Angela Merkel sucht einen Bundespräsidentenkandidaten: Kretschmann könnte Überraschungskandidat werden
Im Poker um die Nachfolge von Joachim Gauck als Bundespräsident könnte es eine Überraschung geben: Würde Winfried Kretschmann von der Union unterstützt, hätte Frank-Walter Steinmeier keine Chance.
Es gibt diese nervösen Momente im politischen Berlin, da wird aus einem Routinegespräch ein Geheimtreffen und aus einer saarländischen Ministerpräsidentin flugs eine Kandidatin für noch weit höhere Weihen. Am Montag in der Frühe fährt Annegret Kramp-Karrenbauer zum Konrad-Adenauer-Haus. Sie kommt eine gute Stunde vor dem Treffen des CDU-Präsidiums, und einige Kamerateams bemerken die frühen Besucher. Sofort läuft die Gerüchtemühle an: Was kann AKK, wie die Frau der Kürze halber alle nennen, mit Angela Merkel so lange zu bereden haben? Der Angela Merkel, die am Abend vorher mit Sigmar Gabriel und Horst Seehofer über die Bundespräsidentenkandidatur gesprochen hat?
Vier Stunden später nimmt CDU-Generalsekretär Peter Tauber aus der Spekulation mächtig Luft raus. Es komme eben vor, dass eine Spitzenkandidatin für eine Landtagswahl mit der Parteichefin und dem Generalsekretär etwas vorzubesprechen habe, sagt Tauber. Tatsächlich wird an der Saar bald gewählt, am 26. März. „Das ist der Grund des Gesprächs“, sagt Tauber. Was zwar im Wortsinn nicht ausschließt, dass die beiden Frauen auch die Präsidentenfrage gestreift haben. Aber für eine Indizienkette taugt der Vorgang jetzt plötzlich nicht mehr ganz so perfekt.
Ansonsten gibt Tauber nur bekannt, dass sich die drei Parteivorsitzenden in Sachen Gauck-Nachfolge am Freitag wiedertreffen und dass nichts ausgeschlossen sei. Auch nicht, dass die Union den SPD-Lieblingsbewerber Frank-Walter Steinmeier als gemeinsamen Kandidaten akzeptiert, wie es ihr SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann gerade wieder nahelegt? „Nein“, sagt Tauber.
Lammert macht es nicht - Steinmeier könnte die CDU wählen
Tatsächlich ist im CDU-Präsidium über diese Variante gesprochen worden, nachdem vorher allseits Bedauern darüber geäußert wurde, dass Norbert Lammert nicht ins Rennen gehen will. Merkel hatte den Bundestagspräsidenten im Vorfeld des Parteichef-Treffens erneut gefragt, aber er blieb dabei: Ich bin dafür nicht der Richtige. Lammert nahm das Bedauern im Präsidium zur Kenntnis. „Er ist jetzt wirklich raus“, sagt einer, der dabei war.
Für Merkel wäre der Bundestagspräsident ein idealer Kandidat gewesen. Im Amt war er so unparteiisch, dass er über die Union hinaus wählbar war. Außerdem hätte er es dem SPD-Chef Gabriel ermöglicht, ohne Gesichtsverlust seinen Vorschlag Steinmeier zurückzuziehen.
Steinmeier macht doch schon einige Jahre auf Bundespräsident. Er warnt ständig vor allem möglichen, ist besorgt und bewirkt nichts.
schreibt NutzerIn eurorentner
Denn der Außenminister ginge ein Risiko ein, stellte er sich einer Kampfkandidatur. Selbst ein geschlossenes rot-rot-grünes Votum würde für die nötige absolute Mehrheit in den ersten beiden Wahlgängen nicht reichen. Im dritten Wahlgang genügt die einfache Mehrheit. Da hätte ein quasi überparteilicher Lammert mindestens die gleichen Chancen.
Das Problem der Union ist nur: Noch ein Lammert ist schwer zu finden. Merkel führt inzwischen eine prominente Absageliste. Auch die von Tauber intern ins Spiel gebrachte frühere Chefin der Stasi-Unterlagenbehörde, Marianne Birthler, hat ihr einen Korb gegeben. Findet die CDU-Chefin nicht in diesen Tagen noch einen Überraschungskandidaten, scheint also alles auf die Adoption des populären SPD-Außenministers durch CDU und CSU hinauszulaufen.
So scheint es. Und so scheint es Gabriel auch am Sonntag seinen beiden Gesprächspartnern vermittelt zu haben: Er sehe nicht, wieso er von Steinmeier abrücken solle, wird der SPD-Chef sinngemäß wiedergegeben.
Könnte Kretschmann mehr Stimmen auf sich vereinen als Steinmeier?
Trotzdem hat Gabriel eingewilligt, die Woche bis zum nächsten Dreier-Gespräch ins Land gehen zu lassen. Vielleicht lag es an einer Rechnung, die ihm Merkel und Seehofer aufgemacht haben dürften. Die Union, sagt ein Insider, habe ja drei Möglichkeiten: Sie trägt Steinmeier mit, sie stellt einen eigenen Kandidaten dagegen – oder sie unterstützt einen Bewerber von dritter Seite.
Einen aus Stuttgart zum Beispiel, weißhaarig, bürgerlich, erklärter Fan der Kanzlerin: Winfried Kretschmann. Ohne dass der Name ausdrücklich fällt, heißt es dazu selbst in der CSU-Spitze: Auch bei den Grünen fänden sich ja Politiker, die mit schwarzen Bayern „kompatibel“ wären. Wenn der baden-württembergische Ministerpräsident bereit wäre, als erster Grüner das erste Amt im Staate anzustreben, hätte Steinmeier schlagartig keine Chance mehr. Denn ein schwarz-grüner Kandidat könnte schon im ersten Wahlgang auf eine satte absolute Mehrheit bauen. „Die Sozialdemokraten müssen jetzt noch mal in sich gehen“, glaubt ein Unionsmann, „und sich ihres Risikos bewusst werden.“