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Die Auschwitz-Überlebende Eva Kor trat am Sonntagabend bei Günther Jauch auf. Sie wird jetzt von anderen Nebenklägern im Prozess gegen den "Buchhalter von Auschwitz" kritisiert.
© dpa

Auschwitz-Prozess: Nebenkläger kritisieren "öffentliche Inszenierung" einer anderen Überlebenden

Nebenkläger im Auschwitz-Prozess betonen, dass sie Oskar Gröning nicht einfach verzeihen - die Auftritte einer anderen Überlebenden sehen sie mit Unbehagen.

Ihre Botschaft verkündete die Holocaust-Überlebende Eva Kor vor einem Millionenpublikum: Sie habe Oskar Gröning, dem früheren SS-Unteroffizier im nationalsozialistischen Vernichtungslager Auschwitz, vergeben, sagte sie am Sonntagabend in der Sendung von Günther Jauch. Im Prozess gegen den 93-Jährigen vor dem Landgericht Lüneburg hatte Eva Kor als Nebenklägerin am vergangenen Mittwoch eine Erklärung abgegeben, in der sie berichtete, dass sie als Zehnjährige in Auschwitz gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester medizinischen Versuchen ausgesetzt wurde. Auch vor Gericht betonte Kor, dass sie allen ehemaligen Nazis, auch den SS-Ärzten, vergeben habe. Gröning muss sich in Lüneburg wegen Beihilfe zum Mord an mindestens 300.000 Menschen verantworten. Am Donnerstag reichte Kor dem Angeklagten im Gerichtssaal demonstrativ die Hand und umarmte ihn, ihr Anwalt Markus Goldbach machte ein Foto von diesem Moment.

Doch andere Nebenkläger, auch sie Überlebende des Holocaust und Angehörige von Ermordeten, sehen solche Szenen offenbar mit einem gewissen Unbehagen. In einer gemeinsamen Erklärung betonten 49 Nebenkläger am Montag: „Wir können Herrn Gröning nicht die Mitwirkung am Mord unserer Angehörigen und weiterer 299.000 Menschen verzeihen – zumal er sich bisher frei von jeder strafrechtlichen Schuld fühlt. Wir wollen Gerechtigkeit und wir begrüßen die Aufklärung, die dieses Strafverfahren leistet.“

In der Sendung am Sonntagabend sagte Kor auch, die Anklagen gegen ehemalige NS-Täter müssten aufhören. „Als Nebenklägerin im Namen der Ermordeten aufzutreten, öffentlich das Strafverfahren abzulehnen und die Rolle der Nebenklägerin zur medial inszenierten persönlichen Verzeihung (zu) nutzen – das passt nicht zusammen“, erklärten die Nebenklagevertreter Cornelius Nestler und Thomas Walther, die 49 Angehörige von in Auschwitz ermordeten Juden vertreten. „In diesem Strafverfahren geht es vor allem auch um die Dokumentation des jahrzehntelangen Versagens der Justiz.“

Eva Kor war vor kurzem durch eine andere demonstrative Geste bekannt geworden: Sie hatte Rainer Höß, den Enkel des Kommandanten von Auschwitz, symbolisch „adoptiert“.

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