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Sebastian Kurz und Werner Kogler treffen im Oktober zu ersten Sondierungsgesprächen zusammen.
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Regierungsbildung in Österreich: Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und Grüne vor dem Abschluss

Bereits nächste Woche wollen ÖVP und Grüne eine Regierung bilden. Umfragen stützen den Kurs der Parteien. Ist das Bündnis auch ein Fingerzeig für Deutschland?

Die österreichischen Grünen und die konservative ÖVP wollen ihre Koalitionsverhandlungen bis Mitte kommender Woche abschließen. „Die Ziellinie ist noch nicht überschritten, aber die großen Steine auf dem Weg zu einer gemeinsamen Regierung sind von beiden Seiten aus dem Weg geräumt worden“, teilten der konservative Ex-Kanzler Sebastian Kurz und Grünen-Chef Werner Kogler am Sonntag laut der österreichischen Nachrichtenagentur APA in einer gemeinsamen Erklärung mit.

Zwar blieben noch „einzelne wichtige Fragen“ offen, jedoch seien bereits viele „scheinbar unüberbrückbare Hürden“ überwunden worden, erklärte Kogler. Eine Einigung bis Mitte kommender Woche sei möglich. Weder Kurz noch Kogler machten Angaben darüber, welche Punkte geklärt seien und welche noch offen blieben.

Falls die Gespräche über eine Regierungsbildung rechtzeitig zu einem erfolgreichen Ende kommen sollten, werde seine Partei auf einem Parteitag am kommenden Samstag über eine mögliche Regierungsbeteiligung entscheiden, erklärte Kogler. Das Gremium mit fast 300 Delegierten muss einen etwaigen Koalitionsvertrag absegnen. Schon wenige Tage später - im Gespräch ist immer wieder der 7. Januar - könnten dann in Österreich erstmals Grünen-Politiker zu Bundesministern vereidigt werden. Beobachter erwarten, dass die Partei in diesem Fall auf eine strengere Klimapolitik und höhere Ökosteuern dringen wird.

„Wir stehen zwei Tage vor Silvester, diese Zeit und den Jahreswechsel wollen wir noch für einen letzten Feinschliff nutzen“, sagte Kurz der österreichischen Nachrichtenagentur APA. „Einzelne wichtige Fragen sind noch offen und sollen in den nächsten Tagen geklärt werden“, meinte Grünen-Chef Kogler.

„Eine Liebesheirat wird es nicht“

Drei Monate nach der Nationalratswahl scheinen also alle Weichen für eine Koalition von Konservativen und Grünen gestellt, der nicht zuletzt für Deutschland auch Signal-Charakter zugetraut wird. Dabei sind die inhaltlichen Hürden groß. Kurz will keine neuen Steuern, den Anti-Migrationskurs fortsetzen, wirtschaftsnah regieren. Lässt sich das mit den grünen Versprechen für mehr Klimaschutz und Transparenz sowie weniger Kinderarmut verbinden? „Eine Liebesheirat wird es nicht“, meint Politikberater Thomas Hofer. „ÖVP und Grüne bemühen sich um eine gemeinsame Erzählung, aber in der DNA gibt es massive Widersprüche.“

Wenn die Verhandlungen mit den Grünen völlig überraschend doch noch scheitern, wären Gespräche mit SPÖ und FPÖ zu führen. Kurz hat zudem immer wieder auch den Gedanken einer Minderheitsregierung in seinen Statements eingestreut. Die Rechtspopulisten, die bald in der Opposition sitzen könnten, ließen sich noch ein Hintertürchen offen: Falls Schwarz-Grün scheitere, stehe man gerne zur Verfügung, ließ Parteichef Norbert Hofer wissen. Der 48-Jährige ist um einen seriöseren Auftritt der Partei bemüht, „stabil“ und „staatstragend“ wolle die FPÖ künftig wieder sein.

Umfragen bestätigen neue Regierungskoalition

Die aktuellen Umfragen jedenfalls dürften Kurz und Kogler in ihrem Werben um eine Koalition bestärken. ÖVP und Grüne legten in der Sonntagsfrage zuletzt zu und könnten ihre Ergebnisse vom Wahltag Ende September voraussichtlich leicht verbessern, die Kurz-Partei sogar die 40-Prozent-Hürde überspringen. Ein Bündnis von ÖVP und Grünen ist mit einer Zustimmung von 28 Prozent die derzeit beliebteste Koalitionsoption in der Alpenrepublik.

Die Grünen und die konservative ÖVP waren als die großen Gewinner aus der Parlamentswahl von Ende September hervorgegangen. Die rechtspopulistische FPÖ, die zuvor mit Kurz' ÖVP eine Koalition gebildet hatte, wurde unter anderem wegen der Ibiza-Affäre um ihren Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache abgestraft. Auch die sozialdemokratische SPÖ hatte herbe Verluste hinnehmen müssen (21,2 Prozent) und stecken, auch nach weiteren Niederlagen bei Landtagswahlen, in einer tiefen Krise. (AFP,dpa,Tsp)

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