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Im Berlin ist die Sorge vor einem Wahlsieg Trumps groß.
© Michael Kappeler/dpa

Deutsche Reaktion auf die US-Wahl: In Berlin kommt Panik auf

Viele in der Hauptstadt hatten Joe Biden die Daumen gedrückt. Von der Hängepartie zeigen sie sich geschockt - sie halten Trump für gefährlich.

Auf die bange Stimmung in der deutschen Politik angesichts der Hängepartie in den USA reagierte Wolfgang Ischinger am Mittwochmorgen mit einer Mahnung: „No need to panic“ – „Kein Grund, in Panik zu verfallen“, twitterte der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz.

Zu viele in Europa hätten sich darauf verlassen, dass das transatlantische Verhältnis gleichsam von einem Autopiloten gesteuert werde, warnte  der frühere deutsche Botschafter in Washington. Das aber werde bei keinem Ausgang der US-Wahl so weitergehen.

Tatsächlich lässt sich die Stimmung, mit der die meisten deutschen Politiker das Aufholen Trumps in den Wahlcharts verfolgten, als aufkeimende Panik beschreiben. Viele hatten offenbar den Umfragen vertraut, die Biden einen deutlicheren Vorsprung vorausgesagt hatten.

Vier weitere Jahre mit dem Verächter internationaler Regeln, der Deutschland gern in einem Atemzug mit autokratischen Staaten wie Iran oder China nennt, sind für die Vertreter von Union, SPD, FDP, Linken und Grünen ein Horrorszenario. Nur AfD-Vertreter verteidigen den Immobilien-Mogul traditionell.  

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Trump hat sicher recht, auch was die Haltung der großen Mehrheit der Deutschen zu ihm betrifft: „China will mich loswerden. Iran will mich loswerden. Deutschland will mich loswerden“, hatte der Präsident am Wochenende bei einem Wahlkampfauftritt in Reading im Bundesstaat Pennsylvania erklärt.

Angst vor den Folgen einer Hängepartie

Mit Blick auf die knappen vorläufigen Ergebnisse und Trumps Ankündigung, die Gerichte anzurufen, stellt sich das politische Berlin auf eine Hängepartie in den USA ein.

„Ich fürchte, dass man noch sehr, sehr lange diskutieren wird, falls es ein knappes Ergebnis wird“, sagte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) im ZDF. Auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sieht das ähnlich. „Wir werden uns auf eine unsichere Situation einstellen müssen", sagte die CDU-Chefin bei ntv.

Will einen Neustart der transatlantischen Beziehungen: Außenminister Heiko Maas (SPD).
Will einen Neustart der transatlantischen Beziehungen: Außenminister Heiko Maas (SPD).
© dpa

Eine Wiederwahl Trumps, so die Befürchtung in Berlin, könnte dem transatlantischen Verteidigungsbündnis den Todesstoß versetzen. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff sagten der Nato in diesem Fall in der ARD schwere Zeiten voraus und sprachen sich für eine Stärkung der Selbstständigkeit Europas in diesem Fall aus.

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Mützenich sprach sogar von einem möglichen „Chaos“. Auch Linken-Politiker Gregor Gysi antwortete in der ARD auf die Frage, ob er besorgt sei: „Ziemlich“. Die absehbare Hängepartie lasse nichts Gutes erwarten.

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen warnte davor, dass eine Wiederwahl  Trumps die amerikanische Außenpolitik stark verändern könne. „Wenn die Nato nicht vier, sondern acht Jahre infrage gestellt würde, wäre dies etwas ganz anderes", warnte er im ZDF.

„Wenn Trump gewinnt, ändert sich die globale Ordnung fundamental“, sagte auch Grünen-Chef Habeck beim Sender ntv. Europa müsse sich einigen, sonst werde es international keine Rolle mehr spielen.

Außenminister Heiko Maas (SPD) hatte im Interview mit dem Tagesspiegel am vergangenen Sonntag keinen eigenen Favoriten für die Wahl nennen wollen. Es wäre „gefährlich“, wenn der deutsche Außenminister sich in die Entscheidung der Amerikanerinnen und Amerikaner einmische, warnte er.

Anschließend lobte Maas allerdings deutlich die außenpolitischen Grundüberzeugungen Bidens, der ebenso wie er selbst dem Multilateralismus verpflichtet sei, also grenzüberschreitende Probleme durch enge Zusammenarbeit lösen wolle.

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Dagegen steht Trump mit seinem offenen Nationalismus und seiner Verachtung für Regeln und internationale Zusammenarbeit gegen alle Traditionen, denen sich die deutsche Außenpolitik seit Jahrzehnten verpflichtet sieht.

So optimistisch wie Ischinger sind in Berlin wenige

Maas erklärte in dem Interview, das deutsch-transatlantische Verhältnis müsse dringend wieder verbessert werden. Unabhängig vom Ausgang der US-Wahl werde er deshalb einen Neustart für die Beziehungen, einen „New Deal“ vorschlagen.

Den meisten Vertreterinnen und Vertretern der Bundesregierung dürfte klar sein: Nur ein Präsident Biden würde dieses Angebot annehmen, Trump würde die Initiative dagegen vermutlich ins Leere laufen lassen. Der Erosionsprozess im deutsch-amerikanischen Verhältnis – er würde sich dann vermutlich rasant beschleunigen.     

Zudem gibt es in Berlin die Befürchtung, dass andere Mächte in der Welt eine Krise der USA ausnutzen könnten.

Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Johann Wadephul (CDU), hatte schon vor der Wahl gewarnt, im Falle einer Hängepartie nach der Wahl oder gar einer Verfassungskrise könne China versucht sein, die Schwäche des stärksten internationalen Rivalen zu nutzen.

So viel Optimismus wie Ischinger verbreitete kaum einer der deutschen Politiker, der sich am Mittwochmorgen öffentlich äußerten. Dem ZDF sagte der Ex-Diplomat: „Wir haben vier Jahre durchgestanden. Wir werden weitere vier Jahre durchstehen.“

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