Lüneburger Auschwitz-Prozess: „Ich werde niemals vergeben“
Vier weitere Nebenkläger haben im Prozess gegen den SS-Mann Oskar Gröning ausgesagt. Anders als Eva Kor kann Kathleen Zahavi, die rund 100 Verwandte im Holocaust verlor, den Tätern nicht verzeihen.
Im Lüneburger Auschwitz-Prozess haben am Dienstag mehrere Nebenkläger ausgesagt und an ihre in dem Vernichtungslager ermordeten Verwandten erinnert. Sichtlich bewegt berichtete die 86-jährige Kathleen Zahavi, dass mehr als 100 ihrer Verwandten den Holocaust nicht überlebten. Zahavi, die im kanadischen Toronto lebt, schilderte in ihrer Zeugenaussage vor dem Landgericht, wie sie als 15-Jährige mit ihrer Mutter, ihrer Tante und ihren zwei Schwestern in einem Viehwaggon nach Auschwitz deportiert wurde. Auf der Rampe habe sie vier oder fünf deutsche SS-Männer gesehen, SS-Männer „wie Sie“, sagte Zahavi direkt an den Angeklagten Oskar Gröning gewandt, der sich wegen Beihilfe zum Mord verantworten muss.
Grönings Bedauern reicht nicht
Zahavi beschrieb die unmittelbar folgende Selektion an der Rampe. Der SS-Mann, „der entschied, wer leben und wer sterben würde“, habe die ganze Zeit geschrien: „Macht schnell!“ Diese zwei Worte sagt die in Ungarn geborene Nebenklägerin auf Deutsch. Die Mutter und die Tante wurden nach links geschickt. „Ich habe sie nie wiedergesehen. Wir hatten nicht einmal die Möglichkeit, uns zu verabschieden.“ Immer wieder ringt die 86-Jährige um Fassung. Am Ende wendet sie sich noch einmal an Gröning: Er habe Bedauern zum Ausdruck gebracht, aber das sei nicht genug. „Ich werde niemals vergessen oder vergeben“, sagt Zahavi. Damit bezieht sie sich indirekt auf die Aussage der Auschwitz-Überlebenden Eva Mozes Kor, die Gröning kurz nach Prozessbeginn demonstrativ vergeben hatte. Später distanzierten sich zahlreiche andere Nebenkläger von diesem Schritt und machten deutlich, dass Kor keineswegs für sie sprach.
Prozess dauert künftig nur noch drei Stunden pro Tag
Der 83-jährige Ivor Perl, der in der Nähe von London lebt, schilderte in seiner Zeugenaussage, wie er an der Rampe in Auschwitz-Birkenau von seiner Mutter und den kleinen Geschwistern getrennt wurde. Er überlebte, weil er sich auf den Rat von polnischen Häftlingen hin bei der Selektion als 16-Jähriger ausgab, obwohl er erst 12 Jahre alt war. Lange habe er überlegt, ob er Nebenkläger in diesem Verfahren werden solle, und schlaflose Nächte gehabt, in denen er sich vorstellte, wie es sein würde, einem früheren SS-Mann gegenüberzusitzen. „Jetzt sehe ich eine Person, die mir leid tut“, sagt Ivor Perl an Gröning gewandt.
Ein vom Gericht beauftragter Arzt erklärte Gröning für verhandlungsfähig. Am Donnerstag war der Prozess unterbrochen worden, weil der 93-Jährige morgens nicht aufstehen konnte. Ein Verhandlungstag soll künftig allerdings nicht länger als drei Stunden dauern.
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