Streit von EU und Türkei: Juncker: Visafreiheit ist Erdogans Problem
Jean-Claude Juncker will sich vom türkischen Staatspräsidenten nicht unter Druck setzen lassen: Wenn die Visafreiheit nicht kommt, werde dies Erdogan gegenüber den Türken verantworten müssen.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat deutlich gemacht, dass sich die EU in der Flüchtlingskrise nicht von dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan unter Druck setzen lassen will. „Ich zucke nicht zusammen, wenn Herr Erdogan das Wort ergreift“, sagte Juncker am Donnerstag in Berlin. Wenn Erdogan die Strategie verfolge, den Türken die im Rahmen der Flüchtlingsvereinbarung zwischen Ankara und der EU zugesagte Visafreiheit zu verwehren, dann müsse er das dem türkischen Volk gegenüber verantworten. „Das ist nicht mein Problem. Das wird sein Problem sein“, sagte Juncker beim WDR-Europaforum.
Die Visafreiheit wäre eine entscheidende Erleichterung für zahlreiche Türken bei Verwandtenbesuchen oder Geschäftsreisen in die Europäische Union. Bei der im März geschlossenen Flüchtlingsvereinbarung war der Türkei ab Ende Juni eine Aufhebung des Visumszwangs in Aussicht gestellt worden, sofern Ankara die daran geknüpften Bedingungen erfüllt. Im Gegenzug verpflichtete sich die Türkei, den Zustrom der Flüchtlinge auf dem Weg nach Griechenland zu drosseln. Während Ankara dieses Versprechen eingehalten hat, tut sich die türkische Regierung mit der Erfüllung sämtlicher Bedingungen für die Visafreigabe schwer.
Auch Erdogan verschärfte seinerseits den Ton in der Kontroverse mit der EU. „Seit wann lenkt ihr die Türkei? Wer hat euch diese Kompetenz gegeben?“, fragte der Staatschef am Donnerstag bei einer Veranstaltung in Ankara mit Blick auf die EU. Insgesamt muss die Türkei 72 Bedingungen erfüllen, bevor sie die Visafreiheit erhalten kann. Fünf dieser Kriterien hat die Türkei bislang nicht umgesetzt. So ist eine Reform der Anti-Terror-Gesetzgebung, die eine Verfolgung missliebiger Journalisten ermöglicht, bislang nicht in Sicht. Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) forderte in Berlin Erdogan auf, die Anti-Terror-Gesetze zu ändern. „Da liegt der Ball auf der Seite der Türkei“, sagte er.
Steinmeier: Europäer haben Interesse, dass Abkommen mit Türkei hält
Steinmeier sagte allerdings auch, dass die Europäer „ein nachhaltiges Interesse daran haben, dass dieses Abkommen über Migration nicht kollabiert“. Ähnlich äußerte sich auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Es führe kein Weg daran vorbei, mit Staaten wie der Türkei, Jordanien und dem Libanon über Fluchtursachen und die Bekämpfung von Schleppern zu reden, sagte sie. Mehrere türkische Politiker hatten zuvor gedroht, die Flüchtlingsvereinbarung platzen zu lassen, wenn die Türkei keine Visafreiheit erhält.
Im Bundestag kritisierte die Opposition die Vereinbarung mit der Türkei. Der Linken-Abgeordnete Jan Korte sagte, die Abmachung sei ein „dreckiger Deal“, der beendet werden müsse. Erdogan sei „nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems“ in der Flüchtlingskrise.