zum Hauptinhalt
Ein heiliger Ort. Seit Jahrhunderten wird über Jerusalem heftig gestritten. Sollte der US-Präsident Amerikas Botschaft tatsächlich dorthin verlegen, droht neuer Ärger.
© Abir Sultan/dpa

US-Botschaft in Israel: In Jerusalem spielt Trump mit dem Feuer

Präsident Donald Trump hat mehrfach versprochen, die US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Für die Region wäre das politischer Sprengstoff. Eine Analyse.

Die Frage bewegt den Nahen Osten. Tut er’s oder tut er’s nicht? Wird der US-Präsident den Sitz der Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen? Ein solcher Umzug könnte unabsehbare Folgen für die Sicherheit in der Krisenregion haben. Während vor allem Israels nationalreligiöses Lager die Ankündigung bereits euphorisch feiert, sind besonders muslimische Araber und Palästinenser empört.

Jerusalems Bedeutung

Diese Stadt ist ein heiliger Ort. Das steht für Millionen Menschen fest. Jerusalem beheimatet drei monotheistische Religionen mit Pilgerstätten für Christen, Muslime und Juden. Und war über Jahrtausende der Sehnsuchtsort für Juden in der Diaspora: „Wenn ich dich je vergesse, Jerusalem, dann soll mir die rechte Hand verdorren“, heißt es in Psalm 137.

In Jerusalem standen die jüdischen Tempel, hier befindet sich das größte Heiligtum der Juden: die Klagemauer, ein Überbleibsel des zweiten Tempels, an dem Juden ihre Gebete in den Himmel schicken. Doch in Jerusalem befindet sich auch der Tempelberg mit der Al-Aksa-Moschee und dem Felsendom – der drittheiligste Ort für Muslime. Von hier aus soll Mohammed seine Himmelfahrt angetreten haben.

Kein Wunder, dass über und in Jerusalem gestritten wird. Jeder will die Stadt für sich allein, keiner will sie teilen. Die Jordanier annektierten Ostjerusalem im Unabhängigkeitskrieg 1948. Im Sechstagekrieg 1967 eroberten israelische Soldaten das arabische Stadtgebiet einschließlich der Altstadt zurück. Israel nannte das eine „Befreiung“. Später erklärte das Parlament des jüdischen Staats Jerusalem zur „ewigen und unteilbaren“ Hauptstadt. Die wird aber von der Mehrheit der internationalen Gemeinschaft als solche völkerrechtlich nicht anerkannt. Auch weil die Palästinenser Ostjerusalem als Hauptstadt für ihren Staat reklamieren.

Trumps Plan

Er werde die US-Botschaft in die „ewige Hauptstadt des jüdischen Volkes“ verlegen – das hat der neue Präsident während des Wahlkampfes versprochen. Bisher befindet sich die diplomatische Vertretung der Supermacht nach wie vor in Tel Aviv. Die allermeisten Staaten halten es ebenfalls so. Amerika wäre also das erste Staat mit einer Botschaft in Jerusalem. Und Donald Trump der erste US-Präsident, der diesen Schritt tatsächlich wagt.

Denn dessen Vorgänger argumentierten bisher, der zukünftige Status der Stadt müsse in Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern geklärt werden. Und das, obwohl der US-Kongress 1995 den „Embassy Act“ erlassen hat. Dieser besagt, dass die US-Botschaft in Jerusalem eröffnet werden soll, und zwar bis zum 31. Mai 1999. Passiert ist bisher aber nichts. Weil alle US-Präsidenten von ihrem Recht Gebrauch gemacht haben, diesen Umzug immer wieder zu verschieben.

Wird Trump mit dieser Tradition brechen? Gerüchte gibt es reichlich. Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat berichtet von persönlichen Gesprächen mit US-Vertretern und glaubt fest an einen Umzug. Der Sprecher der Trump-Regierung, Sean Spicer, ließ hingegen vor Kurzem mitteilen, man stehe erst ganz am Anfang der Gespräche.

Israels Erwartungen

Dennoch hängen die Glückwünsche bereits meterhoch an einer Jerusalemer Gebäudewand. „Donald Trump, Masel Tov! Gratulation zur Entscheidung, die Botschaft nach Jerusalem zu verlegen.“ Es ist zwar nur das Werbeplakat einer Immobilienfirma. Doch die Aktion zeigt: In Jerusalem warten nicht wenige sehnsüchtig auf den Umzug der Amerikaner.

Vor allem Israels rechte Hardliner sind begeistert. Sie glauben, in Trump endlich einen mächtigen Verbündeten gefunden zu haben. Ihr Sprachrohr ist Naftali Bennett von der Siedler-Partei „Jüdisches Heim“. Der sieht in Jerusalem die mehr als 3000 Jahre alte Hauptstadt Israels und beruft sich dabei auf die Bibel. „Es ist falsch, dass die Botschaften noch nicht hier sind. Und ich glaube, es wäre ein sehr wichtiger Schritt, dass die Vereinigten Staaten ihre Botschaft hierher verlegen.“ Auch Premier Benjamin Netanjahu nannte die Umzugspläne großartig.

Doch in Israel sind nicht alle begeistert. Am Tag nach der Amtseinführung protestierten in Israel lebende Amerikaner vor der US-Botschaft in Tel Aviv – gegen Trump und gegen einen Umzug nach Jerusalem. Auch Israels Armee, die Polizei und der Inlandsgeheimdienst warnen: Ein Umzug könnte die Gewalt eskalieren lassen.

Eine denkbare Kompromisslösung lautet deshalb: Amerikas diplomatische Vertretung bleibt zwar pro forma in Tel Aviv. David Friedman würde allerdings als Botschafter mit einem kleinen Team im Jerusalemer Konsulat arbeiten. So könnte der offene Bruch mit den diplomatischen Gepflogenheiten kaschiert werden.

Trumps Mann. Der Anwalt David Friedman soll künftig die USA in Israel vertreten.
Trumps Mann. Der Anwalt David Friedman soll künftig die USA in Israel vertreten.
© Mike Segar/Reuters

Friedman gilt als Befürworter der Siedlerbewegung und Gegner der Zwei-Staaten-Lösung. Er besitzt eine eigene Wohnung in Jerusalem, die ihm Berichten zufolge künftig als Botschaftsresidenz dienen soll. Zwar hat sich der Anwalt seit seiner Nominierung mit öffentlichen Äußerungen zurückgehalten. Doch die israelische Tageszeitung „Haaretz“ zitierte am Dienstag den Präsidenten der Zionistischen Organisation von Amerika, Morton Klein. Demnach plant Friedman von Jerusalem aus zu arbeiten, ohne auf einen offiziellen Umzug der Botschaft zu warten.

An warnenden Worten herrscht denn auch kein Mangel. „Die Entscheidung, die Botschaft zu verlegen, könnte von einigen als Provokation empfunden werden“, sagt Nahostexperte Shimon Stein. Und das aus verschiedenen Gründen. So würde eine Entscheidung für Jerusalem nicht nur die Palästinenser betreffen, sondern eben auch die arabisch-muslimische Welt, sagt der frühere israelische Botschafter in Deutschland und heutige Fellow am Institut für Sicherheitsstudien an der Universität in Tel Aviv.

Zwar sei noch völlig ungewiss, ob Trump sein Wahlversprechen tatsächlich wahrmache. "Doch käme es dazu, wäre dies zum jetzigen Zeitpunkt eine Mine mit hoher Sprengkraft, die jederzeit explodieren kann." Außerdem passe ein möglicher Botschaftsumzug nicht zu Trumps Ankündigung, den Nahostkonflikt lösen zu wollen. "Dafür braucht es nun mal zwei Seiten. Und was gibt der US-Präsident den Palästinensern als Gegenleistung, wenn er Jerusalem gewissermaßen Israel überlässt?" Der Status der Stadt könne nur in einem größeren Kontext geklärt werden. Alles andere sei sicherlich auch nicht im amerikanischen Interesse.

Ähnlich schätzt Grünen-Politiker Volker Beck die Lage ein. "Die Verlegung der US-Botschaft wird wieder alle in der Region auf die Bäume treiben. Das ist keine verantwortliche Politik", sagt der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe des Bundestags. "Wer hat etwas von einem derartigen Schritt? Israel und seine Bevölkerung jedenfalls nicht.“

Auch die Bundesregierung ist offenbar wenig begeistert. Auf die Frage, ob vorgesehen sei, die deutsche Botschaft ebenfalls zu verlegen, antworte jüngst ein Sprecher des Auswärtigen Amtes vielsagend: „Nein, es gibt solche Pläne nicht. Wir fühlen uns in Tel Aviv sehr wohl.“

Abbas Zorn

Für die Palästinenser-Führung um Präsident Mahmud Abbas gibt es keinen Zweifel: Eine US-Botschaft in Jerusalem wäre ein Affront, der wohl gewalttätigen Widerstand zur Folge hätte. Die Einschätzung ist keineswegs übertrieben. Jerusalem spielt als heiliger Ort im Bewusstsein aller Muslime eine besondere Rolle. Und eine ganz besondere für Palästinenser.

Denn ein eigener Staat ohne eine Hauptstadt namens Jerusalem ist ihrer Überzeugung nach wertlos. Ein Umzug der US-Botschaft würde zumindest indirekt Israels Anspruch auf die Stadt legitimieren. Kein Wunder, dass Abbas Trump hart angeht. Die USA verlören "jede Legitimität, bei der Lösung des Konflikts eine Rolle zu spielen", wenn ihre Diplomaten nach Jerusalem umzögen.

Wütend sind auch die mit den USA verbündeten Jordanier. Als Hüter und Verwalter der islamischen Heiligtümer in Jerusalem warnen sie vor dem Überschreiten einer roten Linie.

Doch sowohl Palästinenser als auch arabische Staaten wie Jordanien wissen sehr wohl, dass sie es sich besser nicht ganz mit Amerika verscherzen sollten. Vor allem Mahmud Abbas ist auf Trump angewiesen. Denn ohne dessen Wohlwollen wird es mit Sicherheit keine Zwei-Staaten-Lösung geben.

Zur Startseite