Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Gesetz zur Erbschaftsteuer ist teilweise verfassungswidrig
Das Erbschaftsteuergesetz muss geändert werden. Vor allem bei Großunternehmen müssen die Regeln zur Verschonung von der Steuer schärfer gefasst werden.
Kleine und mittlere Familienunternehmen können auch weiterhin von der Erbschaftsteuer ausgenommen werden. Für Großunternehmen in Familienhand gilt das ab 2016 aber nicht mehr ohne weiteres. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe urteilte am Mittwoch, dass das Erbschaftsteuergesetz in Teilen verfassungswidrig sei, weil Regelungen gegen den Gleichheitsgrundsatz in Artikel 3 des Grundgesetzes verstießen. Der Erste Senat gestattet dem Gesetzgeber jedoch weiterhin, kleine und mittlere Familienunternehmen „zur Sicherung ihres Bestands und zur Erhaltung der Arbeitsplätze steuerlich zu begünstigen“. Diese Privilegierung sei aber unverhältnismäßig, wenn sie über diesen Bereich der Klein- und Mittelunternehmer auch bei Großunternehmen greift, ohne dabei eine „Bedürfnisprüfung“ vorzusehen.
Verschärfung auch bei Kleinunternehmen
Allerdings sieht es das Gericht auch als unverhältnismäßig an, dass Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten von der Einhaltung einer Mindestlohnsumme befreit werden, wenn das Unternehmen nach dem Erbfall weitergeführt wird. Zudem verstößt auch die Verschonung von Betriebsvermögen mit einem Verwaltungsvermögensanteil von bis zu 50 Prozent gegen das Grundgesetz. In beiden Fällen sehen die Richter Gestaltungsmöglichkeiten, die zu ungerechtfertigten Ungleichbehandlungen führen können. Die vom Gericht beanstandeten Regelungen müssen bis zum 30. Juni 2016 geändert werden.
Bisher galt, dass Erbschaften und auch Schenkungen von der Steuer verschont werden, wenn ein Betrieb nach der Übergabe weitergeführt und die Beschäftigung gesichert wird. Das Indiz dafür war, dass die Lohnsumme insgesamt in etwa gleich bleibt. Ist das fünf Jahre lang der Fall, wird die Steuerschuld zu 85 Prozent erlassen. Wer das sieben Jahre schafft, muss am Ende gar keine Steuer bezahlen. Nach sieben Jahren wird sie ganz gestrichen. Völlig befreit von dieser Klausel waren allerdings bisher Betriebe mit weniger als 20 Beschäftigten – darunter fallen etwa 90 Prozent aller Familienfirmen. Von diesen müssen nach dem Urteil nun viele damit rechnen, dass sie ebenfalls die Fünf- oder Siebenjahresfrist einhalten müssen. Die Karlsruher Richter sehen es allenfalls als gerechtfertigt an, die Verschonung auf Betriebe „mit einigen wenigen Beschäftigten“ zu begrenzen. Die Fristen von fünf und sieben Jahren müssen nicht geändert werden, sie hält das Gericht für verfassungskonform.
Änderung ab Mitte 2016
Bei Großunternehmen muss nun wohl ab 2016 geprüft werden, ob sie überhaupt eine steuerliche Entlastung brauchen. „Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, präzise und handhabbare Kriterien zur Bestimmung von Unternehmen festzulegen, für die eine Verschonung ohne Bedürfnisprüfung nicht mehr in Betracht kommt“, urteilte das Gericht. Das bedeutet, dass Bundestag und Bundesrat nun auch darüber befinden müssen, wo die Grenze zwischen Klein- und Mittelbetrieben einerseits und Großbetrieben andererseits liegt.
Deutliche Kritik an Umgehungen
Recht deutlich kritisiert das Gericht, dass das Gesetz bisher Umgehungsmöglichkeiten zugelassen hat. Ein Steuergesetz sei verfassungswidrig, stellen die Richter kategorisch fest, wenn es Gestaltungen zulasse, "mit denen Steuerentlastungen erzielt werden können, die nicht bezweckt und die gleichheitsrechtlich nicht zu rechtfertigen sind". Dies ist nach Ansicht der Richter der Fall, wenn die Lohnsummenpflicht durch Betriebaufspaltungen umgangen wird, aber auch bei so genannten Cash-Gesellschaften, deren Zweck nur die Verwaltung eines Vermögens ist.
Der Präsident des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, sagte nach dem Urteil, die Politik müsse jetzt ihr Versprechen einhalten, den Generationenwechsel in Familienunternehmen weiterhin zu ermöglichen. „Mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ist dies möglich.“ „Wir brauchen eine mittelstandsfreundliche und verfassungsfeste Erbschaft- und Schenkungsteuer. Daran muss sich die Politik bei der Ausgestaltung der nun fälligen Reform messen lassen“, betonte Grillo. Auch die Stiftung Familienunternehmen ist in Sorge. Vorstand Brun-Hagen Hennerkes fürchtet, das die Unternehmen "zu einem Spielball politischen Gezänks und ideologischer Verteilungskämpfe werden.“
Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) sagte dem Tagesspiegel, das Urteil sei ein deutlicher Auftrag an den Gesetzgeber, das Ausmaß der Steuerbefreiung bei der Vererbung von Unternehmen zu reduzieren. "Es kommt nun darauf an, zügig verfassungsfeste Regeln zu entwickeln, die einerseits das Aufkommen der Erbschaftsteuer für die Länder sichern und andererseits im Erbfall keine Arbeitsplätze gefährden. Daran werden wir konstruktiv mitarbeiten.“