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Der saudische König Salman bin Abdulaziz: Die Araber liefern sich derzeit einen Machtkampf mit dem Iran.
© AFP

Machtkampf zwischen Saudi-Arabien und Iran: Drei Gründe, warum der Konflikt in Nahost die deutsche Wirtschaft treffen könnte

Saudi-Arabien und Iran liefern sich einen harten Schlagabtausch. Deutschlands Wirtschaft könnte das in Mitleidenschaft ziehen.

ENGE HANDELSBEZIEHUNGEN

Vom Industriekonzern bis zum mittelständischen Anlagenbauer: Deutsche Unternehmer haben in der Vergangenheit enge Handelsbeziehungen mit Saudi-Arabien und Iran geknüpft. Nachdem sich der politische Konflikt der beiden Staaten in den letzten Wochen zugespitzt hat, warnen Experten nun aber vor Rückschlägen für Deutschlands Exporteure. „Es besteht die Gefahr, dass wir in die Mühlsteine der Politik geraten. Wir befürchten, dass der Handel jetzt leiden wird“, warnt Volker Treier, Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Dabei lief es in der jüngsten Zeit ausgesprochen gut in Nahost.

Beispiel Saudi-Arabien: Vor allem Maschinen- und Anlagenbauer, aber auch die Automobilhersteller machen glänzende Geschäfte mit dem Golfstaat. Nach Schätzungen des DIHK stiegen die Ausfuhren nach Saudi-Arabien im vergangenen Jahr um zehn Prozent auf zehn Milliarden Euro. DIHK-Experte Treier lobt das Königreich als „eine der wenigen positiven Exportüberraschungen“ im vergangenen Jahr. Könnte es mit diesem Aufschwung bald vorbei sein? Zumindest beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) stellt man sich bereits auf einen Abschwung ein. Aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Lage in Saudi-Arabien sei 2016 mit einem Rückgang der deutschen Maschinenexporte zu rechnen, heißt es in dem Verband, der eine Branche mit rund einer Million Beschäftigte repräsentiert.

Saudi-Arabien ist ein guter Kunde der deutschen Wirtschaft.
Saudi-Arabien ist ein guter Kunde der deutschen Wirtschaft.
© null

Der Handel mit Iran lief zwar nicht annähernd so gut wie mit Saudi-Arabien – Waren im Wert von lediglich 1,6 Milliarden Euro wurden in den ersten zehn Monaten 2015 dorthin verkauft – was aber vor allem daran lag, dass das Land wegen seines Atomprogramms seit Jahren Sanktionen unterliegt. Besser: unterlag. Denn im Sommer des vergangenen Jahres hat sich die internationale Gemeinschaft mit Teheran auf ein Abkommen geeinigt, das für die kommenden Monate den sukzessiven Abbau der Sanktionen vorsieht.

Deutsche Unternehmer hatten deshalb auf einen deutlichen Anstieg der Iran-Ausfuhren gehofft: Kurz vor Unterzeichnung des Atomabkommens taxierte der DIHK das mögliche Geschäftspotenzial in Iran auf ein Gesamtvolumen von rund zehn Milliarden Euro. Ob dieses Potenzial nun ausgeschöpft werden kann, steht angesichts der jüngsten politischen Entwicklungen in den Sternen.  

ÖLPREIS-VERFALL

Ein Liter Diesel für 0,99 Cent? Für die Autofahrer war der Besuch an der Tankstelle in den vergangenen Wochen ein erfreuliches Erlebnis. Aber nicht nur die Verbraucher, auch große Teile der Industrie profitieren von den niedrigen Öl- und Kraftstoff-Preisen. Denn sie sorgen dafür, dass die Kosten für Produktion, Verarbeitung und Transport deutlich günstiger ausfallen als in den Jahren zuvor. „Der niedrige Ölpreis ist ein Antrieb für die Weltwirtschaft und damit alles in allem positiv für die deutsche Konjunktur“, sagt Michael Heise, der Chefökonom des Versicherungskonzerns Allianz.

Ist der Konkurrenzkampf der beiden Öl-Giganten Saudi-Arabien und Iran also ein unverhofftes Konjunkturgeschenk für den Rest der Welt?

So einfach ist es nicht, denn der Preisabsturz birgt auch Risiken. „Mit dem schnellen und heftigen Ölpreis-Verfall sind Spannungen an den Kapitalmärkten verbunden“, sagt Heise. Das liege daran, dass der Ölpreis eine starke Pilotfunktion für andere Rohstoffe habe. Tatsächlich fielen in den letzten Monaten von Kupfer über Zink bis hin zu Weizen die Preise deutlich. „Für einige Nationen in Südamerika und Afrika wird das zum Problem“, glaubt der Allianz-Ökonom.

Die Finanzmärkte geraten noch von anderer Stelle unter Druck. Weil den Öl-Nationen die Einnahmen wegbrechen und Haushaltslöcher gestopft werden müssen, ziehen sie Geld von den Märkten ab. Die amerikanische Bank JPMorgan Chase schätzt, dass in den vergangenen Monaten Kapital in Höhe von bis zu 50 Milliarden Dollar deinvestiert wurde – eine Summe immerhin so hoch wie die gesamten Staatsausgaben von Tschechien. In Saudi-Arabien scheint die finanzielle Lage mittlerweile derart angespannt zu sein, dass die Scheichs sogar laut über den Verkauf des sogenannten Tafelsilbers nachdenken. Im Gespräch mit dem „Economist“ ließ der saudische Vize-Kronprinz Mohammad bin Salman dieser Tage durchblicken, dass Teile des Staatsunternehmens Aramco, der größte Ölkonzerns der Welt, an die Börse gebracht werden könnten.

Auch deutsche Firmen und Anleger müssen sich daher auf absehbare Zeit auf Verwerfungen an den Finanzmärkten einstellen. Denn derzeit ist wegen des Streits zwischen Saudi-Arabien und Iran eine nachhaltige Veränderung der Öl-Notierungen nicht in Sicht: „Mit der Verschärfung des Konflikts ist mit einem baldigen Anstieg des Preises nicht mehr zu rechnen“, sagt Heise. Bereits im Dezember hatte die Opec beschlossen, ihre Förderquote stabil zu halten – obwohl die Öl- Nachfrage an den Märkten weit geringer ist als das Angebot. Die damalige Opec-Entscheidung hatte zwei Gründe, glaubt Heise: Einerseits wollte das Kartell dem Fracking-Öl aus den USA etwas entgegensetzen. Andererseits vermutet er auch politisches Kalkül hinter dem Schritt: „Saudi-Arabien war wohl nicht bereit, Kürzungen in der Produktion hinzunehmen, während der Erzfeind Iran nach dem Ende der Sanktionen wieder an den Ölmarkt drängt.“ Auch für 2016 schließt Heise deshalb eine Reduzierung der Fördermenge durch die Opec aus.

Die Exekution des schiitischen Geistlichen Nimr al-Nimr in Saudi-Arabien hat den Konflikt mit dem Iran angeheizt.
Die Exekution des schiitischen Geistlichen Nimr al-Nimr in Saudi-Arabien hat den Konflikt mit dem Iran angeheizt.
© AFP

Am stärksten von der aktuellen Preisentwicklung ist die ölverarbeitende Industrie betroffen. „Die Unternehmen aus der Ölbranche haben zuletzt enorme Verluste hinnehmen müssen und wie es derzeit aussieht, wird es auch künftig in der Energiebranche noch zu erheblichen Verwerfungen kommen“, sagt Heise – selbst Unternehmenspleiten schließt er nicht aus. Womöglich auch in Deutschland. Laut Mineralölverband (MWV) erwirtschafteten alleine die zwölf größten deutschen Raffinerien 2014 einen Umsatz von knapp 100 Milliarden Euro – das ist mehr als die Dax-Konzerne Siemens, SAP und Beiersdorf zusammen. Darüber hinaus beschäftigten Unternehmen, die in der gesamten Wertschöpfungskette der ölverarbeitenden Industrie tätig sind, rund eine halbe Million Menschen in Deutschland.

FLÜCHTLINGE

Auch die geopolitischen Folgen des Konflikts zwischen Saudis und Iranern dürften die deutsche Wirtschaft mittelfristig belasten – die sich indes nicht so einfach beziffern lassen. Toby Matthiesen, Saudi-Arabien-Experte an der Universität von Oxford, geht davon aus, dass sich der Machtkampf noch zuspitzen wird: „Die beiden Staaten werden wohl ihr Engagement in den zwei Stellvertreterkriegen Syrien und Jemen weiter intensivieren.“ Das saudische Regime versuche damit die Versöhnung des iranischen Kontrahenten mit dem Westen zu verhindern und gleichzeitig von schwerwiegenden innenpolitischen Problemen abzulenken. Das bedeute einerseits eine Destabilisierung der Region und andererseits rücke damit auch ein Ende der Flüchtlingskrise in weite Ferne, so Matthiesen.

Für Deutschland steigen damit die Kosten. Das Ifo-Institut geht 2016 mittlerweile von Mehrausgaben in Höhe von 21 Milliarden Euro aus, um Kosten für Unterbringung, Ernährung, Kitas, Schulen, Deutschkurse, Ausbildung und Verwaltung zu begleichen. Spätestens Ende des Jahres, so schätzt man in der Bundesbank, dürfte sich der Flüchtlingszustrom dann auch in der Arbeitslosenstatistik bemerkbar machen. Die Notenbank geht davon aus, dass im ersten Jahr nach der Anerkennung als Flüchtling 70 Prozent der Zuwanderer arbeitslos bleiben und die Quote auch danach erst langsam fällt. Insgesamt könnte sich die Arbeitslosenquote in Deutschland durch die Flüchtlinge um 0,5 Prozent erhöhen.

Um die Kosten zu stemmen, könnte die Politik an der Steuerschraube drehen. Die Bundesregierung schließt das aber in dieser Legislaturperiode aus. Allerdings berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ Ende vergangenen Jahres, dass die EU-Kommission und die Bundesregierung „informelle Gespräche zur Einführung einer Art europäischen Flüchtlings- Solis“ geführt hätten. Für die deutsche Wirtschaft würde eine höhere Steuerbelastung der Bürger Einschnitte beim Binnenkonsum bedeuten, von dem die Konjunkturentwicklung derzeit maßgeblich mitgetragen wird.

Allianz-Ökonom Heise warnt daher vor einer weiteren Eskalation des Konflikts am Persischen Golf: „Ich kann nur hoffen, dass die Appelle der internationalen Gemeinschaft gehört werden.“

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