Problemkeime in der Pflege: Keine Zeit für Hygiene
Einer Studie zufolge hatte im vergangenen Jahr jeder zweite Pflegedienst mit Problemkeimen zu tun. Doch oft fehlt die Zeit für Hygiene.
Multiresistente Erreger sind nicht nur ein Problem für Kliniken und Pflegeheime. Nach einer aktuellen Studie der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) hat hierzulande mehr als die Hälfte aller ambulanten Pflegedienste Menschen zu versorgen, die von solchen und anderen Problemkeimen befallen waren. Und mehr als jeder dritte Pflegedienstleiter gab an, dass seinen Mitarbeiter die Zeit fehle, Hygienestandards einzuhalten.
Bei 57 Prozent der ambulanten Pflegedienste seien im vergangenen Jahr Kontakte mit Problemkeimen dokumentiert worden, heißt es in der deutschlandweiten Umfrage unter 400 Pflegedienstleitern, die dem Tagesspiegel vorliegt. In den meisten dieser Fälle handelte es sich um die Erregergruppe MRSA (95 Prozent). Daneben machten den Pflegebedürftigen so genannte ESBL-Bildner (25 Prozent), Erreger der Gruppen 3-MRGN/4-MRGN sowie der Durchfallerreger Clostridium difficile (jeweils 18 Prozent) zu schaffen.
Viele Mitarbeiter haben Angst vor Ansteckung
Jeder vierte der Befragten gab auch an, dass seine Mitarbeiter Angst davor hätten, sich mit einem dieser Keime zu infizieren.
„Wir müssen im Gesundheitssystem die häusliche Pflege als relevantes Feld im Kampf gegen multiresistente Keime stärker wahrnehmen“, forderte ZQP- Chef Ralf Suhr. Angehörige und Pflegeprofis müssten gezielter über Risiken und den richtigen Umgang mit solchen Infektionen zuhause aufgeklärt werden.
Die Studie belegt auch, dass es in der ambulanten Pflege enorme Hygieneprobleme gibt. Aus Sicht der ambulanten Dienste ist fehlendes Wissen von Angehörigen das Hauptproblem. Drei Viertel der Befragten gaben an, dass dies die Umsetzung von Hygienestandards bedeutend erschwere.
Auch Pflegeprofis verzichten aufs Desinfizieren
Doch auch die Pflegeprofis verzichten schon mal aufs Desinfizieren der Hände. 38 Prozent der befragten Pflegedienstleiter gaben an, dass ihre Mitarbeiter dafür kaum Zeit hätten, 24 Prozent unterstellten ihnen diesbezüglich zu wenig Sorgfalt. Wissensdefizite bei den Mitarbeitern führten elf Prozent ins Feld.
Unzufrieden sind die Pflegeleiter bei Hygienefragen auch mit den Hausärzten. 19 Prozent gaben an, dass es dazu beim Erstkontakt mit den Medizinern keine Abstimmung gebe. „Wir müssen Wissen, Kompetenz und Austausch auf Augenhöhe zwischen denpflegenden Angehörigen, den ambulanten Diensten und den Hausärzten stärken, um die Sicherheit von Pflegebedürftigen zu verbessern“, forderte Suhr.