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Wer zahlt wie viel?
© Jens Büttner/dpa

Wolfgang Schäubles Plan zur Erbschaftsteuer: Helle Empörung bei den Unternehmern

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat erste Überlegungen zur Reform der Erbschaftsteuer vorgelegt. Den Unternehmerverbänden gehen sie viel zu weit - und auch in den Ländern ist man irritiert.

In den Unternehmerverbänden und den Bundesländern herrscht helle Aufregung. Der Grund: Die ersten Vorstellungen zur künftigen Erbschaftsteuer, die Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Montag erstmals im kleinen Kreis vortrug. Offenbar plant Schäuble erheblich weitergehende Verschärfungen der Regeln, als man im Unternehmerlager erwartet hat. Der Bundesminister geht auch über das hinaus, was derzeit zwischen den Ländern diskutiert wird, in deren Etats allein die Einnahmen aus dieser Steuer fließen. Notwendig wird die Neuregelung, weil das Bundesverfassungsgericht im Dezember Teile des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts für verfassungswidrig erachtet hat, soweit es die Unternehmensnachfolge betrifft. Vor allem hatten die Richter gefordert, dass gerade Erben größerer Betriebe nicht mehr  ohne weiteres von der Steuer verschont werden, wenn sie das Unternehmen ohne Abstriche beiden Arbeitsplätzen fünf bis sieben Jahre weiterführen. Karlsruhe will, dass zusätzlich noch eine Bedürfnisprüfung bei größeren Unternehmen erfolgt. Im Januar war bekannt geworden, dass seit der letzten Reform 2008 immer mehr Vermögen steuerfrei vererbt oder geschenkt worden ist.

 Grenzwert bei 20 Millionen je Erbfall

Am Dienstag wurde in Berlin bestätigt, dass Schäuble hier nun eine Grenze von 20 Millionen Euro je Erbfall vorschlägt. In den Ländern ging man bisher von teils deutlich höheren Werten aus. So schlugen Nordrhein-Westfalen und Hessen, zwei Länder mit relativ vielen Familienunternehmen, einen Freibetrag von 100 Millionen Euro vor, eine Summe, die auch im Karlsruher Urteil angedeutet ist. Nur Niedersachsen liegt mit 30 Millionen Euro relativ nahe an Schäubles strikteren Vorstellungen. Die beiden Verbände der Familienunternehmen hatten einen Grenzwert von 120 Millionen Euro gefordert, der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) sogar 300 Millionen. Nun herrscht breites Unverständnis. „Statt angelsächsischer Kapitalmarktorientierung setzen Familienunternehmer auf langfristiges, verantwortliches Denken“, sagt Lutz Goebel vom Verband der Familienunternehmen. „Die Pläne der Union konterkarieren das komplett.“ Statt, wie versprochen, „minimalinvasiv“ vorzugehen, hole Schäuble nun „die Axt raus“. Die Familienunternehmer verlören so den Glauben an die Wirtschaftskompetenz von CDU und CSU. Auch BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber reagierte verärgert: „Es ist unverständlich, dass die Eckpunkte für viele Familienunternehmen neue Belastungen androhen." Der Koalitionsvertrag schließe unnötige Verschärfungen aus.

 Schäuble will Privatvermögen einbeziehen

Aus Sicht der Unternehmervertreter ist problematisch, dass Schäuble offenbar statt eines Freibetrags eine Freigrenze plant. Das würde bedeuten, dass bei einer Steuerpflicht (wenn also keine Bedürftigkeit aus Liquiditätsgründen vorliegt) nicht nur die über dem Grenzwert liegende Summe besteuert würde (wie beim Freibetrag), sondern die gesamte Summe. Zudem lehnen die Unternehmervertreter die Einbeziehung der Privatvermögen der Erben strikt ab. Das hat Karlsruhe zwar nicht ausgeschlossen, doch sieht Matthias Lefarth von der Stiftung Familienunternehmen hier eine Abkehr Schäubles von der Zusage, nur das umzusetzen, was nach dem Richterspruch auch zwingend nötig sei. Nach dem Schäuble-Plan soll in die Bedürftigkeitsprüfung (also die Abwägung, ob ein Unternehmenserbe ohne gravierende Folgen für den Betrieb zahlungsfähig ist) auch ein Teil des Privatvermögens fallen. Ist dieses hoch genug, um Erbschaft- oder Schenkungsteuer zahlen zu können, soll keine Verschonung möglich sein. Goebel hält das für nicht machbar: „Das ist allem Anschein nach verfassungswidrig, da es zu unverhältnismäßigen Doppelbelastungen führt.“ Schäubles Plan "wäre gesetzestechnisch nicht umsetzbar, ohne wiederum eine Vielzahl von Umgehungsmöglichkeiten zu eröffnen“, warnt Rainer Kirchdörfer von der Stiftung Familienunternehmen.

 Was ist betriebsnotwendig?

Verärgert sind die Verbände auch, weil Schäuble offenbar vorhat, nur noch betriebsnotwendiges Vermögen nicht zu besteuern (also etwa der Maschinenpark oder die vom Betrieb genutzten Werkshallen und Bürogebäude). Was nicht betriebsnotwendig ist, müsste dann im Einzelfall festgestellt werden. „Damit öffnet man die Büchse der Pandora“, befürchtet Lefarth. Denn dann spiele das individuelle Geschäftsmodell die entscheidende Rolle. Zudem überfordere das die Bürokratie. Es dürfe nicht im Ermessen des Finanzbeamten vor Ort liegen, was unter die Verschonung falle und was nicht. Vom nicht produktiven Verwaltungsvermögen (also etwa vermieteten Gebäude, Wertpapieren oder auch Kunstgegenständen, die sich prinzipiell ohne Weiteres veräußern lassen) will Schäuble nur noch zehn Prozent steuerfrei stellen. Goebel bezeichnet das als „unterirdisch“.

Auch in den Finanzministerien der Länder gibt es Irritationen wegen der Nachrichten aus Berlin. Einerseits fordere Schäuble stets Vorschläge der Länder ein, schalte dann aber selbst auf stumm, heißt es. Mehrere Länder haben auch schon recht detaillierte Vorstellungen entwickelt, die nun – sollte Schäuble an dem festhalten, was er im kleinen Kreis vortrug – Makulatur wären. So haben Nordrhein-Westfalen und Hessen eine Klausel favorisiert, nach der zusätzliche Investitionen in Maschinen, Forschung oder Arbeitsplätze steuermindernd wären. Ein Bund-Länder-Dissens ist damit programmiert; obwohl die Erbschaftsteuer nur den Ländern zufließt, muss sie auf Bundesebene geregelt werden. Der Bundesrat hat damit ein Vetorecht.

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