklichkeit bestimmt werden. Neue Schulden sind verboten, in der Verfassung wie zum Wohl künftiger Generationen. Umschichtungen in einem Hunderte-Milliarden-Etat aber kann es geben, und zwar zugunsten eines differenzierten Investitionsprogramms.

Störe sich jetzt keiner an dem Wort, das aus früheren Zeiten für manche aufgeladen sein mag. Gemeint ist genau das: Da geht es um die, die sich auf dem Land abgehängt fühlen; und die, die sich in den urbanen Zentren als nicht ausreichend bedacht ansehen. Angesichts der Flüchtlingssituation, die sich noch einmal verschärft hat, sind das Hunderttausende. Von denen viele, viele wieder zur Wahl gegangen sind.

Die Mittelschicht ist wieder politisiert

Hier geht es folglich nicht um Prekariatspolitik, sondern um eine, die bis weit hinein in die Mittelschicht reicht. Nun hat, richtig, diese Koalition im Bund schon ziemlich viel Mittelschichtspolitik gemacht, Mütterrente, Mindestlohn, kurz: viel Andrea Nahles. Aber das muss jetzt, eben weil die Veränderungen in Deutschland manifest geworden sind, noch einmal verstärkt werden. Ein Sozialpakt als Solidarpakt. Um die wieder Politisierten zurückzugewinnen.

Daran müssen CDU und SPD gleichermaßen ein Interesse haben. Beide sind verwurzelt in dem Wählermilieu, in dem das Programm ankommen würde. Die Schere zwischen Arm und Reich: weit offen. Es gibt große Lücken bei den Staatseinnahmen. Das Geld aber wird gebraucht, für Investitionen in Bildung und öffentliche Infrastruktur. Das Programm heißt, kurz gefasst: Kurs halten. Und aushalten. Es kann sich auszahlen.

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