Klimagipfel in Polen: Kleine Schritte gegen die große Wärme
In Kattowitz treffen sich Vertreter von fast 200 Staaten. Gestritten wird dort vor allem über den CO2-Ausstoß.
2018 hatte eine Hitzewelle die ganze Welt im Griff. Es kam zu Dürren in Amerika, Europa, Asien und Afrika. Das sei nur ein Vorgeschmack auf die fortschreitende Erderwärmung, warnen Wissenschaftler. Auf der Klimakonferenz im polnischen Kattowitz geht es jetzt darum, die Krise abzuwenden.
Regeln für den Klimaschutz
Drei Jahre nach der Klimakonferenz in Paris soll das dort beschlossene Abkommen mit einer Art Gebrauchsanweisung vollendet werden. In Kattowitz wollen die Vertragsstaaten festlegen, aufgrund von welchem Basisjahr die Emissionen von welchen Klimagasen wann berichtet und wie genau diese gemessen werden. Das hört sich einfacher an, als es ist, denn die Antworten sind auch politisch: Manche Nationen wollen sich bei diesem umstrittenen Thema nicht so genau in die Karten schauen lassen und Entwicklungsländer haben oft nicht das Know-how, um die Berichtspflichten zu erfüllen.
Zweiter großer Punkt ist der sogenannte Talanoa-Dialog. Es ist die erste Bestandsaufnahme seit Paris um festzustellen, wie gut die Staaten beim Senken der Klimagase vorangekommen sind. Hier sieht es schlecht aus: Der Ausstoß von CO2 ist zuletzt wieder gestiegen und trotz der bisherigen Zusagen läuft die Welt auf eine Erwärmung von mehr als drei Grad zu. Aber erst 2020, so steht es im Abkommen, müssen die Vertragsstaaten neue Minderungsziele auf den Tisch legen.
Schließlich geht es um die Finanzierung von Klimaschutz in den Entwicklungsländern. Diese verlangen zu Recht Unterstützung für die Anpassung an die Klimakrise, die sie nur zu einem kleinen Teil selbst verursacht haben. Doch die Folgen aus der Krise sind für sie extrem: Länder wie Äthiopien und Somalia leiden wegen des Klimawandels unter monatelangen Dürren. Inselstaaten drohen wegen des steigenden Meeresspiegels unterzugehen.
Gastgeber Polen setzt auf Kohle
Polen ist zum vierten Mal Gastgeber einer Weltklimakonferenz. Auch Michal Kurtyka, polnischer Vize-Umweltminister und Präsident der Klimakonferenz, hat Erfahrung: Er verhandelte den Beitritt Polens zur Europäischen Union. Kurtyka hat im Vorfeld deutlich gemacht, dass es mit ihm einen erhobenen Zeigefinger nicht geben werde. Er will die Sorgen der Entwicklungsländer ernst nehmen. Problematisch wird die Frage, wie die Welt ihre Abhängigkeit von Kohle, Öl und Gas reduzieren kann. Ein heikles Thema für den Gastgeber: Polen hat einen Anteil von 78 Prozent Kohle an der Stromerzeugung. Die nationalkonservative PiS-Regierung hält an der Kohle fest, obwohl der Energieträger in der Förderung immer teurer wird und damit Strompreise für Industrie und Haushalte steigen. Doch der Druck der Gewerkschaften im Land ist groß. Die Kohlewirtschaft gibt 82 000 Polen Arbeit. Die Verbindung Polens zur Kohle geht so weit, dass das Sitzmuster der Kattowitzer Tram Kohlefördertürme zeigt. Die Regierung hat Kattowitz als Ort der Klimakonferenz dennoch bewusst ausgewählt. Der Wandel weg von der Kohle fängt hier gerade an. Die Stadt setzt immer mehr auf Kultur und das lockt vermehrt Touristen in die Stadt.
Die EU will bis 2050 klimaneutral werden
Die EU geht hingegen mit einem ehrgeizigen Plan nach Kattowitz. Kurz vor der Konferenz ist die neue Langfriststrategie der Union fertig geworden. Sie beschreibt den Umbau hin zu einer klimaneutralen Volkswirtschaft im Jahr 2050. Klimaneutralität, also null Emissionen, sind nach den Berechnungen der Kommission ein gutes Geschäft. Denn den dafür nötigen zusätzlichen Investitionen von bis zu 290 Milliarden Euro pro Jahr stünden noch höhere Einsparungen bei Energieimporten und Gesundheitsausgaben gegenüber, weil saubere Luft weniger Menschen krank macht. Auch die Wirtschaft würde stärker wachsen als ohne Klimaschutz.
Brasilien und die USA verhandeln mit
Der künftige Präsident Brasiliens, Jair Bolsonaro, ist noch nicht im Amt, kann die Verhandlungen also nicht blockieren. Außerdem hat er seine Ankündigung zurückgezogen, aus dem Abkommen auszusteigen. Die Agrarbarone im Land sollen Druck gemacht haben, weil sie Handelshemmnisse der Europäer befürchteten. Europa füllt also zum Teil das Vakuum, das durch den angekündigten Ausstieg der USA entstanden ist. Diese wiederum verhandeln ohne zu stören mit, weil strenge Regeln für die Berichtspflichten aller Staaten über ihre Emissionen im Interesse der Vereinigten Staaten sind. Als größte Bremser sehen Insider aktuell die Türkei und Saudi-Arabien.
Die Kanzlerin bleibt Kattowitz fern
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird in Kattowitz nicht dabei sein. Es ist nämlich zu Hause viel los: Kommendes Wochenende wählt die CDU ihren neuen Vorsitzenden. Dafür wird Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) am heutigen Montag bei der Eröffnung dabei sein. Umweltorganisationen kritisieren, dass Merkel sich nicht ausreichend für den Klimaschutz engagieren würde. Unter ihr wurde das Klimaziel 2020 beschlossen, das Deutschland aber verfehlen wird. Bei der vorherigen Weltklimakonferenz in Bonn bezeichnete Merkel den Kampf gegen den Klimawandel als „Schicksalsfrage“. Zu Deutschlands Klimazielen müsse „die Kohle, insbesondere Braunkohle, einen wesentlichen Beitrag leisten“, sagte sie dort. Die Bundesregierung hat Anfang des Jahres die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, kurz Kohlekommission, damit beauftragt, Deutschlands Weg aus der Kohle zu formulieren. Ergebnisse gibt es bislang aber nicht.
Kohlekommission muss nachsitzen
Eigentlich wollte die Kohlekommission der Bundesregierung ihren Abschlussbericht schon vorgelegt haben. Doch die drei Ministerpräsidenten der ostdeutschen Kohleländer hatten Merkel einen wütenden Brief geschrieben, in dem sie kritisieren, die bisherigen Vorschläge der Kommission zum Strukturwandel seien mangelhaft. Nun muss die Kommission nachsitzen. Es geht den ostdeutschen Ministerpräsidenten natürlich ums Geld. Deshalb kommt jetzt Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) ins Spiel. Er sagte jüngst in Berlin, dass es bei den 1,5 Milliarden Euro, die zur Finanzierung des Strukturwandels vorgesehen seien, nicht bleiben werde. Man würde über die kommenden zwanzig Jahre viele weitere Milliarden ausgeben. Das Kohleenddatum will die Kommission jetzt im Januar oder Februar vorlegen.