Lateinamerika: Argentinien, Uruguay und Brasilien erlauben die Homoehe
Brasilien hat Homosexuelle zwar gleichgestellt. Doch gleichzeitig tobt eine gesellschaftliche Debatte darüber. In Kolumbien ist die Gesellschaft offensichtlich noch nicht so weit.
In Lateinamerika hat sich mehr getan, als wegen der Kultur des Machismus und des Einflusses der katholischen Kirche lange Zeit für möglich gehalten worden ist. Erst im April hat das Parlament in Uruguay mit überwältigender Mehrheit die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern zugelassen. Das Gesetz war der Höhepunkt einer Reihe von Gleichstellungsbeschlüssen der seit 2004 regierenden mitte-links Regierung. Diese können sich auf eine breite gesellschaftliche Mehrheit berufen. In einer Umfrage der Meinungsforscher von Gallup sagten 71 Prozent der befragten Uruguayer, dass ihr Land ein guter Ort für Homosexuelle sei. Es ist der höchste Wert in Lateinamerika, der vierthöchste weltweit. Allerdings stellt sich auch in Uruguay die katholische Kirche weiterhin gegen die Homo-Ehe.
Ebenso in Argentinien, wo Jorge Bergoglio, der jetzige Papst Franziskus, in seiner Funktion als Erzbischof von Buenos Aires, die Homo-Ehe 2010 als „anthropologischen Rückfall“ bezeichnete. Argentinien war das erste Land Lateinamerikas, das die rechtliche Gleichstellung beschloss. Präsidentin Christina Kirchner erwiderte damals, der Ton Bergoglios erinnere sie ans Mittelalter.
Beim Nachbarn Brasilien sind es hingegen die lautstarken evangelikalen Kirchen, die gegen die Homo-Ehe opponieren. Der oberste Gerichtshof hat Mitte Mai mit 14 zu einer Stimmen die gleichgeschlechtliche Ehe im ganzen Land ermöglicht. Brasilien ist damit das dritte und vorläufig letzte Land Lateinamerikas, in dem Homosexuelle gleiche Rechte genießen wie heterosexuelle. Gegen die Neuregelung macht nun der mächtige Block evangelikaler Abgeordneter im Parlament Stimmung. Dem Menschenrechtsausschuss steht der homophobe Pastor Marco Feliciano vor. Erst vor ein paar Wochen hob der Menschenrechtsausschuss einen Paragraphen auf, der es Psychiatern verbietet, Homosexualität als Geisteskrankheit zu bewerten. Feliciano repräsentiert den evangelikal-reaktionären Sektor der brasilianischen Gesellschaft, doch Homosexualität ist hier insgesamt weniger akzeptiert als in Uruguay. Dies wird im Alltag deutlich. Das Schimpfwort „veado“ (Hirsch beziehungsweise Schwuchtel) ist eine gängige Beleidigung und wird von Fußballkommentatoren zur Charakterisierung schwächelnder Spieler verwandt. Dazu passt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Data Popular: Fast 40 Prozent der Brasilianer würden die Homosexualität ihres Sohns oder ihrer Tochter nicht akzeptieren. Darüber hinaus werden Homosexuelle in Brasilien verstärkt attackiert. Die älteste Schwulenvereinigung Brasiliens, die Grupo Gay da Bahia (GGB), hat eine Statistik veröffentlicht: 2012 wurden 188 Schwule, 128 Transvestiten und 19 lesbische Frauen umgebracht. In 99 Prozent der Fälle sei das Mordmotiv die sexuelle Orientierung des Opfers gewesen. Die Zustimmung zur Home-Ehe liegt in Brasilien laut Latin American Public Opinion Project (Lapop) bei 50 Prozent.
Einen ähnlichen Wert erreicht sie in Mexiko, wo die Homo-Heirat in der Hauptstadt Mexiko-City sowie im Bundesstaat Quintana Roo möglich ist. Die dort geschlossenen Ehen werden im ganzen Land anerkannt.
Einen Rückschlag erlitt die Einführung der Homo-Ehe erwartungsgemäß in Kolumbien, wo der Senat das Projekt im April mit 51 zu 17 Stimmen beerdigte. Vorausgegangen war eine polemische Debatte, die klar machte, wie tief die Kluft zwischen Befürwortern und Gegnern dort ist. Ein konservativer Parlamentarier ätzte, dass schwuler Sex „ekelhaft“ sei.
Die Grenze zwischen Toleranz und Intoleranz verläuft allerdings nicht immer zwischen links und rechts. Im konservativ beherrschten Kolumbien existiert wie im links regierten Ecuador die Möglichkeit zur eingetragenen Lebenspartnerschaft. Aber im sozialistischen Venezuela haben homosexuelle Paare keinen gesetzlichen Schutz. Ebenso wenig wie in Kuba. Zu ihnen gesellen sich Länder mit rechts-chauvinistischen Eliten wie Paraguay oder Honduras.
Offen homophob zeigen sich allerdings nur noch die ehemaligen englischen Kolonien: In Jamaika steht schwuler Sex unter Strafe, und 95 Prozent der Jamaikaner lehnen laut Lapop-Umfrage die Homo-Ehe ab. Auch in Britisch-Guayana ist schwuler Sex illegal. In Belize kann er mit Gefängnisstrafen von bis zu zehn Jahren geahndet werden. Homosexuellen ist dort die Einreise verboten.