Keine Chance für Krankenhauskeime: Mehr Personal, gründliche Hygiene
Infektionen mit multiresistenten Keimen sind nicht automatisch ein Beleg für Schlamperei in der Klinik. Doch wenn die Patienten Vertrauen in die Hygiene haben sollen, brauche man mehr Fachpersonal, mahnen Experten vor dem Kongress zur Krankenhaushygiene.
Bei jedem zwanzigsten Aufenthalt in einer Klinik zieht sich ein Mensch eine Infektion zu – durch fremde, aber auch durch körpereigene Keime. Angesichts der Tatsache, dass rund 19 Millionen Mal im Jahr ein Patient ins Krankenhaus kommt, ist die Schwelle zur Million bei den nosokomialen (im Zuge einer Behandlung erworbenen Infektionen) also fast erreicht. Kein Wunder, wenn sich viele Sorgen wegen gefährlicher „Killer“-Keimen machen. Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) stellt ihren Kongress, der am Sonntag in Berlin beginnt, daher unter das Motto „Unseren Patienten Vertrauen in die hygienische Sicherheit der medizinischen Versorgung geben“.
Die Zahlen sind nicht automatisch ein Beleg für Fehler und Schlampereien in Deutschlands Operationssälen und auf den Stationen. Grundsätzlich kann die Bevölkerung Vertrauen in die stationäre Medizin haben, versichert DGKH-Präsident Martin Exner von der Universität Bonn. Nur hat es seinen Preis, dass die Patienten heute älter, kränker oder, wie im Fall der Frühgeborenen, leichter und kleiner sind als je zuvor. Und dass die Komplexität der chirurgischen Eingriffe steigt, dass Patienten häufiger einen Harnkatheter oder einen Zugang in die Venen gelegt bekommen: Lauter potenzielle Eintrittspforten für Bakterien, die sich auf der Haut oder im Darm des Patienten selbst oder anderer Kranker befinden. Erst wenn sie in normalerweise keimfreie Regionen – in die Blutbahn, die Lunge, die Harnblase oder in offene Wunden – gelangen, verursachen sie Probleme. Außerdem haben viele Patienten ein geschwächtes Immunsystem, entweder aufgrund ihrer Krankheit oder der Medikamente, die sie nehmen müssen. Sie werden also mit einer Infektion schlechter fertig. „Die moderne Medizin ist sehr effizient geworden“, sagt Exner. „Sie ist in Bereiche vorgedrungen, die früher undenkbar waren.“ Eine flankierende Gabe von Antibiotika hat es möglich gemacht.
Der Keim MRSA ist längst nicht das größte Problem
Doch immer mehr Bakterien werden dagegen unempfindlich, über dem mit rund 40 Jahren noch recht jungen Fach der Krankenhaushygiene hängt ein Damoklesschwert. Immerhin habe man Infektionen mit dem gegen Methicillin resistenten Staphylococcus aureus, bekannt als MRSA, nach einem zwischenzeitlichen Anstieg inzwischen auf das Niveau von vor 20 Jahren zurückdrängen können, berichtet Exner. Allerdings bereiten den Hygiene-Spezialisten nun mehrfach resistente gramnegative Keime, die schwere Lungenentzündungen hervorrufen können, neue Sorgen. „Die Situation erfordert neue Strategien“, sagt Exner. Die Fachgesellschaft begrüßt es deshalb, dass die Politik mit dem Plan „Dart 2010“ unter anderem den umsichtigen Umgang mit Antibiotika und die Forschung zu Resistenzen stärken will.
Ganz große Sorgen mache man sich über den Mangel an qualifiziertem Hygienefach- und Pflegepersonal. Eine Reihe von Studien hat inzwischen belegt, was dem gesunden Menschenverstand unmittelbar einleuchtet: Dass die Gefahr für nosokomiale Infektionen zunimmt, wenn weniger Pflegekräfte mehr schwerkranke Patienten versorgen und dafür immer wieder von Bett zu Bett gehen müssen. „Für Hochrisiko-Kinder sollte der Personalschlüssel sogar eins zu eins betragen“, sagt Exner.
Eine weiteres Problem sei die Reinigung der Krankenzimmer: Laut einer Umfrage der DGKH unter Hygienefachpersonal, deren Ergebnisse 2014 veröffentlicht wurden, geschieht sie an Sonn- und Feiertagen meist nur oberflächlich oder fällt ganz flach. „Hier ist an falscher Stelle gespart worden“, kritisiert der Bonner Infektiologe und Intensivmediziner Peter Walger. Und fordert: „Patientennahe Flächen und Griffe sollten mindestens täglich desinfiziert werden. Der Patient sollte an sieben Tagen in der Woche ein sauberes Bett in sauberer Umgebung haben.“