CSU will Privatvorsorge nun besser fördern: Kehrtwende bei der Riester-Rente
Vor einem Jahr wollte CSU-Chef Horst Seehofer die Riester-Rente noch abschaffen. Jetzt möchte er eine bessere Förderung privater Altersvorsorge. SPD und Grüne kommen da nicht mehr mit.
Noch vor einem Jahr hatte CSU-Chef Horst Seehofer verkündet, dass die Riester-Rente „gescheitert“ sei und abgewickelt werden müsse – mitsamt der ganzen „Neoliberalisierung“ auf diesem Sektor. Die Anfang des vergangenen Jahrzehnts beschlossene Kürzung des Rentenniveaus werde dazu führen, dass etwa die Hälfte der Bevölkerung in der Sozialhilfe lande, so seine Prognose. Dagegen helfen könnten nur höhere Altersbezüge für die breite Bevölkerung. Die Menschen zu mehr Eigenvorsorge zu verpflichten, reiche nicht aus.
Nun hat der oberste Christsoziale offenbar wieder Gefallen an der privaten Altersvorsorge gefunden. Der Staat müsse sie „deutlich besser fördern als das heute der Fall ist“, forderte er am Mittwoch überraschend in der „Rheinischen Post“. Statt die Riester-Rente abzuschaffen, will sie Seehofer nun aufpäppeln. Nur rund zehn Millionen Bürger sorgten privat vor, klagte der CSU-Chef. Das sei entschieden „zu wenig“. Daher müsse sich die Politik „diesem Thema zuwenden, damit es nicht zu Altersarmut in großem Ausmaß kommt“.
"Alle paar Monate kommt was anderes"
Bei SPD und Grünen sind sie bass erstaunt über Seehofers Richtungswechsel. Rentenpolitisch sei bei der CSU "keine Linie zu erkennen", sagte der Berichterstatter der SPD-Fraktion für diesen Bereich, Martin Rosemann, dem Tagesspiegel. "Alle paar Monate kommt da was anderes." Und wenn es darum gehe, Farbe zu bekennen, verweigerten sich die Christsozialen.
Als Beispiel nannte Rosemann das Konzept der doppelten Haltelinien von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), mit der das Rentenniveau nach unten und die Beiträge nach oben begrenzt werden sollte. Als dieses Projekt im Koalitionsausschuss aufgerufen wurde, habe Seehofer "gekniffen". Und das vorgesehene Gesetz zur Stärkung der Betriebsrenten werde von der CSU "im Verein mit der Versicherungswirtschaft" ebenfalls torpediert.
Mit der Mütterrente die Kasse geschwächt
„Rentenpolitisch ohne Plan und Verstand“ sei der CSU-Vorsitzende, findet auch der rentenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Markus Kurth. Er erinnert daran, dass die CSU in vier Jahren großer Koalition „absolut nichts getan“ habe, um Altersarmut zu verringern. „Im Gegenteil: Durch die Fehlfinanzierung von Mütterrente und Ost-West-Rentenangleichung hat die Union die Rentenkasse geschwächt.“ Gegen Altersarmut helfe auch ein stabilisiertes Rentenniveau, betonte Kurth. „Für uns Grüne ist klar: Alle Anstrengung gilt der Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung.“
Vor Altersarmut warnen neben SPD und Grünen auch Linkspartei und Gewerkschaften. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hatte Ende vergangenen Jahres darauf gepocht, das Rentenniveau bis 2045 nicht unter 46 Prozent absinken zu lassen. Bislang liegt die Untergrenze bei nur 43 Prozent bis zum Jahr 2030. Experten prognostizieren danach ein Absinken auf weniger als 42 Prozent. Aktuell liegt es bei etwa 48 Prozent.
Auch der Sozialverband VdK, dem Seehofer nach seinem Karriereknick vor einem Jahrzehnt selber sieben Monate lang als Landesvorsitzender gedient hat, fordert von der Politik effektive Maßnahmen gegen die wachsende Altersarmut. „Dieses Thema treibt die Menschen um“, sagte Verbandschefin Ulrike Mascher. Wer sein Leben lang gearbeitet hat, müsse sich darauf verlassen können, später nicht jeden Cent umdrehen zu müssen. „Die Rente muss zum Leben reichen. Das ist eine zentrale VdK-Forderung im Vorfeld der Bundestagswahl.“ Seit Jahren würden Rentenbezieher immer mehr abgehängt. „Das Rentenniveau darf nicht weiter sinken.“
Seehofer will das Thema auch im Wahlkampf
In welchem Umfang Seehofer die Förderung privater Altersvorsorge anheben möchte, ließ er offen. Allerdings forderte er, die nötigen Reformschritte durch eine „neue Rentenkommission aus Arbeitgebern, Arbeitnehmern, Wissenschaftlerin und Politikern“ voranzubringen. Er sei auch dafür, im Wahlkampf offen über die eigenen Konzepte zu reden, sagte er. „Wir dürfen nicht vor lauter Angst, dass die Menschen das Thema Altersarmut verunsichern könnte, das Thema einfach weglassen.“
Rainer Woratschka