Gleichstellung von Schwulen und Lesben: Homoehe: Dürfen die das?
Die Gleichstellung Homosexueller ist zum Kampfplatz zwischen den modernen Demokratien des Westens und anderen Weltregionen geworden. Wie steht es um die Rechte von Schwulen und Lesben?
Die Gleichstellung von homosexuellen Lebenspartnerschaften ist in der Mitte des westlichen Wertekanons angekommen. Doch damit ist die Gleichstellung von Schwulen und Lesben auch zum neuen Kampfplatz zwischen dem Westen und anderen Teilen der Welt geworden. Als der amerikanische Präsident Barack Obama in der zurückliegenden Woche im Senegal einschwebte, sagte er bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem senegalesischen Präsidenten Macky Sall in der Hauptstadt Dakar: „Meine Meinung ist, dass Menschen durch die Gesetze ungeachtet ihrer Religion, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung gleich behandelt werden sollen.“ Sall hob hervor, dass der Senegal ein „sehr tolerantes Land“ sei, das „Menschen bei unveräußerlichen Rechten nicht diskriminiert“. Homosexualität gehört seiner Auffassung nach allerdings nicht dazu. Für eine Entkriminalisierung sei das Land im Westen Afrikas noch nicht bereit, sagte Sall weiter. Damit gab er die Auffassungen der Bevölkerung im Senegal präzise wieder. Das amerikanische Pew Institut hat Anfang Juni eine Umfrage aus dem Mai 2013 veröffentlich, für die 37 653 Menschen in 39 Ländern befragt wurden. Demnach lehnen 96 Prozent der Senegalesen Homosexualität ab.
Ähnlich hohe Ablehnungswerte gibt es in ganz Afrika, in der muslimischen Welt, aber auch in China und Russland. Die Gleichstellung Homosexueller ist inzwischen zu einem regelmäßig diskutierten Thema der Außenpolitik geworden. Als 2009 in Uganda ein Abgeordneter – angeregt durch evangelikale Prediger aus den USA – einen Gesetzentwurf einbrachte, der in bestimmten Fällen sogar die Todesstrafe für homosexuelle Praktiken vorsah, drohte der deutsche Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) mit einer Streichung der Budgethilfe, andere westliche Staaten übten ebenfalls Druck aus. Das Gesetz liegt zwar immer noch im Parlament, doch Präsident Yoweri Museveni hat seine Befassung und Verabschiedung inzwischen mehrfach verhindert. Das war für den Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), der „Einstieg in das Thema“. Als er sich überlegt habe, wo er seine Schwerpunkte setzen könnte, sei er zu dem Schluss gekommen, dass es in Deutschland nur noch zwei Gruppen von Menschen gebe, „die diskriminiert werden: Homosexuelle und Migranten“. Und genau für diese Minderheiten will er sich als Menschenrechtsbeauftragter einsetzen, sagte er dem Tagesspiegel. Seit 2010 lädt er jedes Jahr Menschenrechtsverteidiger ein, die in ihren Ländern für die Rechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgender (LGBT) eintreten. Die erste Delegation kam aus Afrika, und für die Gruppe „war es das Größte“, dass ein offen schwuler Außenminister, nämlich Guido Westerwelle, sich Zeit für sie nahm.
Eine liberale Erfindung ist der Einsatz für die Rechte von Homosexuellen nicht. Volker Beck, Geschäftsführer der grünen Bundestagsfraktion, erinnert an Joschka Fischer, der als Außenminister vor dem Menschenrechtsrat in Genf erstmals die Gleichstellung Homosexueller forderte. Fischer, Frank-Walter Steinmeier hätten ebenso wie ihr Nachfolger Westerwelle jahrelang Delegationen von LGBT-Aktivisten eingeladen. Als die frühere US-Außenministerin Hillary Clinton bei einem ihrer letzten Auftritte vor dem UN-Menschenrechtsrat erneut die Gleichstellung und Entkriminalisierung homosexueller Lebensgemeinschaften forderte, verließ eine Gruppe afrikanischer UN-Botschafter demonstrativ den Raum.
Es ist noch nicht lange her, dass Schwule diskriminiert wurden
Dabei ist es noch nicht lange her, dass Homosexualität in der Bevölkerung mehrheitlich abgelehnt wurde. Dass sich die Einstellungen in Deutschland gewandelt haben, führt Klaus Jetz, Sprecher des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD) vor allem auf das Jahr 2001 zurück. Seither dürfen Schwule und Lesben ihre Lebenspartnerschaften beim Standesamt eintragen lassen. Die Kampagne für die Homo-Ehe „war sehr erfolgreich, weil sie die Chance geboten hat, immer wieder über verschiedene Lebensentwürfe zu berichten“. Das hat nach Einschätzung von Klaus Jetz viel dazu beigetragen, dass Homosexualität in Deutschland inzwischen als ziemlich normal gilt. In der Pew-Umfrage gaben 87 Prozent der Deutschen an, die Gesellschaft solle Homosexualität akzeptieren. Nur in Spanien lag der Wert innerhalb Europas mit 88 Prozent noch höher. Markus Löning weist noch auf ein anderes Ereignis 2001 hin. Damals sagte der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit seinen berühmt gewordenen Satz: „Ich bin schwul. Und das ist auch gut so.“ Zwei Jahre vorher hatte der schwule Schlagersänger Patrick Lindner ein russisches Heimkind adoptiert. Auch das habe viel dazu beigetragen, dass Homosexuelle mehr und mehr akzeptiert wurden. All das hat es schließlich Guido Westerwelle ermöglicht, vor seinem Amtsantritt als Außenminister für sich selbst klare Verhältnisse zu schaffen. Volker Beck wirft ihm allerdings vor, selbst nichts dafür getan zu haben, dass die Diskriminierung Homosexueller beendet wird. Dennoch habe er „schamlos von einem Gesetz profitiert, gegen das er selbst gestimmt hat“, nämlich das Lebenspartnerschaftsgesetz.
Dass die Auseinandersetzung über die Homo-Ehe auch im Westen noch keineswegs ausgestanden ist, hat dieses Frühjahr deutlich gezeigt. Der Bundestag hat erst am Donnerstag die steuerliche Gleichstellung homosexueller Lebenspartner mit heterosexuellen Eheleuten beschlossen – auf Druck des Bundesverfassungsgerichts. Volker Beck sagt, dass die konservativen Verfassungsrichter sich dem eingängigen Argument, wer gleiche Pflichten habe müsse auch gleiche Rechte haben, nicht hätten entziehen können. Ganz ähnlich hat der oberste Gerichtshof in den USA gerade entschieden. Auch dort entschied das Gericht, dass homosexuelle Lebenspartnerschaften im Erbrecht und steuerlich nicht diskriminiert werden dürfen. In Frankreich hat die Zulassung der Homo-Ehe einen regelrechten Kulturkampf ausgelöst, während die Entscheidung in Großbritannien im kommenden Monat deutlich ruhiger über die Bühne gehen dürfte.
Markus Löning hat beobachtet, dass Homosexuelle in vielen Ländern im Verborgenen zurecht kommen können. Doch kaum wird das Thema zum politischen Thema erhoben – in Afrika häufig durch Forderungen westlicher Geberländer – folgt zunächst eine „gefährliche Phase“ für homosexuelle Menschenrechtler. Die Abneigung in den afrikanischen Gesellschaften ist derart, dass Schwule oder Lesben, die ihre Veranlagung öffentlich machen, damit rechnen müssen, aus ihren Familien verstoßen zu werden und von ihren Nachbarn angegriffen zu werden. Für sie ist es noch ein weiter Weg. Aber das deutsche und das europäische Beispiel seien doch ermutigend, findet Löning. In Schweden beispielsweise endete die Praxis, Transgender bei einer Geschlechtsumwandlung zwangsweise zu sterilisieren, erst in diesem Januar.
Wie geht es Schwulen und Lesben in anderen Weltregionen? Ein Überblick von den Korrespondenten des Tagesspiegels:
Lateinamerika: Weiter vorn als erwartet
Arabische Welt: Nur im Verborgenen
Afrika: Entrechtet, diskriminiert, bedroht
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