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Polizisten in Kampfkleidung als Spalier neben ein paar hundert Demonstranten mit Regenbogenfahne
© dpa

Südosteuropa: In Kroatien wird um die Homoehe ein Kulturkampf geführt

Auf dem gesamten Balkan wie auch in den Nachbarländern ist die Stimmung homophob. Vor allem die Kirchen, aber nicht nur die, stemmen sich gegen eine Gleichstellung von Homosexuellen.

Auf weißen Leintüchern ist in bunten Wasserfarben die ideale kroatische Familie gemalt: Ein Vater händchenhaltend mit zwei Kindern, händchenhaltend mit einer Mutter. Die Leute, die unter diesem Banner  Unterschriften gegen die Homo-Ehe sammelten, glauben, dass Kinder, die bei homosexuellen Eltern aufwachsen, prinzipiell suizidgefährdet seien und dass es nicht gut sei, wenn kroatische Kinder in der Schule lernten, dass Homosexualität „normal sei“.  Gleichzeitig beteuern sie, sie seien nicht homophob. Die Organisation „Im Namen der Familie“ will durch ein Referendum die Ehe als exklusive Gemeinschaft zwischen Mann und Frau in der kroatischen Verfassung verankern. Die 30 meist der katholischen Kirche nahe stehenden Organisationen haben 710 000 Unterschriften, also weit mehr als die erforderlichen 450 000 gesammelt. Ein Sechstel der Bevölkerung ließ sich  bereits vor dem Referendum für das Thema mobilisieren. Die Zahlen spiegeln  die kroatische Gesellschaft wider. Der  Historiker Dorde Tomic berichtet, dass  70 Prozent der kroatischen Studenten und 41 Prozent der Studentinnen Homosexualität als „nicht natürlich“ bezeichnen. Die negative Einstellung soll sich in den vergangenen Jahren sogar verstärkt haben. In Serbien sahen bei einer Befragung im Jahr 2008 70 Prozent Homosexualität als „Krankheit“ an. Homophobie ist der Normalfall in Kroatien, wie in ganz Südosteuropa.

Kroatien wird aber wohl das erste EU-Land sein, in dem  es ein Referendum gegen die Homo-Ehe geben wird. Unklar ist, ob es für eine Verfassungsänderung noch der Zustimmung einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament bedarf. Für die Organisation „Im Namen der Familie“ dienten jedenfalls die jüngsten Proteste gegen die Homo-Ehe in Frankreich als Inspiration, sie verweist auch darauf, dass in Ungarn die Ehe zwischen Mann und Frau bereits in der Verfassung verankert wurde.

Während der sozialdemokratische Premier Zoran Milanovic von einer „aggressiven Gruppe“ spricht, die einen Kulturkampf führe, nennt es Aktivist Marko Jurcic schlicht „eine homophobe Kampagne“. Die Referendums-Initiatoren wollten sicher gehen, dass „Kroatien nicht denselben Weg geht wie das säkulare Europa“, sagt er und verweist darauf, dass die linksliberale Regierung  noch dieses Jahr ein Gesetz über eine „eingetragene Partnerschaft“ für Homosexuelle verabschieden will, die Einführung einer Homo-Ehe aber gar nicht erwogen hat. „ Es wird ohnehin keine Gleichheit mit der Ehe geben“, sagt Jurcic, der jedes Jahr die Gaypride-Parade in Zagreb organisiert.

„Bei der Kampagne geht es nicht um eine rechtliche, sondern um eine soziale Frage“, meint Jurcic. „Denn man schafft nun eine Atmosphäre, in der eine halbe Million Kroaten gegen Schwule auftreten“. Er kenne Fälle, in denen  es in der Familie zu einem Bruch gekommen sei, weil die Eltern von Homosexuellen für das Referendum unterschrieben. Auch die Zahl der Übergriffe gegen Schwule und Lesben sei gestiegen. „Leute wurden angespukt, geschubst und verbal angegriffen“, so Jurcic. Ohnehin hätten 60 Prozent der Homosexuellen in Kroatien verbale oder physische Angriffe erlebt.

In Kroatien geht es nicht nur um eine Debatte um gleiche Rechte für Homosexuelle, sondern um einen Kampf zwischen laizistischen Kräften und Katholiken, zwischen der linksliberalen Regierung und der konservativen Opposition. Die Gesellschaft ist gespalten. Begonnen hat die Debatte  bereits voriges Jahr, als ein Gesetz zur künstlichen Befruchtung verabschiedet wurde. Dann folgte eine hitzige Debatte über den Sexualkundeunterricht an staatlichen Schulen, die sich ebenfalls am Thema Homosexualität entzündete.

Katholische Elternorganisationen wie Grozd empörten sich darüber, dass Homosexualität „als etwas Normales“ dargestellt werde und ereichten, dass das Gesetz vom Verfassungsgerichtshof gekippt wurde und nochmals ausführlicher debattiert werden muss. In dem Unterrichts-Modul „Gleichberechtigung der Geschlechter und verantwortungsvolles Sexualverhalten“ wird Homosexualität als zu respektierende und  nicht als veränderbare Form der menschlichen Sexualität gelehrt. Genau das kritisiert etwa der kroatische Kardinal Josip Bozanic,, als „nicht im Einklang mit kroatischen Traditionen“.

Doch es sind nicht nur die Katholiken, die gegen Homosexuellen-Initiativen mobil machen. Sämtliche Kirchen in Südosteuropa, Vertreter der Orthodoxie, wie des Islam agieren ähnlich. Dazu gesellen sich üblicherweise nationalistische Gruppierungen und Fußball-Hooligans. In Split verursachten Hooligans 2011 noch Gewaltexzesse gegen die Teilnehmer der Gaypride. Im Vorjahr konnte diese nur unter dem Schutz eines großen Polizeiaufgebots stattfinden.

Homophobie auf dem Balkan hat aber nicht nur mit religiösen Vorstellungen, sondern vor allem mit engen Konzeptionen von Geschlechterrollen und „Normalität“ zu tun. Frauen, die etwa keine Kinder haben, gelten auch als „unnormal“ so wie Homosexuelle, weil beide das Gesellschaftsideal der konservativen Familie, in der der Vater die Ernährerrolle innehat, während sich die Mutter um die Kinder kümmern soll, widersprechen. Die Familie wurde zudem im nationalistischen Kroatien der 1990er Jahre als Institution verstanden, die auch für den Erhalt der Nation zuständig ist, also für den Nachwuchs. Während in jugoslawischer Zeit wenigstens noch formell die Gleichberechtigung propagiert wurde, wurde dann noch vermehrt die Nichteinhaltung der gesellschaftlichen Normen mit Stigmatisierung und sozialem Ausschluss bis hin zur Gewalt „bestraft“.

Die EU mahnte in Kroatien in den vergangenen Jahren immer wieder besseren Schutz für sexuelle Minderheiten ein. In dem Staat, der am 1. Juli der EU beitritt, können Schwule und Lesben mittlerweile zumindest in der Stadt ihre Sexualität leben, während etwa in Bosnien-Herzegowina jeglicher Versuch eine Gaypride zu veranstalten, bislang in Gewalt mündete. Homosexuellen-Vertreter in Kroatien betonen, dass diese positive Entwicklung ohne den EU-Integrationsprozess nicht möglich gewesen wäre.

Von Adelheid Wölfl

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